In grauer Vorzeit, als ich zweifelnd und zunehmend skeptisch den Heldentaten von Gottes Ebenbild gegenüberstand, entdeckte ich nihilistische Literatur. Schwarzseher wie Kierkegaard oder Schopenhauer fand ich dann trendy. Schopenhauers Schriftensammlung „Parerga und Paralipomena“, darunter die „Aphorismen zur Lebensweisheit“, waren meine Taschenbücher, und aus dieser Zeit bewahrte ich das hübsche griechische Wort „Paralipomena“, das Schopenhauer einst zum Titel erkor.

Das Allerweltsblatt der Schweiz, genannt „Tages-Anzeiger“, postuliert: „Wer heute nicht tätowiert ist, gehört in Zürich zur Minderheit“. Als Angehöriger dieser pointierten Randgruppe mit intakter Haut schlucke ich mal (und noch einmal) die Weisheit der abgeklärten TA-Texter Jean-Marc Nia & Sepinud Poorghadiri und begebe mich ans Schaufensterlen zu Shops wie World`s End Tattoo oder Od Love Tattoo oder …

L'amour, l'amour. Das Hauptproblem bei diesem Puzzle ist: Die Geschlechtsmerkmale wohlwollend zu studieren

Je kleinräumiger des Künstlers Imagination, desto raumgreifender sein Manufakt. Eine weithin hör- und sichtbare Großsprecherei bringt alleweil Segen, Gloria und Art Basel. Lautheit und grazile 1,5 x 1,2 Meter für die "Zarte Darstellung ..." (Werner Büttner) ergeben Marlboroughfineart.com.

als die Bisexuelle in der Lust an meiner Brust nach Titten suchte

Reminiszenz. Zehn Jahre alter Text aus Berlin: Unter dem Pflaster der Köpenicker Straße ist der Strand. Mit viel Phantasie auszumachen im raren Sand des Spreeufers. Diese Phantasie besaß "Habait", Israels rasant wachsende Kulturexklave in Berlin, und lud dort zur "Tel Aviv Beach Party". Netter zwar und vor allem heimischer wäre "Strand" statt Beach gewesen, aber was solls. Der Spree war die Wortwahl eh egal, sie setzte ihren Fluss während des ganzen Events schulterzuckend fort. Nicht ganz so gleichmütig waren die Kreuzberger Anwohner – in der Mehrheit Palästinafreunde. Vernehmlich laut wurde – kaum war des jüdische Vorhaben bekannt geworden – für ein Gegen-Fest geworben, zur lautstarken Gegenparty gerufen. (In Kreuzberg hat es sich halt noch nicht herumgesprochen, dass Expats aus Tel Aviv zumeist vor der faschistoiden Borniertheit des orthodoxen Israel flüchten.) Habait, der Klügere, stellte sich alsbald dem Feind, sprach von unpolitischen Ballspielen, leckerem Hummusbrei, Melonen, Gratismassage im Spreesand und lud zum Dialog. –
Ein übernatürliches Mysterium ward dann Ereignis: Man setzte sich zusammen, disputierte, und die Party wurde in "Tel-Aviv-Jaffa" umbenannt (Jaffa ist der ursprüngliche arabische Name der Stadt). Es herrschte plötzlich eitel Mondschein und noch heller wurde es als der DJ aus Israel seine Gage Palästinenserkindern aus Gaza spendete. –
Nur eine Handvoll Militante trübten die Nacht mit Intifada-Chören, zogen dann aber unter Polizeigeleit ab.

„Putin ist ein weit vorausblickender Mann.“ Klarsichtige Worte des Filmers Werner Herzog. Solche Hellseher gab es auch bei Adolf Hitler.

Seltsame Lust beim Aufwachen:
Zum Loorenkopf hochsteigen und dort in den Wald rufen

"Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher." Albert Einstein

man/frau spricht deutsch:
Ausschnitt aus Buchbesprechung von Daniela Tan in der NZZ: "Die sozialen Dystopien in ihren fiktiven Welten sezieren das idealisierte Narrativ der heteronormativen Kernfamilie, in der Produktion und Reproduktion entlang der binären Linien traditioneller Geschlechtsbilder ..." Also sprach Daniela Tan und also druckte die Neue Zürcher Zeitung

Das Kunsthaus Zürich lud ein. Nobles Mahl für ein auserlesenes Publikum, „1500 Austern und Champagner aus Frankreich". „Willkommen war jede und jeder“, sagt die NZZ am Sonntag, um „die vier Meter langen Glasröhren, mit diversen Edelgasen gefüllt“, ein Kunstwerk des Künstlers Raphael Hefti, soeben für die Sammlung aufgekauft, zu feiern.

Die Linke in der Stadt Zürich beschließt, die Einkommensgrenze beim Bezug von Sozialwohnungen abzuschaffen. Bei der Gauche caviar (SP) wäre das ja keine besondere Überraschung – dass aber die Alternative Linke (AL) mitgestimmt hat, das ruft zwingend nach Neuausrichtung meiner Präferenzen bei den nächsten Wahlen

Eine Leserin der Süddeutschen Zeitung hat ein Weihnachtsproblem. Sie hofft, dass es vor der nächsten Christnacht gelöst wird: Warum sagt man, fragt sie, plötzlich „Frohe“ statt „Fröhliche Weihnachten“? „Froh“ gehöre doch zum Osterfest …

Aus einem staubigen Zimmerwinkel ziehe ich das Heft „connaissance des arts“ „Index 76 des artistes vivants les plus importants“ hervor. Die auserwählten Namen sind mir – bis auf wenige wie etwa Adja Yunkers oder Toni Smith oder Pol Bury oder Vera Molnar – immer noch präsent. Das Heft fragt selbst beim Abdruck eines Bildes von Claude Viallat „ … évident dans vingt-cinque ans?“

Just in time zum Angelusläuten der nahen Kirche lese ich in der NZZ einen Artikel "Seit wann gibt es Krieg?" Ein schöner Text über "eingeschlagene Schädel" und die stete Mordlust von Gottes Ebenbild

Wieder Silvester. Wieder die Knallerei der infantilen Menschheit. Nach Ohropax gesucht. Vergeblich.

Denke ich an Putin in der Weihnachtsnacht und dann auch an seinen Admirateur Orbán im kümmerlichen Orbanland, fange ich zu kochen an.
Im großen Fest der Liebe schäle ich Karotten. Meditativ entrückt ziehe ich den Schäler die Rüben entlang und eucharistisch versonnen (mit Wein, aber noch ohne Brot) wandern meine Gedanken von den Rüben zum Treiben großer Geister: Was tun oder taten die in der Heiligen Nacht, etwa ein Christoph Blocher oder ein Richard David Precht oder der Schweizer Erfinder des Sparschälers?

Im wachsenden Müll auf dem Dachboden ergoss sich aus einer alten Raventos-Codorniu-Blechbox eine Sammlung von Ansichts- und Ausstellungskarten. Eine Karte mit einem Aperçu von Albert Einstein („Ich weiß nicht mit welchen Waffen sich die Menschen im 3. Weltkrieg bekämpfen, aber im 4. werden es Keulen sein“) zeigte auf der Vorderseite eine Photoshop-Montage von zwei innigst ineinander steckenden Unterleibern. Das Bild erinnerte stark an Camille Sabatiers vielsagende Körperfragmente

Gibloux. Kaum ausgesprochen, gleich hat das Wort mein musikalisches Sprachempfinden angekickt. Mont Gibloux, 1208 Meter. Oben gab es nur dunkle Wälder, kein Durchblick in der tannenen Düsternis. Wieder unten in Romont dafür dann eine spätromanische Madonna bewundert.

Der neofaschistische italienische Minister Lollobrigida hat einen Zug anhalten lassen, weil er mit dem Auto weiterfahren wollte. Die Süddeutsche Zeitung kommentiert die Meldung mit einer leicht abgeänderten alten Gedichtzeile: „Alle Züge stehen still, wenn mein starker Arm es will.“

Nomen est omen: "Joyce ist natürlich nicht ganz ohne Talent, aber er ist ein literarischer Scharlatan von höchsten Gnaden. Sein Hauptwerk, Ulysses, ist ein anarchisches Produkt, infam im Geschmack, im Stil, in allem." Sir Edmund Gosse, 1924. Nomen est omen.

Mann, seit Äonen Rotweintrinker, pfeift auf Polyphenole und sucht dieserhalb keine Grünteetrinkerin.

Auf meine Frage nach einem Fahrplan auf dem Schweizer Bahnhof gibt es nur negierendes Kopfschütteln. Spontan entfährt mir ein „Scheiß-SBB“. Das erntet dann interessierte Blicke von den besetzten Schaltern (es sind nur wenige).
Die Schweizer Bundesbahnen knausern und erhöhen die Fahrpreise. Fahrgäste sollen sich gefälligst Smartphones anschaffen und nicht die Millionenmonatslöhne der SBB-Direktion tadeln und mit gedruckten Fahrplänen schmälern.

Leiden an Einsamkeit, das tun nur eindimensionale Wesen

Daniel Strassberg, Psychoanalytiker und Philosophie-Unterrichtender, hat nichts begriffen: „Alle haben dazu plötzlich eine Meinung, alle haben eine Position. Jetzt auch noch Greta Thunberg, was geht sie das überhaupt an? Alle haben das Gefühl, etwas über Israel meinen zu müssen, warum eigentlich?“ Daniel Strassberg hat nichts begriffen.
(Strassberg in der NZZ am Sonntag, 5.11.23)

Der Schweizer Tages-Anzeiger schreibt:
„Tagelang schruppte Salathé …“
Das haben wir davon. Wenn Zeitungen Journalisten beschäftigen, die nicht mal die deutsche Orthografie kennen, Zeitungen, die aus Knausrigkeit das Korrektorat einsparen.
(Für Erstklässer und für den Tages-Anzeiger: Es heisst schrubben, nicht schruppen)

Matthias Schüssler, Digitalredakteur der Schweizer SonntagsZeitung, würdigt die Kaufempfehlungen von künstlicher Intelligenz – von Amazon bis ChatGPT. Sein Fazit: „Was Bücher angeht, vertraue ich den Empfehlungen meiner Mutter, und bei Fernsehserien kommt niemand an meine Schwägerin in Karlsruhe heran."

Nacht mit angehängter Stunde und Träumen von vertaner Knabenzeit. Zeichen, grotesk groß aber bleich

Der Rollkoffer und der Kleinkindtransporter:
In Zürich, zwischen dem Groß- und dem Fraumünster, gibt es eine Brücke, die nennen die Eingeborenen „Münschterbrückli“. Entsprechend dieser Verkleinerungsform sind die Gehsteige (schweizerisch: Trottoirs) links und rechts am Brückli nicht breiter als etwa 120 cm. Diese, laut Gesetz strikt für den Fußgänger reservierten Gehwege, sind am Münsterbrückli schier unpassierbar: Scharen von Touristen, bewaffnet mit Smartphones und Rollkoffern, Scharen von Erziehungsberechtigten mit ihren Kinderwagen (bei Ertragreichen gleich Doppelsitz) attackieren den Fußgänger und drücken ihn brutal zur Seite. Weicht er in seiner Not auf die Fahrbahn aus, spuckt sicher Gift ein Radfahrer, im Bewusstsein, dass er, der Biker, das Hätschelkind der Potentaten in der Stadt Zürich ist

da sagte sie: Das ist voll unfassbar, vollkommen ungeheuerlich. Ich nickte und griff nach dem Handlauf

Daniele M., Katalysator meiner Neurosen, stieg aus einem Auto. Einem Auto von ausgesuchter Banalität, farb- und reizlos und groß wie ein Van. Zu meinem Image von M.D. war dieses Auto derart unpassend, dass ich es nicht glauben kann, es war ihres.

Spirituosen wie es auch gefällt …
Geradezu phänomenal verbindet der TagesAnzeiger Titel zur freien Besäuselung seiner Leserschaft:
„Was Religion und Film verbindet“ und gleich darunter: „Moët & Chandon für prickelnde Momente“ – Da erinnere ich mich: Schrieb doch Baudelaire schon: „Il faut être toujours ivre …“ (TA, Zürich, 23.9.2023)

Vor Jahren war der Diogenes-Verlag mit dem Wahlspruch unterwegs „Diogenes-Bücher sind weniger langweilig“. Das war nicht einfach nur Advertising. Wenn ich nur an die fesselnden und zugleich menschlich bewegenden Hunkeler-Krimis des Hansjörg Schneider denke, die alle im Diogenes-Verlag erschienen sind (leider schreibt Hansjörg Schneider heute nicht mehr). Vorbei, verflossen. Vorgestern wollte ich mich mit einem neueren Diogenes-Krimi (Petros Markaris: Das Lied des Geldes) in Schlaf lesen. Auf Seite 44 schon legte ich Petros Markaris auf die Seite: Bis dahin war viel über Linke & Linkssein & Kinderhätscheln schwadroniert worden, nur Suspense, Nervenkitzel, kam nirgends auf. Laut Klappentext soll ein saudischer Geldsack ermordet werden – soll ich weiterlesen?

Es ist lichter Tag. Mit Hitzewarnung. Ich sitze am Schreibtisch und bohre gedankenverloren in der Nase. Das wird mir plötzlich bewusst und einige Leser werden hier auch mit Recht die Frage aufwerfen: Kann er nicht den Vorhang zuziehen?

Luzern, im September. Enno Poppe. Composer in Residence, Lucerne Festival 2023. Poppe hat mich unglaublich gelangweilt mit seinem Stück „Öl“. Darauf folgte dann noch ein Poppe: „Augen – 25 Lieder für Sopran und Kammerorchester“. Dank der wendigen, fesselnden Stimme von Sarah Maria Sun vergass man hier den Composer Poppe. – Nach der Pause dann die Klimax des Konzerts mit Ligetis Violinkonzert, gespielt von der großen Isabelle Faust

Meist sagt man sich, die NZZ ist zwar das Blatt der Geldsäcke, ist schwer rechtsläufig, bemüht sich aber, sich zum rechten Rand abzugrenzen. Bis dann mal wieder ein Text kommt, wie in der Ausgabe vom 29.8.2023, in dem der bayrische Vizeministerpräsident von seiner eigenen braunen Kotze reingewaschen wird und die Zeitung, die die unappetitliche Vergangenheit des Politikers aufgedeckt hat, geschurigelt wird. Der Verfasser des Gemeckers, Alexander Kissler in Berlin, spricht (und die Neue Zürcher Zeitung druckt es): „… in welchen Abgründen ein Journalismus landen kann, der sich von der eigenen Weltanschauung die Sinne benebeln lässt.“ Und empfiehlt der „Süddeutschen Zeitung“, die die braune Vergangenheit des Hubert Aiwanger öffentlich machte, ihre Redaktion neu zu besetzen …

Die deutsche Sprache sei das Primat fürs Denken, meinte Heidegger. Wenn so, dann halte ich die französische für das Primat der Poesie

"Gendern ist eine Form von Tollwut" meint der Musiker Heinz Rudolf Kunze

Parabel von der Ungleichzeitigkeit (da Daniele Muscionico in der NZZ das Onsernonetal besuchte)
Vor vielen Jahren wohnte ich hie und da im Tessiner Flecken Berzona.
Von der „Haupt“straße des Onsernonetals rechts die Abzweigung „Berzona“, dann um die zweihundert Meter nach/über dem Haus von Max Frisch.
Aus dem Bett in meinem Refugium blickte ich waagrecht auf die Turmspitze des Campanile von Berzona – seine Glocken (oder waren es nur die Stundenschläge?) fand ich grässlich – wenn ich mich noch recht erinnere.
Für das tägliche Brot musste ich jeweils paar Hundert Meter hinunter zur „Hauptstraße“. Wenn ich Glück hatte, war der Laden noch offen.
Oft regnete es in Strömen. Ein Plätschern, eher Murmeln, wie ein Wiegenlied des grauen Nebels.
Auf meinen Streifzügen im Grün um mein Domizil stieß ich auf ein weiträumiges Hanffeld. Das Haschisch war damals halt noch Mode (und ich in Versuchung, ein paar Blätter zu reißen …)
Als Wanderer mit Gier nach Höherem kraxelte ich bergan weiter.
Max Frischs „Holozän“ im Geist (ich will es nicht verschweigen: ich halte das Buch für Frischs sympathischtes) stieg ich hinauf zur Kulmination des Passo della Maggia, über Steinplatten, vorbei an zweckentfremdeten Rustici mit Sonnenkollektoren, und wollte schon hinüber zum Maggiatal (war womöglich schon jenseits) als mir ein Schluck Merlot als vitaler Mangel auffiel.
Ich kehrte um. Kletterte die Steinstufen runter, rutschte die Hänge durch bis Loco. Loco, wenn ich mich heute erinnere, war der einzige Ort im Valle hier mit einer Osteria.

Diagnose des Krematoriumsleiters von Liebenfels:
"Nicht alle Menschen brennen gleich gut"

Die Hitze, die das Leben lähmt, erinnert an die flirrenden Nachmittage in La Habana/Adra. Dort mit Cumulusfetzen und Brise vom Meer und auch demasiado Tinto.

Darf ich Ravels Tzigane überhaupt noch Tzigane nennen?
(Gedanke beim Überfliegen einer France-Musique-Konzertanzeige)

Juli 7 bis Juli 10 "Züri Fäscht". Als stinknormal kultivierter Mensch meide ich dieser Tage diese Stadt

Enzensberger (Hans Magnus) soll in Berlin Nikolassee in einer lauen Nacht den Nachtigallenschlag besungen haben. Sein Gedicht ist leider verschollen, heisst es, mich aber erinnert die Meldung an meine Nächte im Tessiner Suino, als ich im Fauchen und Pfauchen der Marder in den Baumkronen über mir trotz Zuhilfenahme von reichlich Merlot nicht in lyrische Stimmung sank

Art Basel: Der Kunstmarkt hat etwas Brutales. "Ein bunter Jahrmarkt der Eitelkeiten, auf dem das Geistige stets unter die Räder kommt" NZZ 15.6.2023

Ich bin zum Voyeur geworden. Gesucht habe ich die Szenerie nicht, der Auftritt drängte sich selbst in mein Sichtfeld. Aber zu Ende habe ich dann fasziniert zugeschaut.
Der Erpel, ein echter Poseur, machte viel Gischt und Lärm während er auf der Ente ritt, und riss dabei wollüstig an ihren Nackenfedern. Die Ente selbst schien fast unbeteiligt. Am Ende des Akts duckte sie sich zwei-dreimal ins Wasser und schwamm als wäre nix gewesen davon

Da tobt das Netanjahu-Israel:
Die Züricher Zeitung Tages-Anzeiger fragt "nach dem biblischen Land Kanaan" und als Antwort schlägt er "Palästina" vor

Bei Liszt halte ich es mit Heinrich Heine: „Ich will ihn loben, wenn ich ihn nur nicht hören muss“. Liszt – den Ungarn mehr Heiligtum als ihre heilige Königskrone – war ja genetisch gar kein Ungar. „Ich bin große Mode“ sagte er mal über sich und erspielte sich ein Vermögen mit Konzerten von Petersburg bis Madrid. Allerdings hatte er auch Verpflichtungen: die alte Mutter, die Geliebte Gräfin d’Agoult, die gezeugten Kinder. Liszt aber gab auch Konzerte für Habenichtse – fast jedes zweite war für wohltätige Zwecke: für die Armen in Hamburg, für ein Blindenheim in Budapest, für Überschwemmugsopfer ebenda, für die Invaliden von Borodino. Welcher Tastenlöwe von heute tut das?

Der „Ariel des Klaviers“ – „unsagbare Zartheit des Vortrags“ – „er hustet so charmant“ …
Der Pianist, der von seinem Publikum im Saal „angewidert“ ist, „sich von seinem Atem erstickt fühlt, von seinen Blicken paralysiert fühlt“ – ich wundere mich immerdar, dass ich Chopins Musik nicht mag.

Verwundert, fast schon erfreut, erkannte ich – endlich wach –, dass mir gerade ein Traum mit Daniele M widerfuhr. Nur schon die Länge des Traums – ich zeigte ihr meine Wohnung – scheint mir jetzt ungewöhnlich, auch das Gemüt in der Sequenz lief ohne meinen einst verliebten Spleen für sie ab. (Möglicher Traumauslöser: Seit ein paar Tagen ist auch das Kunsthaus-Restaurant Vergangenheit. Dort trafen wir uns.)

Thomas Meyer, Schilderer des Kleinbürgerlichen aus dem Zürcher Wiedikon, zelebriert die 75ste Wiederkehr der Nakba aka Staatsgründung Israels mit einem Eiertanz im TAM vom 13. Mai. In seiner verbalen Tapserei fand ich immerhin einen Nebensatz, der mir gar sehr gefiel:
„… mich der Glaube so kalt lässt wie Fußball“

der beste, der fundierteste, der treffendste Kommentar zur Krönung in England stammt von Peter Nonnenmacher, erschienen im Züricher Tages-Anzeiger (6.5.2023)

Frau Jasmin Blunt, Gymnasiallehrerin in Ulm, war entsetzt. Während der Lektüre von Wolfgang Koeppens Roman „Tauben im Gras“ fand sie gehäuft das Wort „Neger“, und – horribile dictu – „Nigger“. Frau Jasmin Blunt fordert nun, Wolfgang Koeppen soll sofort aus dem Kanon der deutschen Schullektüre entfernt werden.
Koeppens Romane „Tauben im Gras“, „Das Treibhaus“, „Der Tod in Rom“ gehören zu den wichtigsten Dokumenten der deutschen Nachkriegsliteratur – dieser Meinung ist der Suhrkamp-Verlag. Ich vermute, Suhrkamp ist heute noch dieser Meinung.

Masochismus ist nicht nur, wenn man sich endlich zum Lesen von Sacher-Masochs „Venus im Pelz“ entschließt (dabei steht der ungleich würzigere Felix Salten quasi daneben im Regal), nein, echt klinisch und selbstquälerisch nennen wir die Wahl von Anne-Sophie Mutter & Lambert Orkis zum Hören von Beethovens opus 30/2 (Da liegt mir zwar seit ein paar Jahren auch die Einspielung von Capuçon & Braley vor – aber die sind noch schlimmer)

Die linke Stadtpräsidentin von Graz, Elke Kahr, verdient monatlich 8000 Euro. Davon gibt sie 6000 weg. Die linke Stadtpräsidentin von Zürich, Corinne Mauch, verdient um die 22000 Euro monatlich. Wäre interessant zu wissen, wieviel sie davon weggibt.

Überraschung auf der Rathausbrücke in Zürich:
Pro-Palästina-Demo in Zürich.
Juden & Palästinenser zusammen. Offensichtlich Geistliche als Wortführer.
Tut gut, das zu sehen.

Zuckerberg der Zickige: Seit Tagen versuche ich mein Facebookkonto zu löschen, gehe penibel nach den Facebookvorgaben vor – und irgendwann leitet mich Facebook-Zuckerberg auf einen SackgassLink um ... So weiss ich wenigstens genau, warum ich Facebook nicht mehr will

Israels Faschisten aka Siedler und andere Netanjahu-Wähler machen sich auch mit „Tod-den Christen“-Graffiti erkennbar.
Ihrer Gier sind die Christen zum Glück nicht so schutzlos ausgeliefert wie die Palästinenser

Lied des Hasen nach Ostern um 23 Uhr
Mager noch das Jahr. Das Wetter ein Kümmerer, hörbar zieht es seinen Rotz empor.
Laune flammt auf, perlt, nässt und erlahmt.
Nur das Wurm prustet und blickt siegreich durchs Gitter hoch.

Schamanen bin ich zuletzt als Knirps in der katholischen Kirche begegnet. Da hießen sie noch Jesus oder so ähnlich. Nun kommt auf Facebook ein Adahi, selbsternannter Waldschamane, und möchte mit mir ein Glas trinken. No chance, lieber Adahischamane, mir reicht der Geist aus der Flasche …

Warum ich die „trendy“ Lokale meide:
„Ich sitze mit meiner Gattin in einem Restaurant, in dem die Tische eng beieinander stehen. Auf dem Weg zur Toilette muss ich mich quer stellen, um hindurch zukommen. Soll ich dem Nachbartisch den Gluteus maximus präsentieren? Oder lieber den Hosenschlitz?“
Aus der NZZ (3.4.23)

Sergej Rachmaninow. Nach eigener Schreibweise: Rachmaninoff. Ein Fan seiner Musik war ich nie. Seines „exorbitant virtuosen“ dritten Klavierkonzerts, des „Rach 3“ schon gar nicht.
Mein „Lexikon der Neuen Musik“ von Prieberg führt ihn nicht einmal als Stichwort.
Ihn als „Jahrhundertkomponisten“ zu bezeichnen – na ja, eine „Sonntagszeitung“ (und das Luzerner Touristenamt) brauchen halt Eyecatcher und Werbung.
PS: Wovon hat er eigentlich seine Villen am Ufer des Vierwaldstätter Sees und in Beverly Hills gekauft?

Gute Reise – wie aber kommst du darauf, dass dein Osterspaziergang auf die Kanaren unsere Aufmerksamkeit oder gar Wissbegierde weckt???

es wird wirklich unverschämt, wie facebook dreist meine inhalte löscht.
dabei sind sie keusch und unschuldig wie eine schäferwolke.
ich glaube, ich werde da jetzt mal ade sagen und unsere beziehungen zu grabe tragen.

E. S. fragte, was mir in den Sinn kommt, wenn sie „Schweiz“ sagt. Unüberlegt sagte ich: Cervelat, Chasselas, Konkordanz. Etwas später schickte ich nach: „Bis an den Cervelat sind die anerkennend gemeint …“

nur die allergrößten Kälber kaufen bei Apple ihre Rechner:
„während der Straßenpreis für eine SSD mit zwei Terabyte bei weniger als 200 Euro liegt, verlangt Apple einen Aufpreis von 690 Euro. In der Vollausstattung mit acht Terabyte SSD und 32 Gigabyte Arbeitsspeicher verlangt Apple für den Mac Mini sage und schreibe 5200 Euro.“ (aus der F.A.Z.)

Zollstock, unpräzis zwischen Ferse und Spitze großer Zeh gelegt
und in Zeiteinheiten gezählt, die Strecke abgezählt,
rasch mit einem tiefen Atemzug
tieferer Bedeutung, rauschender Melancholie ausradiert

Die schäbigste, die jämmerlichste Pizza meiner Tage in Zürich bei NAPULE neben dem Bellevue-Platz. Der Boden weniger als 1(ein) Millimeter dick und unfertig gebacken, beschmiert mit etwas Rot als Tomatensauce, etwas weißlich Schimmerndes als Top sollte Mozzarella sein … Der Preis für den Fraß ist dann natürlich eidgenössisch kostbar, nur mit edlen Fränkli, und nicht wenig, abzuzahlen

„Zu den auffälligsten Merkmalen unserer Kultur gehört die Tatsache, dass es so viel Bullshit gibt." (On Bullshit, Princeton University Press, 2005)

Italia nel cuore? Kriminell, korrupt, katholisch und faschistisch

Hundsverlochete – was für ein schweizerdeutsches Wort!

ennui cette nuit

„Sie strahlt das lange applaudierende Publikum an, in dessen Beifall sich Bewunderung, Empathie und Fassungslosigkeit mischen“ (F.A.Z. über die Tänzerin Manon Parent in „Scarbo“)
Nie ist man dort, wo gerade die Kunst stattfindet – è vero …

scholzen (Verb.) sich zögerlich verhalten, über seine Absichten schweigen
(engl.: scholzing)

Den Nachmittag des dreißigsten Januar mit Coligny Brut hinter sich zu bringen hat nichts gebracht. Der GottesPinscher Haas-Liechtenstein kniet immer noch mit gefalteten Händchen vor seinem Erzherzog (und natürlich auch vor Gott) und mir in Zürich scheint die Sonne unfreundlich voll ins Gesicht

Da habe ich aber doch gestaunt (wenn mir die Spucke ob des Staunens nun nicht gleich auch noch wegblieb) als Ursula Merz am Züricher Pfauen-Platz meinen Weg kreuzte.
Die Garderobe, in der sie eingehüllt war (und bis zu dieser Stund womöglich immer noch ist – da wohl Kunsthausempfang), wird dem neuen Kunsthaus die Blässe des Neids in die Räume und den anderen Gästen das Gelbgrüne ins Gesicht gemalt haben. – Rad schlagen mit dem Outfit passt halt zum Pfauen.

heute ist so viel passiert, Leute, wo soll ich anfangen?

Nie wusste ich, woher meine faibles für Bach und Dom Pérignon kommen
France-Musique hat mir endlich ein Licht gesteckt:
„Il semble que là où s’écoute la musique, on trouve aussi du vin et inversement. Pourquoi art viticole et art musical s’entrecroisent-ils depuis toujours? La réponse tient peut-être en un mot : l’ivresse.“

Zur Verhöhnung derer, deren Tafel an Weinachten kümmerlich:
Über eine ganze Seite lobt die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung den Wirt des Berliner Restaurants „Ernst“ („Koch des Jahres“). Und zeigt Teller mit popeligen Portionen als Menügang für die, die schon alles …

Panettone:
Fristgerecht zur frommen Feier der Vigilia di Natale rechnet die F.A.Z. mit dem favorito Backwerk der italienischen Festa di Natale ab. "Panettone, das ist Hefeteig, der schmeckt, als wäre er in einem Kämmerlein, in dem jahrzehntelang nicht gelüftet wurde, einsam vor sich hingegoren."
Das finde ich irgendwie überflüssig. Denn schon die Nudeln al dente und al arrabbiata nebst brennendem Kerzenlicht und Corelli wurden hinlänglich ausgelacht.

Ralph Vaughan Williams’ Musik konnte ich nie länger als vielleicht zehn Takte zuhören. Nun lese ich, dass die Neutöner der Moderne ihn seinerzeit „als Schöpfer pastoraler Kuhfladenmusik“ verhöhnten. Zu seinem 150. Geburtstag erscheint bei Chandos eine Box mit all seinen neun Symphonien.

Sie hiess Piri. Von Piroschka. Sie war die Tochter des Hauswarts und in meinem noch nicht korrumpierten Jugendirresein ein Schwarm. Von meinem ersten Taschengeld kaufte ich ihr ein Eis. Sie schleckte dran und guckte mich albern über die Kugel an.
Manchmal fürchte ich, dass mein Weinvorrat nicht für den Abend reicht.
Wenn ich an Piri denke, denke ich, sie wird später viel Holz vor der Tür gehabt haben.

inmitten der Nacht – das ist oft so etwa 02h – schrecke ich auf und sehe – als unwillkommenes Déjàvu – den Eingang, den Kellereingang des Antiquariats, die Stufen hinab zu einem Bücherreich.
Die Crellestraße – wie anderes im Leben verpennt, den Zugriff verschlafen

Oslo als Europas Trendcity – laut Schweizer SonntagsZeitung
denk ich an Oslo, fallen mir die Schnapsleichen ein, in der Innenstadt am Vormittag.
Oslo war morbid und blass.
Die Nächte milchgesichtig und den Frogner-Park, den absolvierte ich taktlos ungeschlacht.
Dann reiste ich auch schon weiter.

die schwer erträgliche Langeweile beim Lesen von Kunderas „unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ – vierzig Jahre nach Erscheinen

"... wie ein bretonischer Schalentierschmauser die Früchte des Meeres" kostet Mischa Maisky die Suiten von Bach aus, sagt die F.A.Z.

les uns roulent toujours en route et moi, je séjourne dans un coin morne

die NZZ druckt zum Wochenende den Bericht eines Paares, das sich eine Fußreise von Basel nach Paris vorgenommen, aber nicht zu Ende geführt hat.
Seltsam nur, dass auf den zwei-drei Seiten im NZZtext nie auf das legendäre Buch von Arnold Kübler hingewiesen wird:
Paris–Bâle à pied. Bericht und Zeichnungen von einer 500-km-Fußreise in 28 Tagen. Artemis, Zürich 1967
PS.: Arnold Kübler war auch der Gründer der Kulturzeitschrift „du“
PS2: Arnold Kübler schlief während seiner Wanderung nicht wie die NZZwanderer im Logis de France, sondern im freien Feld oder im Straßengraben. Das Buch ist lustig zum Lesen
PS3: ich suche verzweifelt nach meinem Ex von „Paris-Bâle à pied“ und finde es nicht mehr. Frust.

Das soll bös toxisch sein: den Sonntag (Tag des Herrn!, Leute, Tag des Generalissimus im Himmel!), diesen Tag einfach nur vertändeln.
Das könnte dem Klima schaden. Am End auch die Inflation steigern. Die liegen gelassene Zeitung vor der Haustür Diebe anlocken. Die Immunität vor Putins alles zersetzende Propaganda lähmen. Nein, leert euer Glas und geht lustwandeln. Geht! Seht, die Sonne geht auch und die Luft in den Gassen wird lauer.

Beim Betrachten von Donatellos "Amor-Attis"(genauer: des winzigen Pimmels), fallen mir Camille Sabatiers Vulven ein (Donatello. Erfinder der Renaissance. Ausstellung in Berlin bis Januar 2023)

Scoop aus der F.A.Z.:
Harry und Meghan adoptieren einen Hund

Der Schweizer Gesundheitsmister Alain Berset wehrt sich gegen eine Handy-Antenne an seinem Wohnort Belfaux.
Telekom-Unternehmen zahlen bekanntlich Hunderttausende für den Standort einer Antenne. So hat das Altersheim Perla-Park mitten in Zürich mit einer Handyantenne auf dem Dach sicher auch kräftig Reibach gemacht. Die Insassen im Altenheim wurden vom Besitzer wahrscheinlich nicht mal gefragt, ob sie eine solche Strahlung über ihren Köpfen wünschen oder vielleicht, danke, doch lieber nicht.
Und die Bewohner in den Häusern ringsum, da kein Bundesrat, lauter Nobodys, haben eh nix zu sagen.

Es ist halt bequem und so säuisch einfach, ein vorgefundenes Thema, an dem sich Wegbereiter abgequält haben, als eigene Entdeckung zu usurpieren. Der WOZ-Journalist Stefan Keller ist ein Schulbeispiel solcher Aneignung.
Anhand eines Artikels von C. L. Sandor über Paul Grüninger schreibt besagter WOZ-Schreiber ein Buch über Paul Grüninger. Und tingelt seitdem, und lässt sich feiern, als Urheber von Paul Grüningers Renaissance.
Um sich selbst zu erhöhen, verleumdet Stefan Keller so nebenbei den C. L. Sandor auch mal als „Kolporteur“

„… dass man sich auf der Welt verhalten soll wie auf einer öffentlichen Toilette: Man verlasse sie bitte so, wie man sie vorfinden möchte“
Bonmot von Ursula von Arx, Kolumnistin des nicht eben empfehlenswerten Schweizer Boulevardblattes „Blick“

dann nannte ich Camille Sabatiers Figur mit den drei Vulven:
La Trinité divine selon Camille Sabatier
(camillesabatier.com)

Angebot auf Direktkontakt auf das Jenseits. Darauf, auf das Jenseits, habe ich eigentlich keinen Bock. Auch nicht auf Hilfe zu Hinüber.
Aber 09011151 gleich nebenan bietet mir Liebeszauber.
Das wäre dann mehr von hier. Echt nahe.
Abrakadabra, entspann dich.
(Und bist du nicht willig, so brauche ich Gewalt – mitsamt Telefongebühr)

na ja, man muss vielleicht schon ein Poesiefreak sein, aber eine derart animierende Huldigung für einen Gedichtband liest man nicht auf jeder Feuilletonseite:
„es ist nur in Notfällen möglich, ihn vor der letzten Zeile zur Seite zu legen“
Laura Hertreiter in der SZ über
Warsan Shire
Haus Feuer Körper
S. Fischer, Frankfurt A. M. 2022

Grässlich kreischender junger Möwe. Legt den Kopf zurück, reckt den spitzen Schnabel und schreit.

Immun. Schon wieder das Wort Immun. Dauernd begegne ich ihm beim Zeitunglesen. Und reflexartig denke ich an Hugo Lötschers Roman "Der Immune". Offensichtlich hat der resistente Intellektuelle Lötscher, überaus wohlgenährt und stets mit wachem Geist, bei mir die Bedeutung "immun" mit seinem Roman für alle Zeiten für sich besetzt

Erica Pedretti ist gestorben.
Ich denke, es ist Zeit, ihr „Harmloses, bitte“ aus dem Regal zu holen.
Versuche nach fünfzig Jahren einen (Neu)Anfang.
Müßig.
Groß ist die Hitze, sicher auch der Wein

Georges Perec war ein schöner Mann, den Kopf voller Fisimatenten, das Leben voller Unwägbarkeiten.
„Ein Freund wollte dem schüchternen Perec einen Gefallen tun, indem er ihn zu einem Abend mit seiner deutschen Freundin und deren Schwester einlud. Das einzige vorhandene Zimmer sollte den Paaren abwechselnd dienen, nur betrank sich Georges dermaßen, dass er sich erst einmal übergab und dann neben der Schwester einschlief, ohne sie auch nur mit der Fingerspitze berührt zu haben.“
Das Hauptwerk von Perec trägt den Titel "La Vie. Mode d'emploi"
(PS.: Perec, sprich pärätz, ist das ungarische Wort für Brezel)

schöner jünger geiler – aber schwul oder lesbisch oder unklassifizierbar solltest du heute allemal auch sein

Zu einem Foto des Patriarchen Kyrill und Wladimir Putin (einander Zuneigung ins Ohr flüsternd):
Gott und das Verbrechen – eine altehrwürdige Kungelei

Die Spalte „Sprachlabor“ der Süddeutschen Zeitung kümmert sich um Vergängliches. Um Verfallendes, genau. Tiefer aber ins Morbide einzutauchen, versagt sich die Zeitung und vertröstet uns, interessierte Leser, auf eine kommende(?) Ausgabe „im Totenmonat November“.
Dieser scheue Hinweis auf November evozierte in mir ein ziemlich altes Gedicht von Claudio Rodríguez:
Llega otra vez noviembre, que es el mes que más quiero
porque sé su secreto, porque me das más vida.
La calidad de su aire, que es canción …
etc
Die ZEIT schrieb 1991: „Rodriquez besang und besingt sich und sein Leben in der Natur Kastiliens, die Einsamkeit, das Atmen, das Sprechen, das Trinken, das Schlafen, das Altern …

Pros & Cons of Living in Switzerland
„Switzerland has become the international hotspot for wealthy expats … the nation is easily accessible from Europe and beyond, it is an incredibly conservative and stable country …“
Ich wußte gar nicht, dass ich in einem „unglaublich rückständigen“ Land lebe …
Allerdings halte ich amerikanische Sichtweisen ganz allgemein (nicht nur die über die Schweiz) als incredibly ulkig und oft unfrisiert

Holocaust-Mahnmal Berlin
Für ein Foto auf den Steinen einen Affen & einen Clown zu platzieren
– das kann nur einem Tamedia-(Gratis)Blatt einfallen (20minuten, 28.6.2022)

Der Zürcher Tages-Anzeiger ist ein enger Freund der pluralitären Masse.
Ein willfähriges Medium der schreienden Mehrheit.
Diese seine Willfährigkeit der großen Allgemeinheit gegenüber ist natürlich wirtschaftlich begründbar (wer würfe da den ersten Stein?) – aber das ist hier nicht die Rede.
Die Masse liebt den Lärm. Den Radau. Das Getöse, den Fracas.
Der akustische Umweltschmutz: die Masse suhlt sich darin wie das Schwein in der Jauche.
Stille ist ein Unwort. Stille ist des Satans. Stille ist Finsternis, ist der Erbfeind.
Nur noch geistig Irrende, geistig Gestörte, weltabgewandt Isolierte leben mit diesem Wort.
Ane Hebeisen gehört nicht dazu.
Auch er suhlt sich liebend gern und ausschließlich im akustischen Dreck.
Die Stille für ihn ist das große Grausen.
Deshalb fühlt er sich persönlich angegriffen (und mit ihm die Tages-Anzeiger-Redaktion), wenn Ruhesuchende auf ihr Recht pochen.
Im RUHEABTEIL eines Eisenbahnzugs.
Schade gibt es keine Hölle und kein ewiges Leben dort.
Ich wünschte ihm das mit 120 Dezibel immerfort.

„Nein, es gibt auf der heute eröffnenden fünfzehnten Documenta Kassel keinen einzigen israelischen Künstler. Dafür gibt es etliche palästinensische Künstler …“ beginnt die F.A.Z. ihre ganzseitige Kritik mehr resigniert als maliziös

Rückblick, 7.6.2007, Berlin:
Die Luft war, als ich aus dem Instituto Cervantes rauskam, warm, weich, molsch wie eine zerfließende abuela gorda vor ihrem abendlichem cortijo (um im Spanischen zu bleiben). Die Unterhaltung im Institut, der ich soeben zugehört, zwischen Jorge Herralda, dem erfolgreichen Verleger von „anagrama“, und Hans Magnus Enzensberger war absolut uninteressant, brachte nichts Neues, zumindest mir nicht. Die üblichen Themen, das Buch allgemein betreffend, ein bisschen Buchmacherei zu Zeiten unter General Franco.
HME: „Da meine Rechte mit Schreiben beschäftigt ist, war meine Linke frei, um etwas anderes zu tun.“ Wahrscheinlich ist dies ein Bonmot, das er schon öfters anbrachte. Mit seiner Linken meinte er seine Verlegertätigkeit mit/bei Greno. Dazu noch ein bisschen Koketterie: „Ach, die Rolle des Intellektuellen, wenn ich das höre …“
Jorge Herralda sah mit seiner rosa Krawatte, seinen dunkelroten Socken wie das leibhaftige Szenen-08/15 aus, während HME erlesen vorstädtisch gekleidet erschien: Ein Top zwischen T-Shirt und Hemd, Hose und Turnschuhe – alles in kühl-intellektuellen Blautönen. Für sein Alter schien er ziemlich vif, auch sein Reden war von farbiger Dynamik geprägt, seine Mimik wechselte schnell zwischen gedrängt und erlöst lächelnd. Beim Einzug der Gladiatoren (Er & Herralda) sprang er nach kurzem Zögern, nach flüchtigem Abschätzen der Höhe, auf das Podium, wobei ihm dann die Knie doch leicht einknickten. Der Gesprächsleiter, ein Humboldtprofessor für Hispanistik oder Romanistik, der jüngste der drei, unverkennbar mediterraner Herkunft, war dafür ganz ohne Fehl und Tadel belanglos, nicht nur in seinem Tenü, auch im Wenigen, was er zu sagen hatte.
Herraldas Spanisch war leider gemauschelt, für mich schwer zu verstehen, sein Duktus flach, unbewegt wie sein Gesicht (prahlerisch verzichtete ich auf die Übersetzerkopfhörer).
Die Ausbeute des Abends: enttäuschend. Um endlich mein Exemplar des „Untergang der Titanic“ und „Der kurze Sommer der Anarchie“ signieren zu lassen, bin ich überhaupt hin.
„Ach! Erstausgaben!“ rief HME aus, als ich sie ihm hinhielt.
Für eine Widmung war ihm wohl alles zu hektisch, verkürzt war dann auch seine Signatur zu „hme…..)
Dafür waren Unter den Linden nur noch vereinzelt Touristen unterwegs.

mon potager ou les pensées d’un plant solitaire au crépuscule du jour …
anscheinend gibt es auf Facebook ein geschlossenes Grüppchen, das sich „Mon Potager“ nennt und fleißig Fotos ihrer Blumenbeete tauscht. Irgendwie bin ich da hineingeraten und fühlte mich herausgefordert. In Ermangelung eines Kräutergartens, knipste ich ein in den Ritzen frech wachsendes solitäres Pflänzlein auf meinem sehr urbanen Balkon und postete es mit oben stehenden Worten

Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung macht einen interessanten Vorschlag:
Nachdem die gesetzlichen Krankenkassen bereits vor der Pandemie „die unfassbare Summe“ von zwanzig Millionen Euro für homöopathische Zuckerkugeln, sog. Globuli, ausgegeben haben, gibt es keinen Grund „warum Globuli nur in Apotheken verkauft werden dürfen“. „Sie in eine Reihe mit Medikamenten zu stellen, ist absurd.“
„Globuli gehören in den Supermarkt. Gleich unter Pralinen und Schokolade.“

Hochglanz.
Das ist das bereits taktil unangenehm auffallende, mit allerlei Chemie beschmierte Papier. Bevorzugte Druckunterlage für Beilagen zu Zeitungen wie NZZ oder F.A.Z.
Als Erbauungsbeilage richten sich diese vor allem auf Platinum-Kreditkarteninhaber, an Eishockeytrainer oder Fußballer – mit Werbung für klotzige Rolex-Uhren oder Cartier-Flitterkram. Auch Lachsforelle und Bice Curiger sind dabei. Richtige Glücksmomente mit Wolle von Miou-Miou und Max Mara.

ich glaube nicht, dass ich rassistisch bin, ich glaube sicher, dass ich nicht homophob bin, und ich ahne seit meinem Frühlingserwachen, dass ich nicht frauenfeindlich bin

Hör ich ein Jaulen? Surrt was? Vorspann zu was?
Keine(r) da, nirgends. Niemand hilft.
Und schlaff die Hand.
Kein Sinn, nirgends.
Keine Antwort, aber hirnrissig langweilige Kunst, wo ich hinklicke.
Ich hatte doch im Bad ein Erste-Hilfe-Kästchen, ein dickes Buch über die Belle Èpoque und auch Wein im Kabuff.
Die habe ich noch.

"Abschiedskonzert" von David Helfgott in Luzern. Es überrascht mich schon, dass David Helfgott das KKL füllen kann.
Aber Geschmäcker sind ja heterogen. Und man lernt bekanntlich nie aus

Der Scherz zum 1. Mai:
Der Kapitalistenklub Avenir Suisse meckert über die Gewerkschaften – berichtet dienstbeflissen die NZZ.

Die Frankfurter Allgemeine gedenkt des italienischen Tags der Befreiung vom Faschismus (25. April) und nennt im Text das Lied „Bella Ciao“ ein „Widerstandsgassenhauer“.
Im ersten Moment war ich pikiert, dann – im Zurückdenken auf etliche verdudelte Abende – musste ich dem Schreiber beipflichten

Michelangelos David von unten beinauf inspiziert (dem gewöhnlichen Tourist in seiner Winzigkeit angesichts des Kolosses bleibt ja keine andere Wahl):
Wenn ich den niedlichen Pimmel betrachte, der sogar kleiner scheint als die dazugehörigen Hoden, frage ich mich, worauf die Phallokratie basiert

Was für ein seltsamer Zufall!
Die Zeitschrift „Beobachter“ kündigt einen Artikel über „Vergesslichkeit“ an – und gleich daneben steht die Werbung für ein Demenzmedikament …

Der Gartenbuddha verdrängt den Gartenzwerg.
Woke Esos, spirituell angeknabberte Neureiche bestücken ihren Rasen mit fashionablem Buddhismus.
Buddhas aus Plastik, auf Wunsch auch Beton.

Die Musikkritik in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wird immer bunter – farbenfroh und en détail und körpernah touchierend:
„Fingerkuppen flüstern. Heißes, scheues Atmen von Hammerfilz und Saiten geht durch die Luft; im Pedal bebt das Herz vor Lust und Kummer. Die Pianistin Beatrice Berrut hat sich mit dem Album 'Jugendstil' in die Intimzonen des Klaviers begeben …“

eigentlich suchte ich nur nach einem bestimmten Werk von Fiston Mwanza Mujila.
Dass mir dann auch sein Alter, seine Körpergröße, sein Körpergewicht, seine Lieb- und andere -schaften präsentiert wurden, ist wohl die Pervertierung der Internetsuche

zu seinem hundertsten Geburtstag hole auch ich Pier Paolo Pasolini aus dem Regal.
Und auch heute tut es mir leid, dass mein Italienisch zum Genießen von Pasolinis Lyrik nicht ausreicht. Denn die Übersetzung ist lamentabel (Gramsci's Asche, Italienisch/Deutsch, Piper Verlag, 1980)

Warnung vor Focal!
Focal verlangt 4000€ für seinen Kopfhörer Utopia.
Eine Woche nach dem Kauf war bereits das HörerKabel defekt.
Anstatt nun einfach das Kabel auszuwechseln, verlangte Focal die Einsendung des ganzen Drumherums, der ganzen sperrigen Verpackung.
Der Focal-Kopfhörer kommt nämlich in einer überdimensionierten Mogelpackung.
Ganz selbstverständlich fand es Focal auch unter seiner Würde, ein Wort des Bedauerns oder gar eine Entschuldigung zu senden.
Das kaputte Kabel, ein Schwänzchen von 6,3-Klinkenkabel mit ein paar Zentimetern Länge, mit dem man, Hörer auf dem Kopf, wie ein kurz angebundenes Rindvieh an die Tränke bzw. an den Verstärker gekettet ist.
Der Focal-Mogelpackung liegt aber auch ein XLR-Kabel bei.
Dieser Focal-XLR-Anschluss ist 4-polig, und nur einmal vorhanden.
Normal, gebräuchlich sind zwei 3-polige Anschlüsse. So auch an meinem DAC.
Und warum hat Focal ein derart exotisches, derart abwegiges XLR-Kabel beigelegt?
Weil Focal den eigenen mit einem eigenen 4pol-Anschluss verbauten DAC verkaufen will. Für noch einmal 2500 Euro.
Selten einen solch geldgierigen, profitsüchtigen HiFi-Bauer/Anbieter erlebt.
Warnung vor Focal!

In memoriam René Robert – sein Tod erinnert mich an meine Zeit in der rue St-André-des-Arts, als ich jeden Tag über eine Clocharde steigen musste, die sich über dem Métro-Gitter, just vor dem Haus, wärmte:
„Mehr als 600 Obdachlose sterben jedes Jahr auf den Pariser Straßen. Sie werden, wenn der Winter endet, in einer Sammelmeldung erfasst.“ Nadia Pantel in der Süddeutschen Zeitung

In einem alten Witz lässt Frau Gemahlin ihren Ehemann nur solange am Alkohol nippen, bis er „Rabindranath Tagore“ fehlerfrei aussprechen kann.
In der zeitgenössischen Version des Witzes zwingt die Frau ihren Gemahl, „Houellebecq“ zu buchstabieren.

"Die Uhr ist der Schmuck des heterosexuellen Mannes", behauptet einer irgendwo in einer Zeitung.
Vor dreißig Jahren, beim nächtlichen Bade im ungarischen Plattensee, ist mir meine Max-Bill-Junghans geklaut worden.
Seitdem trage ich keine Uhr mehr.
Bin ich nun sexuell unilateral?

Franz Hohler nachruft Klaus Wagenbach in der WOZ.
Franz Hohler kommt in jeder Zeile vor. Wagenbach ab und zu.
Das ist halt die WOZ.

Schostakowitschs Präludien & Fugen op. 87 kenne und besitze ich eingespielt von Alexander Melnikow. Igor Levit spielte kürzlich die langen zweieinhalb Stunden in Berlin und seine CD-Einspielung werde ich trotz einer abschreckend pfingstochsigen F.A.Z.-Besprechung kaufen:
"... wo unter der Sicherheit klassischer Tradition nackte Verzweiflung herausbricht: in der krampfzuckenden, um sich schlagenden gis-Moll- und der fast atonalen, stillstehend rasenden und wie aus der eigenen Haut springen wollenden Des-Dur-Fuge. Anders als in manchen überforcierten und dann auch in ihrer polyphonen Stimmführung verunklarten Steigerungsbögen besonders einiger schneller Dur-Teile (inbegriffen sogar die lichthimmelblau einschwebende, aber allzu schnell geerdete ... etc.etc.etc

zu Anselm Kiefers Werken, und zu seinem derzeitigen Ausstellungsort "Grand Palais Ephémère" auf dem Pariser Champ-de-Mars, fällt mir nur ein: Klein wäre echt fein oder small is toujours beautiful (Kiefers Bild in der Schaustellung mit dem Titel "Als Arche verließ es die Straße" misst zum Beispiel 128 Quadratmeter)

für die F.A.Z. ist Georg Stefan Troller ein Tausendsassa ... "begegnete Hunderten Prominenten, von Muhammad Ali über Edith Piaf, Paul Gauguin ..."
Troller ist wahrlich ein Tausendsassa:
Eben am 10. Dezember feierte er seinen 100-sten Geburtstag – mein Glückwunsch, Georg Stefan! Aber die Begegnung mit Paul Gauguin würde mich schon interessieren: Der Maler soll doch schon um 1903 gestorben sein?!

Hinterher weiß man es ja meist nicht, wieso und warum – irgendwo habe ich den Link notiert: ensuite.ch.
Den habe ich jetzt angeklickt. Eine Zeitschrift ist es also, aus Bern.
Eine Zeitschrift mit den üblichen Rubriken.
Aus Neigung & Angewohnheit habe ich in diesen auf "Literaturblog" geklickt.
Darauf wurde mir eine lange Reihe von Beiträgen eingeblendet.
Und alle, alle führten im Header fettgedruckt "von Dr. Regula Stämpfli"

wie ein Geistlicher sein Opfer, den Ministranten, fixierte er speichelschluckend den Teller mit Wurstsalat (Restaurant zur Harmonie, Petersgraben, Basel)

Lange Zeit erinnerte ich mich immer wieder unvermittelt und überraschend an Kennedys Tod. Wie der Flash an eine längst verdunstete Liebe stand jener 22. November 1963 jeweils vor mir:
Ein Vormittag war es, ich stand an der hinteren Plattform des Brüsseler Trams, blickte durch den Wagen nach vorn und mein Auge blieb an der aufgeschlagenen Zeitungsseite eines Fahrgastes hängen:
"Kennedy tué"
Der Tag war in Brüssel relativ heiter. Ich weiß nicht mehr, was ich dort gedacht habe. Nun lese ich im Recueil der Feuilletons von Martin NZZ-Meyer, dass viele Menschen sich an den Moment erinnern, als sie die Nachricht vernommen haben

seit das Kunsthaus in Zürich schriftlich, noch mehr aber gesprächsweise, als "kontaminiertes Museum" gehandelt wird, erfreut sich auch die Umgebung wachsender Lustwandlerzahlen.
Unter diesen Flanierern & Flaniererinnen müssen auch frommherzige, auf Zucht und Scham geeichte Personen sein, denn seit ein paar Tagen erscheint des Züricher Sprayers gespraytes Strichmännchen nebenan an einer Mauer zensiert.
Des Skeletts vom Sprayer mit Hingabe angespritztes Gemächte ist übertüncht.

Warum nur hat für die F.A.Z. der Russki Putin eine derart große Ähnlichkeit mit dem abgeräumten Israeli Netanjahu? (Karikatur in der F.A.Z. 22.10.21, Seite 4)

die NZZ versteht sich (wenn ich sie richtig interpretiere) als neoliberal. Zu diesem Terminus gehört sicher nicht die wilde Abschüttung des geltenden Status quo und die anarchistische Einsetzung neuer Ideen – O-Ton NZZ: Wehret den Anfängen!
Nun aber finde ich heutigen Tages eine kühne, ja revolutionäre, sprachliche Kreation in der NZZ:
"Am Ende keift man sich in eine panische Schnappatmung."
"Keifen" kenne ich, "sich keifen" leider nicht. Bin halt eben nicht neoliberal, bin ich versucht zu kalauern ...

ähnlich einem eingestürzten Bergsee ihr
Augenlicht und ihr Blick wie
ein Tritt an mein Schienbein
:
aus ihrem Mund fängt an
die Bläue der Luft zu drippeln

Für die vollkommene Leere kenne ich zwei Beispiele:
Das eine trägt es im Titel (Stanislaw Lem), das andere (Laura de Weck, Lieblingsmenschen) auf den Innenseiten

Unser täglich Brot gibt uns heute nebst Gott ein Großverteiler.
Die Schweizer Migros verteilt da, da Großverteiler, kräftig mit.
Und stellt sein Licht dabei keineswegs unter den Scheffel.
Verführerisch und wirkungsvoll wirbt sie in Inseraten um ihr selbst gebackenes Brot.
Störend ist da nur, dass dieses annoncierte Brot betreffend Aussehen, oder Durchbackung oder wie ich das nennen soll, stark von den in den Filialen aufliegenden differiert.
Ein Beispiel vom Brotregal, Migros-Zürich, Löwenstrasse:
Die leichenblassen, käseweissen Laibe schmecken im Innern genau so fade wie die Rinde die Abwesenheit von Geschmack ankündigt.
Ich fragte eine ältere Frau, die dort anscheinend zuständig ist, warum so blutleer ...
Ihre Antwort: Die Familie mag das so

die Nacht.
Auf sie wurde auch Hodler aufmerksam:
In frommer Luft die Äste schwingen,
schläfrig die Blätter um einen Steinklotz winken
und verstreut liegen die getragenen Sneaker
wie Leiber, achtlos abgelegte

deutsche Regierungskoalitionen werden kunterbunt wie eine LGBT-Standarte

Die Akkuratesse der Übersetzungen im Web hat sich in den letzten 30 Jahren wenig gebessert – hier ein Beispiel aus Facebook (23.9.21):
Original: "The clip, which shows Queen Victoria grinning and wearing sunglasses, was shot in Ireland a year before the monarch's death."
Übersetzung: "Der Clip, der Queen Victoria grinst und eine Sonnenbrille trägt, wurde in Irland ein Jahr vor dem Tod des Monarchs erschossen."

die Neue Zürcher Zeitung, heut mit der Feder von Manfred Papst, mokiert sich über den Duden. Das ist delikat. Zumindest fies von einer Zeitung, die vor paar Wochen noch "placieren" schrieb.
(Und sich dann doch zu "platzieren" bequemte)

der Schlaf war so blumenreich
ich wusste nicht ob ich über dem Blütenstaub schnarch
die Hose ließ sich ziehen jedenfalls
und selbstvergessen lag ein Spalt
so war die Nacht ganz mückenhaft, so nebenbei

Marie-Louise Dutroit bekommt Gänsehaut beim Klang ihres Cellos. (TA 11.9.2021)
Auf meine spontane Bemerkung: Im Preludio von BWV 1006 spüre ein Kribbeln ich im Leib, war die Antwort meiner Gesprächspartnerin nur ein skeptisches Lächeln.

Frau Mantel geht nach Irland
Hilary Mantel, die Schriftstellerin, lese ich gern. Dass sie den Brits nun ihren Rücken zukehrt und erklärt, sich für Großbritannien zu schämen und nach Irland ziehen zu wollen, macht sie noch lesenswerter (ich könnte auch sagen: sympathischer). Sie wolle wieder Europäerin werden, sagte sie der Zeitung La Repubblica. "Hilary Mantel sprach von dem hässlichen Gesicht Britanniens, das in den Menschen an den Stränden zu erkennen sei, die Flüchtlinge sogar noch beschimpften, während sie ans Ufer krochen." (Zitiert nach der FAZ)

frei nach Hölderlin:
Hälfte des Alters
:
Mit gelbem Flair ziehen
Und voll mit wilden Bildern
Die Magerwiesen über den See,
Ihr holden Heuzirpen
Und besäuselt von Schlücken
Tunkt ihr das Haupt
In heiliggierigen Amselschlund
:
Weh mir, wo nehm' ich, wenn
Es Sperrzeit ist, die Düfte, und wo
Den Sonnenwein,
Und die Ombrage der Schenke?
Die Mauern stehn
verdutzt und platt, im Darmwind
flattern die Schnapsfahnen

Was für ein Wortzickzeckzack, was für ein Zirkuspallawatsch!
Was für ein Abrakablabla! So viel Müll!
"poesie" für banale 20€ bei voland-quist.de –
gesammelt und herausgegeben von Nora Gomringer & Martin Beyer

"Ich habe eine ammer im flug
mit dem stein getroffen sie ist ins
moor gestürzt sonst hätte ich sie
vielleicht gekocht und gegessen."
Esther Kinsky, Schiefern (Suhrkamp 2020)
– lange Zeit las ich Esther Kinsky gern, nicht lange her
(PS.: die Giftigkeit der Kinsky hier erinnert mich irgendwo an eine längst vergangene Freundin, die ihre niederschwellige reizende Gereiztheit gern an ihrem Hund auslebte:
Sitz! Fass! Sitz! Fass! Sitz! Fass! – im Sekundentakt.
Und der Hund gehorchte.)

wie Armand Schulthess um 1965 an einen Baum nagelte:
"j'ai le téléphone"

Ach. Was wäre das für ein Schmuckstein als Anfang. Ach.
Wort, belichtet von links hinten, innehaltend für Sekunden,
deutbar als Jammerlaut – un sospiro – in Verdis Gesang.
Ach und dann bald Krach

dass die eingewurzelte, ver- und vergemüste Salatfrau vom Fach in aller Öffentlichkeit über Königsberger Klopse & Zwiebelrostbraten sinniert –
das ist der Knüller dieses Freitags (NZZ 13.8.21, "Wir Individualisten" ersinnt von Daniele Muscionico)

wie das Mondlicht bläst
wie das Mondlicht bläst
schillert an meinem großen Zeh
Schneefeld
auf einem Schneelaken lebt E
gelüst glitzt sinnt
sinnt

"Tschajkowsky wird langsam immer besser" behauptet die F.A.Z.
Das mag sein – es ist ja heute nicht mehr der Karajansound, der die wegweisende Interpretation bestimmt.
Der Sound der Tonschöpfungen des Pjotr Iljitsch Tschajkowskij bleibt gleichwohl wurzelecht sehr, sehr gefühlvoll

Strecke. Hinauf.
Blätter, sich reckend.
Felsen, Wärme säend.
Drei Dohlen, schwarz-graue Lappen
fliegen auf, krächzen:
... al volver, la vista atrás,
se ve la senda que nunca
se ha de pisar
... caminante, no hay camino
camino se hace al andar

passend zu deiner Bemerkung zu „Die Zeit“ lese ich heute, dass die Verlagsgruppe Gruner&Jahr von der Fernsehkette RTL übernommen wurde.
Die Zeit ist doch von Gruner&Jahr verlegt worden?
Und RTL ist mir im Gedächtnis geblieben, weil ich mal eine schöne Aufdröselung von R-T-L gelesen habe:
Rammeln - Töten - Labern
Gruß, S

facebook.com wird primitiv.
Als wäre ich einer von einem SVP-Biertisch, Zuckerberg redet mit mir plötzlich nur noch in einem Mundartkauderwelsch. Und fordert mich auf: "gib din sänf dezue"
Facebook-Konto gelöscht.

Der schönste Festbeitrag zu ErstAugust 2021 findet sich in der NZZ (31. Juli).
Ein Rückblick auf Helen Williams (1761 – 1827).
(Ich gestehe, ich habe nie vorher was von ihr gehört)

Ein Spatz kräuselt das Laub
Boris Johnson sein Haupt
– es kommt Regen auf

2021, Juli 29,
Am Tag untätig.
Träge um die Arbeitsscheu herumgespukt.
Nichts tat ich, kein etwas.
Einer alten Olle, die
mit Pinscher an langer Leine
den Gehsteig sperrte,
ins Gesicht expektoriert.
Das war wenigstens ein
erfreuliches Verslein,
denn Verse lebt man ja
atmend
auch auf einem Gehsteig

sticht ein Wort in diesen Nachmittagniederschlag
trennt zwei Fisselsegen
platzt nass
in Streit

einen Manchesterliberalen des Rundfunks, einen der Totengräber des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks, Schawinski Roger einen Radiotitan zu nennen, das ist halt Sprache der TamediaZeitungen. Und wir Radiohörer, wir müssen betrübt zugeben, die haben am End noch recht

Bulli nannte man sie. Keine Ahnung, warum. Die VW-Busse ab etwa 1965. Zuerst gab es sie nur mit zweiteiliger Windschutzscheibe und zweifarbiger Lackierung (meist blau-weiß). Dieser hier, vor dem ich posiere, ist Jahrgang 1974 und ist geistlos crèmefarbig. Das tut er aber wohlüberlegt, um vor der Brandung des Atlantiks nicht unangenehm protzend aufzuschneiden

In der Wochenzeitung WOZ brüstet sich der Stefan Keller mal wieder als alleiniger & einziger Grüninger-Held.
Ohne mich auch nur in einem Nebensatz zu erwähnen.
Wo doch der Bubi erst durch meinen Artikel auf das Thema Grüninger gekommen ist.
Stefan Keller, dieser Bubi, gibt gerne laut und lautstark und für immerdar bekannt, das Grüninger-Revival gebührt einzig seiner Schlauheit, seiner Ingeniosität, seinem forschenden Geist.
Ein ganz bescheidener Bubi.
(und ich habe just gestern ein neues woz-jahresabo überwiesen.
weiß nicht, ob ich es heute nach dieser lektüre noch getan hätte)

ich werde sie wohl lesen müssen – bevor ich mich dem Gräuel und Scheuel der Vokabeln "Mort & Tod & Laborrattengesicht" genüsslich (aber wohl nicht eben lustbetont) überlasse
( Valzhyna Mort: Musik für die Toten und Auferstandenen. Gedichte, Suhrkamp Verlag)

Mit Aperitif und Zeitung auf der Kunsthaus-Terrasse (Zürich) sitzend, sorgte der TagesAnzeiger für einen kurzen Lacher:
Ich stellte mir vor, wie der Priester seinen Messkelch hebt, zum Erlöser auf dem Kreuze hochblickt und "Ite missa est" murmelt.
Und diesem obligaten Schlusswort dann noch ein fröhliches Olé-Olé nachschickt.
(Auslöser: die Unterhaltungsseite des TagesAnzeigers mit Rätselfragen, darunter ob "Olé" oder "Amen" das Schlusswort in der Kirche sei...)

2021 ist eindeutig ein widriges Jahr für manchen Jubilar:
Da wird etwa dem unantastbaren Gott aller Reformierten (oder Evangelikalen – ich kenne mich da nicht so aus), dem Luther Martin, seine Tirade "Von den Juden und ihren Lügen" unter die Nase gerieben, und wie soll man diesen Luthers Aufruf, die Synagogen und Schulen der Juden "mit Feuer anstecken und was nicht verbrennen will, mit Erde beschütten" heute im Lutherjahr noch laut in der Kirche zitieren?
Ein anderer Jubilar 2021 ist näher zu uns. Der boxende Künstler, der mit Holzschlitten und Filz und Honig und Fett etc. uns zu Umdenken zwingen wollte. Der Schamane Joseph Beuys als "Proto-Greta mit Filzhut und Großbaumschule" (FAZ) erscheint in seinem Jubiläumsjahr vor allem als jugendlich begeisterter Nationalsozialist (FAZ: "Im Künstlerhabitus hat Beuys Ideen und Symbole verinnerlicht, die er als Hitlerjunge eingeimpft bekam ... Beuys gelinge die habituelle Verschmelzung von völkischem Wandervogel und Achtundsechziger Rebell". 1971 gründete Beuys die "Organisation für direkte Demokratie" zusammen mit seinem Redenschreiber Karl Fastabend, einem überzeugten Nationalsozialisten und ehemaligen SS-Mitglied ... Etc., etc.
Fanfaren schmettern und Beuys' Nazitum kleinreden werden in diesem Jahr wohl nur die Beuys-Aficionados

Die Wochenzeitung - WOZ bemüht sich, links zu sein. Sie möchte dabei natürlich auch brandneu und trendig und hip sein. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, bedient sie sich – wie heute nun mal jeder Pennäler – des Englischen statt des ordinären deutschen Ausdrucks. Denn es wäre sicher antiquiert und unWOZisch und schlicht reaktionär, statt Backlash "Rückschlag" zu tippen

und morgen,
dann steht der Mann vor dem Meeresspiegel.
Im Wind wird herrschen Kadavergeruch,
die Brandung aber wird ihn anlächeln,
und einrollen wird er sich in den Teppich
der Voyelles, gehackt links, abgehackt rechts
u e o e a e
verbunden
in einem Pups
mit dem ebbenden Licht

Mancher Kreativen in der Schweiz geht es in der Pandemie mittelprächtig, halt einigermaßen erträglich, so auch der Schauspielerin und Regisseurin Fabienne Hadorn.
Missgünstig würde da einer sagen: i wo! ganz paradiesisch gehts denen – mit oder ohne Sozialleistungen.
In einem Artikel des Züricher Tages-Anzeigers listet Frau Hadorn nämlich ihre Ausgaben für ihren "perfekten Tag" auf. Von Frühstück über Shopping und Kampfsport-Abo bis Poulet-Schenkel und Whiskey-Sour.
Fabienne Hadorns Ausgaben für diesen ihren "perfekten Tag" belaufen sich auf 285 Schweizer Franken oder etwa 330 Euros. Das also jeden Tag. Wohnungsmiete und andere Trivialitäten sind da noch nicht dabei.
Gefragt von der Journalistin (wohl angesichts der bescheidenen Lebenskosten Hadorns) , was sie sich denn leisten würde, wenn sie genug Geld hätte.
Fabienne Hadorn: "Hexenhaus mit Yoga-Ziegen.
Na, dann.

zu Julian Barnes, The Only Story:
Die letzten hundert Seiten sind nun wirklich desolat.
Barnes schreibt alles hin, was ihm gerade so einfällt, er schreibt weiter, weil er schreiben kann – zu sagen hat er nix.

One never knows, do one? (Fats Waller, Jazzer)

Poem (der epidemischen Lage angemessen)
:
Da ist:
ein recht trüber Seenspiegel
darüber ein Krötenhimmel
die föhnige Jauche darunter
Erdäpfel
überall Köpfe mit
Erdäpfeln
und des Menschen Sohn darin
scheppernd und schätternd
über dem Wendekreis des Bocks
:
die unbekleidete Zuneigung
(über der Stuhllehne die abgelegte Kluft)
Traumlappen, zart lügende Fetzen
in verspielter Leibstatt
:
die Achtzig also angenagt
komm, o komm, Schleckwerk mit Neunzig

Es ist wieder Conchita-Wurst-Zeit.
Die Bedeutsamkeit des Tages registriere ich, als ich am Morgen für Frühinformation das Schweizer Radio SRF4 wähle und dann auf diesem Sender gleich mit der Nachricht begrüßt werde: Schweizer Sängerin Finalistin im Eurovision Song Contest.
Das ist vorab das Wichtigste des Tages für die Nachrichtenredaktion dieses Schweizer Senders. ("The Importance of Being Privatradiogleich" voll erfüllt ...)
Radio SRF4 bemüht sich auch sonst eifrig um aus der Reihe ernstzunehmender Sender herauszufallen:
Das Ablesen der Nachrichten wird mit banaler Musik untermalt (manchmal so laut, dass man Mühe hat den Text zu verstehen), und am Satzende wird statt Punkt ein Tusch hingeschmettert ...
Zirkus statt Information. Schweizer Radio SRF4.

Die Grüne Regula Rytz kauft nach eigener Aussage keine Bücher –
dafür lässt sie sich auf Schweizer Literaturtagen feiern

Annalena Baerbock:
ich kann mir nicht vorstellen, dass diese eindimensionale Stimme Kanzlerin wird

Die Neue Zürcher Zeitung hält viel von ihrem Feuilleton.
Deshalb hat sie auch die Koryphäe René Scheu zu dessen Chef berufen und die Kulturseiten zuhinterst nach dem Sport platziert.
Scheus Kultur ist denn auch emsig am Werk:
Soeben hat sie dem Wolfgang Amédée Mozart ein bisher gänzlich unbekanntes Werk angedichtet, ein "Jeuneamy"-Konzert für Klavier.
Das ZKO soll es am 4. Mai spielen.
Wir sind echt gespannt. Eine echte Mozart-Uraufführung, 250 Jahre nach seinem Tod. Und alles Dank NZZ

Tag mit Unwucht
der ICE ohne frische Zeitungen
die Kassiererin im Lidl lächelt mich nicht an
der Zwergpinscher der Hausmasseurin kackt
ich hüstle und die Leute drehen sich panisch ab

wenn ich Rüebli statt Karotten höre, weiß ich, ich bin wieder in einer kümmerlichen Schweizer Radiosendung gelandet

Mann mit sehr dünnem Lächeln, noch dünnerem Bart,
aber er ist nun mal ein kultiger Beblümler des Uhrendesigns (Takashi Murakami, Superstar)

Manfred Hölzel zeichnete seine Freundin.
Ich sass dabei und sagte: Das gefällt mir.
Manfred sagte: Ich schenk es dir.
Und im selben Atemzug ritzte er meinen Namen mitten in seine Zeichnung.
Manfreds Freundin sagte: Jetzt häsch äs kaputtgemacht.
Ich sagte nichts, dachte aber das Gleiche.

Central Park in the Dark.
Die Fleischwerdung der Stille. Beredtes Schweigen (so sagt man auch).
Plötzlicher Fracas.
Bald aber Rückkehr in die Lautlosigkeit.
Charles Ives, Central Park in the Dark (1906)

cogito, ergo bleibe ich des Tessins fern (Ostern, 2021)

jetzt, zum Teufel, ist meine ganze heroische Apachenkindheit des Teufels.
Wie oft habe ich damals in WinnetoeSeligkeit die Hühnerfedern ans Haupt gesteckt und im Indianergeheul die Bleichgesichter jenseits des nächsten Sandkastens überrannt.
Jetzt muss ich für all das sühnen.
Eine selbsternannte Sprachpolizei verbietet mir, unter Androhung der Verstoßung, das Wort Indianer noch weiter zu verwenden.
Was kommt da noch? Unsere puerile Selbstbefriedigung ist doch schon länger diskulpiert. Und dass Gott eine She ist, weiß ich auch schon länger (bleibt mir trotzdem so lang wie breit).
Was aber, bitte, ist der konvenable Ersatz für Indianer?

Ay!
wie sich der Wind, das himmlische Kind, an meinen Haaren vergreift
Ay!
wie der pfeift
– einen anderen Schall herbei

so wohl und wohlig in der Isolation.
Im Dösen fällt mir doch noch ein: selbst der Wurf einer Nebelkerze in den eh schon unluziden Geist hilft nicht weiter.
Das ist unliebsam. Dann doch lieber eine Flasche Wein

das Erfreuliche an Corona ist, dass sich so viele als Hohlkopf outen

Religion ist Stumpfsinn in der Packung eines übel schmeckenden Zuckerwerks genannt Gott.
Mit jedem Zeichen – ob kahlgeschorene Jüdin, kniefallschlurfende Polin oder Burka tragende Muslimin – wird nur ein düsteres Philistertum des Geistes am Leben gehalten

Eigentlich heisst das PiS, nicht PiSSe.
Dummes Wortspiel.
Lasst euch nicht beirren.
Auch wenn die polnische Staatssicherheit uns morgen antipolnischer Aktivitäten bezichtigen wird.
PiS = PiSSe. Quodlibet.

die Süddeutsche Zeitung kommentiert ... "zum chronisch schwerfälligen politischen System hat sich in der Schweiz eine Frauenbewegung formiert, deren Schlagkraft in Europa ihresgleichen sucht ..."

ich hege voll zärtliche Gefühle für Schuberts Quartette.
Wenn ich aber von innigem Gesang & brennendem Schmerz lese, wie bei der Ankündigung des Arod-Quartetts, vergeht mir der Appetit.

zu den wenig erfreulichen Erlebnissen dieses Wochenendes gehörte der Anblick eines Bummelzuges, den mir die Schweizerischen Bundesbahnen statt des erwarteten ICE vor die Nase setzten.
Zur tumben Wesensart der Schweizer Bähnler (so ist ihre quasi offizielle Eigenbezeichnung) gehört, dass besagter Bummelzug sowohl im Online-Fahrplan als auch noch auf dem Bahnsteig als ICE angezeigt worden ist.
Die Schuld am Fehler werden die SBB sicher dem Virus zuschreiben wollen.

Amanda Gormans "Gedicht der Stunde" The Hill we Climb reisst mich nicht vom Stuhl.
Mit der Message des Gedichts bin ich natürlich d'accord

ein Mond mit Raureif
ein Flämmchen kreist langsam
ums steinerne Standbein der Nackedei
klackende Rallen

Beim Blättern die nackte Faust des Dirigenten Daniel Barenboim.
Die zückte er auf die Frage, was er täte, wenn Netanjahu eintreten würde
(Aus Süddeutsche-Zeitung-Magazin, 8. Januar 2021)

das war vor etlichen Jahren an einem 1. Januar auf der Avenue de la Toison d'Or:
Eben habe ich meine Gitane ausgetreten, den letzten Zug noch in der Lunge kosend, als eine Gitane aufdringlich nach meiner Hand grapschte, die Innenfläche nach oben drehte und mit ihrer Fingerspitze den Handlinien entlang strich.
Sie rückte dabei unangenehm nahe an mich. Brabbelte etwas über Schicksal und nächste Jahre.
Später kaufte ich mir ein Taschenbuch über Chiromantie.

alle Lärmwirbel, alle
nur noch die Randale der Stille
im Ohr zieht Blasen auf Haut
auf Asphalt wie
die Fleur de l'heure von einem
der seine pickelige Larmoyanz wegfuttert

Stephanstag. Gehen
Trauerweide & Chlorhühnchen
Der See grauer Vogelleib
ein zwinkerndes Wolkenloch
pink Brühe, bald rosa, bald gelber Dunst, dann blau das Loch
Herbstwagnis, dort durch entflohen
wortedurch und durch
Innigkeit, Wirbelsäule als bliebe eine schmerzende Krümmung
und unter der Bluse der dunkle Gähnhall
nur ein Lungenzug Innigkeit aber Monate durch

Die Frohe Botschaft
Ein vatikanischer Kardinal erklärt uns die Ähnlichkeit des CoronaVirus mit dem Heiligen Geist
(TagesAnzeiger, 24.12.2020)

die sind so was von dämlich und chaotisch und kompliziert diese republik.ch-„crew“ – ich muss dauernd hin-und-her-klicken, bis ich deren inhalte endlich wenigstens als pdf lesen kann. zum kotzen

ich schäme mich
ich schäme mich für meine Wohnsituation
ich schäme mich für meine gute Gesundheit
ich schäme mich, in einem der reichsten Länder leben zu können
ich schäme mich, beim Bettler gedacht zu haben, er komme sicher aus einer organisierten Gang

Die Republik.ch hat eine hohe Meinung von sich.
Sie lobt sich denn auch:
"Unsere Crew besteht aus kompetenten Profis. Den besten, die wir finden konnten."
Ja, die SIE finden konnten.
Über solche Postulate kann man eben geteilter Meinung sein – wie eine verstaubte Redewendung besagt.
Für ein Jahresabo ihrer Mails verlangt die Republik.ch von mir 250 CHF/Jahr.
Und was bekomme ich dafür?
Laut Republik.ch:"Sie erhalten täglich eine bis drei neue Geschichten. Als Newsletter, im Web oder in der App. Das Konzept ist einfach: Einordnung und Vertiefung statt einer Flut von Nachrichten.
Sie lesen und hören in der Republik zu allem, was aktuell, verworren, komplex – und für viele gerade wichtig ist. Derzeit beschäftigen uns Klima, Digitalisierung, Kinderbetreuung und besonders intensiv die Folgen des Aufstiegs autoritärer Politik für die Demokratie.
Wir liefern Ihnen Recherchen, Analysen, Reportagen und Erklärartikel. Aufgemacht als digitales Magazin, mit ausgewählten Bildern, Illustrationen, Grafiken. Manchmal interaktiv. Manchmal als Podcast. Oder auch als Veranstaltung."
IN REALITÄT IST DIE REPUBLIK.CH selbst in ihrem dritten Lebensjahr unfähig, ihre Abonnenten mit den oben süffig versprochenen Ausgaben zu beliefern.
Beispiele aus den letzten Tagen:
Keine Republik-Newsletter am 1. Dezember, am 2. Dezember, am 5., am 7., am 9., am 10., am 15., am 16., also heute.
Es fehlen in dieser Aufzählung die unzähligen fehlenden Ausgaben übers Jahr.
Bei Reklamationen vertrösten einen die kompetenten Republik-Bürschchen auf komplizierte Klicks durch die Republik-Seiten – die nicht nur deine Zeit kosten, sondern schlicht nicht funktionieren.
Leute, was bin ich mit meinem WOZ-Abo zufrieden!
Erstens habe ich die WOZ verlässlich in meinem Briefkasten, zweitens ist sie einiges bunter als die trocken-steife Republik.ch, und drittens – not least! – es sie eine Zeitung, gedruckt auf Papier

Die Welt ist voller Geheimnisse.
Die Zeitung für Menschen, die üblicherweise ihren Informationsstand aus den Fernsehnachrichten nähren, vulgo auch Pendlerblattkonsumenten genannt, überrascht ihre treuen Leser mit der Verkündigung eines Mysteriums:
"Mysteriöser Monolith taucht im Kulturkanton auf" (Information aus "20minuten").

Fast zeitgleich mit dem Emportauchen dieses Monolithen im Aargau wurde auch ich eines singulären Pantoffels (eines sog. Monopantoufles) gewahr:
Der Pantoffel befand sich alleinig und irgendwie verloren und sehr plötzlich an einem Morgen neben meinem Futon.
Seine groteske Einsamkeit brachte mich auf die Idee, das Mysterium dem Blatt, das ja so was so gerne protokolliert, zu melden.
Es war frustrierend, dass sich 20minuten nicht für meinen Pantoffel zu interessieren schien.
Denn auf eine Antwort der Redaktion warte ich immer noch

wird wohl so sein:
manche reagieren unüberlegt impulsiv auf Mailinhalte, die Kopfschütteln (oder gar Schock) bei ihnen ausgelöst haben, und beharren dann leider nicht auf Durchleuchtung der durch sie inkriminierten Texte. Durchleuchtung Wort für Wort.
Die Folge: elegische Wehmütigkeit.
Wirklich betrüblich. Aber wie gesagt immerhin elegisch.

Puppen & Zimtschnecken, Pillepalle und mein quälend langes Verweilen in Mails der Liebe und der Zuneigung

in einem Glasschrank hielt ich mir ein kurioses Tier.
Dem Tier rief ich Hymnarium.
Mit den Jahren wurde das Tier fett und pochte auf mehr Käfig.
Dann kam ein Einbrecher, sprengte meine Türen auf, auch die des Glasschranks, und stahl daraus alles Gold und Silber und Schmuck und Edelkiesel.
Für deinen nächsten Besuch, Chawer:
Hab Pietät, ich habe keine Hausratversicherung
Gott segne dich dann (falls du an sowas glaubst)

die FAZ bespricht den Deutschen Buchpreis an Anne Weber für ihr Versepos "Annette, ein Heldinnenepos" auf einer halben Zeitungsseite.
Allein – die Besprechung erwähnt mit kaum einem Wort das preisgekrönte Werk, erläutert dafür ausführlich die Geschichte und die Renaissance des Versepos. Vom 11. Jahrhundert (Artus), über Dante und Torquato Tasso bis Aras Örems Versen aus dem Emigrantenleben in der Umgebung des Halleschen Tors in Berlin.
Mir kamen meine in Zeilen gebrochenen Texte in den Sinn, die ich alle im Mist entsorgt, mit der Einsicht: Was willst du denn in lyrischer Form über Haltestellen der Straßenbahn oder so dichten – Mann, du bist out, passé, démodé, obsolet

Ein Fall von schwerer Profilneurose
Bis jetzt dachte ich, die Wochenzeitung/WOZ sei ein Redaktionskollektiv, das – etwa in der Werbung – als Gruppe gegen außen auftritt.
Nun finde ich in meinem Briefkasten einen Umschlag mit einem für mich richtig poetischen Namen als Absender: Fatima Moumouni.
Frau Moumouni stellt sich vor als Schreiberin gegen Rassismus und wirbt für ein WOZ-Abo. Mit "c/o WOZ" in der Adresszeile.
Anscheinend darf sich bei der WOZ jede und jeder der Abonnentenliste bedienen, denn eine Moumouni finde ich im Impressum nicht.

nun grüßt ein buntscheckig erigierter Kindergartentraum, eine Plastik gewordene Mägdeleinvision am unscheinbaren zürcherischen Heimplatz. Pipilotti ist jetzt eben auch da. Daneben das Haus der Kunst, links und rechts. Und im dünnen Schatten der Stele wartet immer noch tapfer das Pissoir aus der Zeit Georg Heims auf Einkehrer.
Auch Rodins Höllentor steht da. Jeden Tag ziehe ich daran vorbei. Streiche mit den Augen über die Figurenüppigkeit und laufe weiter. Bis vor etwa zwei Wochen. Da traf mein Aug unverhofft auf ein Gebilde am linken Torpfahl. In etwa 3-m-Höhe entdeckte ich eine Frauenfigur, solitär, singulär, im übrigen Gewusel einsam. Wie später angeklebt sah es aus, nach Fertigstellung achtlos angeklatscht.
Und kitschig wirkte sie von unten, vom Gehsteig.

Bach als Marshmallow. Johann Sebastian Marshmallow. Weich und honigsüß.
Aus der Feinbäckerei des amerikanischen Hollywoodgeschmacks kennen wir dank Walt Disneys "Fantasia" seit über achtzig Jahren die Toccata und Fuge d-Moll BWV 565 in der streichfähigen Vergewaltigung durch den Dirigenten Leopold Stokowski.
Und diese Schändung war leider nicht abschließend.
Eine andere Künstlerpersönlichkeit (die sich selbst gewiss höher schätzt als den von uns gegangenen Stokowski), die serbische Mythomanin und Kanonenkünstlerin Marina Abramovič, ließ in New York für Bachs Goldberg-Variationen das Klavier auf einer sich endlos drehenden Plattform, unter wechselnder Illumination, platzieren. Bachs Musik war Nebensache, wenn überhaupt das. Dass sich Igor Levit (der Pianist) zu dieser Geschmacklosigkeit hat verleiten lassen, war für mich eine derbe Enttäuschung. (Inzwischen wird er, Levit, seine Entgleisung bemerkt haben – das Video über diese Abramovič-Performanz scheint gelöscht zu sein, ist im Web nicht mehr zu finden.)
Kitsch ist jedoch zäh, Kitsches Leben zählebig.
Zu diesen Flashs hier kam ich durch das zufällige Mithören der Goldberg-Variationen BWV 988 in einer Fassung für Streichtrio von Dmitry Sitkovetsky. Dieser weitaus unbekannte Mann der Tonkunst, der sich im Web anpreist als "recognised throughout the world as having made a considerable impact on every aspect of musical life", liefert uns einen rührend-rührseligen Abklatsch des Bachschen Originals. Nichts ist bedacht, nichts ertickt, gesüßt hat Sitkovetsky jede Note bis zum Brechreiz. (Einspielung Amati String Trio, 1999)

Verhaltensmaßregel auf überfüllten Gehsteigen zu Zeiten von Covid-19:
Wünschen Sie im rücksichtslosen Drängeln der Massen für die eigene Wenigkeit eine stets freie Bahn – husten Sie. Ihr Husten sei feucht und laut. Sie können auch Räuspern einsetzen – aber ja nicht zu verschämt. Dienlich ist natürlich auch nacktes Niesen, stets unverhüllt und fasernackt. Nur juckt einem die Nase leider nicht auf Geheiß.
Husten im Jahr 1 der Covid-Pandemie ist die freundlichste Art, sich die Menschen vom eigenen Leib fernzuhalten. Einige Passanten werden hinter Ihnen drohend die Faust schütteln. Lächeln Sie die an.

wir sitzen da, nagen an unserem Abendbrot und starren wurstig auf Baseballkappen mit Trump-2020-Prägung.
Dieweil das Gesindel, das hirnscheue unter diesen Kappen, den deutschen Gesundheitsminister bespuckt und als schwule Sau beschimpft

na gut, ja, in dieser Werbung spricht ein Schweizer Papiermacher pro domo.
Seine Behauptung aber entspricht satt den Gegebenheiten:
Zeitungen auf Papier sind nun mal nachhaltiger.
Die taktilen Reize nur.
Und mehr:
Informationen auf (Zeitungs)Papier sind irritierender. Fühlbar. Eindringlich. Sonderbar sexy.
Informationen im wwwÄther dafür schnell ausgepumpt.
Im Fluss sind die Online-Infomakler nach Minuten ihrer Puste los.

bis das Hakenkreuz ausgegraben wird.
Beflissen gräbt das pampige Hirn, das völkisch-nationalistische Gehirn.
Im Unterbau. Wenn auch vorläufig nur innerhalb der AfD

Abzocken tut er uns schon ziemlich dreist, dieser Jeff Bezos, ehrlich.
Er besitzt – wie die heutige Presse berichtet: 200 Milliarden Dollar.
Was macht er bloss damit?
Die Frage stelle ich mir mehr so nebenher, während ich ein Lachsfilet esse, dazu was Schäumendes trinke – aber immer noch nicht weiß, wie ich meine nächsten 1000er Noten easy & nonchalant loswerden soll

Im TagesAnzeiger in Zürich leben viele Stimmen.
Eine, die unsren banalen Alltag spürbar und tastbar und sangbar lesbar macht, ist davon Julia Weber. Laut TA Autorin, in Zürich lebend.
Ein Glas Wein und eine Reise in ihren Sätzen helfen verträumt über die lock-sommerliche Corona-Behinderung hinüber

mit republik.ch habe ich eine Zeitung abonniert.
Wenn auch digital. Aber eine Zeitung zum LESEN.
Kein Audiostreaming und schon gar nicht(igitt) Video.
Nun kredenzt mir republik.ch Interessantes, was ich in Ruhe lesen will, als Podcast (mit nicht gerade schauspielschulgeschulten Stimmen).
Das ist Peinigung.

Laut TagesAnzeiger ist er Autor und Filmemacher und schreibt für diese Zeitung kurze "Stadtgeschichten". Zumindest für seinen letzten Beitrag hat Miklos Gimes aber elend mies recherchiert. 
Laut eigener Schreibe war er auf Besuch im Tessiner Maggiatal und hat dort in einem alten Magazin auf einen Artikel des Mundartliteraten Martin Frank gestoßen. Frank schrieb dort über einen malenden "Heiligen", der in einer Hütte hauste und am Verhungern war. Dieser Maler war Teo.
Jahre später, Anfang der 90er Jahre, hatte Teo (Kolwaczek) eine Einzelausstellung in Fredy Knechts Galerie A16 (beim Zürcher Busbahnhof). Da weder Teo noch die Galerie bzw. Knecht etwas für Publicity taten, bin ich aus einer Laune heraus mit Teos Dossier zum Züri-Tipp an die Werdstrasse. 
Die zuständige Redakteurin meinte: Das ist ein Glücksfall, sie hätten gar nichts an Ausstellungen für die Wochenausgabe ...
So bekam Teo im Züri-Tipp eine ganze Seite.
(Und bereits zwei Tage später kam er: Ein Mädchen hätte ihn im Tram angesprochen ...)
Die von Gimes erwähnten "Jesusse" waren mehr oder weniger idealisierte nepalesische Passantengesichter, und die Bilder haben Titel wie Krishna, Tara, Machendranath und so ähnlich. 
Teo malte allerdings nicht nur ätherische Gesichter – da gab es auch Überwältigendes: siehe "Berglandschaft im Maggiatal" im Anhang (Facebook).
PS: Teo Kolwaczek: Sein Vater war polnischer Kriegsflüchtling.
PS2: Dass sich Martin Frank ins Maggiatal verirrt hat, wird wohl an der Homosexualität der beiden liegen. Aber: Teo mochte nie als schwul taxiert werden – er meinte, er verdanke diese Neigung seiner Pubertät in den düsteren Schweizer Erziehunganstalten (diese Feststellung wird dem Martin Frank mit seiner Heiligengeschichte aus dem Maggiatal wahrscheinlich nicht sehr passen)
PS3: Leider ist auch die beknackte Vermutung von Teos Hungertod (von Frank oder von Gimes oder von beiden kolportiert) dummes Zeug: Teo lebte hinreichend von der AHV und den EL an der Bäckerstrasse 19 in 8004 Zürich (wenn er nicht grad in Nepal war).
PS4: Dass "ter souhung fögi" von Martin Frank eines der besten Bücher über Zürich sei, dass mag dem Miklos Gimes so dünken. Wir grinsen uns da eins, i.e. halten sein Urteil für Bockmist
PS5: Teo kannte ich zu jener Zeit bereits seit Jahrzehnten. Dann ging ich ins Ausland und verlor den Kontakt zu ihm

Biergarten geschlossen.
Mist. Dumm. Nach dem Herumgegurke wäre ein Gurkensalat doch ein Superfood.
Ärgerlich. Gott ist schuld. Natürlich. Schöpft mit seinem Schöpflöffel in der Ursuppe und spritzt statt mit Galaxien mit Viren um sich.
Da freut man sich doch – jeden Morgen von neuem – aufs Älterwerden im Elysium einer schattigen Gartenkneipe und bekommt dann Lockdown aufs frohlockende Hirn. Wo man auch hingeht.

Res Strehle ist unser Scherzkeks des Tages.
In seinem Züricher Blatt, dem TagesAnzeiger, darf er eine ganze Seite mit seiner kunstkritisch virtuos dilettantischen Anpreisung des sog. Gassen-Sprayers, auch genannt Nägeli Harald, füllen.
Hat, fragt man sich hinterher, die TX-Group nach den Korrektoren nun auch die Kritik der bildenden Kunst eingespart?

der Tages-Anzeiger aus Zürich offenbart die Neueste Deutsche Rechtschreibung.
Es bleibt zwar allgemein und anderswo beim "Skelett", aber der Tages-Anzeiger bevorzugt nun die coole Schreibweise "Skelletieren" (TA, 11.7.2020)

Eric NZZGujer spricht mal wieder Worte zu unserem Wochenende.
Schreibt en passant vom "Erstickungstod von George Floyd".
Da fehlt nur noch ein scheinheiliges "bedauerlich". Denn dass George Floyd vom Knie des Gesetzes erdrosselt wurde – das mag NZZGujer nicht schreiben.

Boutros Odeh – diese Person muss ein besonderer Waldkabauter sein.
Mit obskurer Adressangabe (Zürich) taucht sein Name an den unwahrscheinlichsten Sites auf, und seine Likes finden sich haufenweise ausgerechnet auf – Partnerschaftsanzeigen …

Im Nachwort zu der zweisprachigen Ausgabe der Gedichte von Charles Racine (Limmat Verlag 2019) lobt Gudrun Racine die Übersetzungen von Felix Philipp Ingold: "adäquat & einfühlsam".
Beim Lesen – links frz, rechts dtsch – stocke ich hie und da.
Racine schrieb: "Je n'irai pas portant mon sac vide de pain"
Ingold verschwurbelt den Satz zu:
"Ich werde nicht mit leerem Brotsack zugange sein"

Dass eine "Zeitung", die online leben will, unfähig ist – selbst nach zweijährigem Bestehen unfähig ist –, ihre Abonnenten mit den Ausgaben pünktlich zu beliefern, bedeutet nur: sie, die republik.ch, hat ein unfähiges, unqualifiziertes Team für die Logistik engagiert.
Wahrscheinlich aus Spargründen.
Dass dann bei Reklamationen wegen der ausbleibenden Belieferung der Abonnenten ein provozierend großkotziger, blasierter Ton aus kontakt@republik.ch (z.B. ein Jonas Studach) zurückkommt, kann man natürlich mit dem unreifen Alter der republik.ch erklären.
Ärgerlich bleibt trotzdem wie auch andere in dieser Republik-Kontaktredaktion den Fehler borniert und starrsinnig dem Abonnenten ankreiden: Er solle doch bitte in seinem Spam-Ordner nachsehen ...
Mir reichts. Noch eine ausbleibende Republik-Lieferung und es gibt keine Abo-Erneuerung.

Im Bemühen, dem Shareholdervalue zu Diensten zu sein, stellen die Medien Hinz und Kunz ein – Hauptsache billig, egal wie retardiert sie in der geistigen Entwicklung zu sein scheinen. Ein Beispiel zum Rechtschreibniveau der Mitarbeiter in dem zürcherischen Tagesanzeiger (26.6.2020): Da wird nach einer "Fuhrt" im Bach gesucht

Hengameh Yaghoobifarah.
Imponierend wie fast alle Medien diesen Namen fehlerfrei wiedergeben.
Ihre Bemerkung in der taz, Polizisten gehörten auf den Müll – Abfall zu Abfall – finde ich beschränkt und einfältig, schlicht dummdreist

Zu einem Facebookbild:
Was der Reiz dieses Fotos ist, fragte ich mich unwillkürlich.
In Zeiten des Lockdown ist man ja geneigt, in Jogginghose und mit Weinglas, die in all den Jahren angeschleppten Zimmerpflanzen – den grünen Nutzwald im öden Heim – endlich einmal zärtlich zu streicheln. Da sitzt man dann auf dem Kanapee, nippt am Wein und schaut verträumt in die Umrisse dieser Dekorationsobjeke vor dem Fensterglas.
Kein Fleck trübt das vorherrschende Blatt. Keine Fäule – zweifellos vollbringt da ein grüner Daumen seine fruchtende Skulptur. Es waltet das Mantra der Gießkanne.
Später liest man laut Gedichte vor und blickt ab und zu zum Blatt – hört es überhaupt noch zu?

seit ein paar Wochen sucht Beatrice Gerber (@gmail.com) nach einem "männlichen Wesen, der an Schönem, Wahrem und Gutem interessiert" ist.
Ihre Suche in der WOZ ist offenbar ergebnislos. Ob da der Kirchenbote nicht besser konvenieren würde?

ich wischte das Öl aus der Pfanne mit einem Papiertuch, flaturierte selbstvergessen vor mich hin – da flitzte der Flash bunt ins Hirn: Ein Rasenstück von der rue Ravenstein. Irrelevant. Nichtssagend. Ich wunderte mich

Die Psychoszene, die umtriebige, startet siegesgewiss ins 21. Jahrhundert.
In ihrem Erfindungsreichtum für neue Seelenzipperlein mitsamt neuer Pfrunde bedient sie sich aller frischer Schlagworte, jeden neuen Hypes und wendet sich überaus wortreich, bis zum sinnlosen Blabla, an ihr zugetane Hirnis. Mitunter will sie damit auch Kunst sein.
(Dies zu einem Plakat im Züricher Bahnhof Stadelhofen mit dem Titel "Ökopsychoanalytische Reflexionen über 'Future Perfect' von Taiyo Onorato und Nico Krebs")

Ruedi Widmer, auf Seite 2 der Wochenzeitung WOZ für Spott, Ironie und Ähnliches zuständig, stellt das Züricher Kunsthaus in den Senkel, weil dieses Haus der Kunst am Züricher Pfauen das eines Van Goghs ebenbürtige Genie des Sprayers von Zürich, auch genannt Naegeli, nicht nur nicht beweihräuchert sondern kurzerhand ausradiert. (WOZ 24, 11.6.2020)

ja, der Regen heut ist wahrlich schön und bewundernswert nass und überhaupt ist dieser Sonntag herzenslind und von wahrer Gutmütigkeit und will und will nicht verfallen, klar, das ist doch gebongt, ist roger

da kann ich wieder durchschlafen: Lauberhornrennen gesichert, sagt mir das Gratisblatt, mitsamt diskretem Dank an Bundesrätin Amherd, zuständig für Sport & Streitmacht

der eiskalte Jesuit Baltasar Gracián war jeder Menschlichkeit abhold.
Für eine Reanimierung seiner tiefschwarzen, illiberalen Gedankenwelt aus dem 17. Jh. ist das NZZ-Feuilleton unter der Leitung von René Scheu exakt die richtige Plattform. In einem ganzseitigen Artikel (27.5.20) wird dort Gracián (mitsamt seiner Schwärmer wie Schopenhauer oder Nietzsche) von Hans Ulrich Gumbrecht belobhudelt und auf das liberalkonservative A und O konzentriert: "... wer überleben kann und DARF – wirtschaftlich und biologisch."

un gato tiene siete vidas – sagt man in Andalusien. Da nehmen wir an, ohne besonders vergrübelt oder weise, dass es sich bei jedem der sieben um echtes Katerleben handelt. Der Philosoph Hans Jonas spricht vom "echten menschlichen Leben auf der Erde". Laut Artikel in der NZZ.
Erst hier muckste was in mir auf: Ja, was wäre denn ein unechtes Katerleben und wo verstreicht ein unechtes menschliches ...?

in der Familie gab es einen, dessen Kiefer beim Nachdenken leise malmend von links nach rechts und von rechts nach links wanderten

manchmal, wie gerade jetzt, als die Stephansburg rosa in den Abend ragt und hinter dem Albis Cumulusreste ziehen, fühle ich mich mal wie ein linksradikaler Siebenschläfer, mal wie ein Zuckerwatte austeilender Revoluzzer

Fingerübungen gibt es viele. Auch in den Schönen Künsten. Manchmal wollen sie partout groß sein. Da gibt es zum Beispiel eine Künstlerin, die eine nicht ganz fachgerechte Darstellung eines Gehirns mit sich führt und an gelahrten Kongressen zum Besten gibt

Der CH-Parlamentarier Andreas Gross war bekannt für Spesenritterei. Nun ist er nicht mehr im Parlament, vermietet dafür seinen Dachboden im idyllischem JWD für monatlich lächerliche 2000 chf (Dusche, WC und Herd gibt es sicher bequem im Parterre)

der deutsche Grüne und Oberbürgermeister der Stadt Tübingen Boris Palmer plauderte über Leben und Tod, gestern im Privatsender Sat 1:
"Ich sage es Ihnen mal ganz brutal: Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr wegen ihres Alters oder wegen schwerer Vorerkrankungen sowieso tot wären."
Eine Entschuldigung lehnte er ab.
Merke: Grüne sind halt auch nur philiströse Zeitgenossen ...

in der Quarantäne unterhält uns die Republik.ch mit einem blumen- und gartenteichbestückten Altenheim-Mailwechsel à la "Weißt du noch?".
Lästig dabei u.a. auch Muschgs Faible für das faschistoide, zutiefst nationalistische Japan

Nach längerem, wahrscheinlich pandemiewidrigem, Verweilen an der Frischluft fiel mir ein: Nichts weiß ich von der Exponentialfunktion

Hansjörg Schneider halte ich für den humansten Schweizer Schreiber der letzten 50 Jahre. Seine Hunkeler-Krimis aus Basel sind nicht nur spannend, sie sind auch beispielhaft nachsichtig mit ihrem Personal, menschlich nachsichtig – egal ob Schurke oder Kriminaler.
Soeben habe ich "Die Ansichtskarte" aus meinem Regal gefischt: Ich glaube dieses Büchlein (eine Benziger-Broschur) war Schneiders erster gedruckter Text – wäre eine Signieranfrage wert

Die Verluderung der gedruckten Presse
am Beispiel des zürcherischen Tages-Anzeigers:
Frontseite vom 17. April 2020
80% banales Foto
15% Inhaltsangabe
5% redaktioneller Text
Fazit: auch der TagesAnzeiger ist eine BILD-Zeitung

Ruedi Widmer schaut gern in den Spiegel. Wenn er davor steht. Dann ist er mit seinem Abbild so fidel zufrieden, dass er mit diesem seinem Abbild ad libitum alle seine Handelsgüter damit bedrucken lässt. (Der WOZ dankt er selbstverständlich für die Gratiswerbung in Nummer 15, auf Seite 2. Die WOZ-Abonnenten schließt er dabei, na logisch, in seinen Dank ein)

Aller Anfang ist Ei –
verblüffender Lehrsatz in der Süddeutschen Zeitung (Seite "Wissen")

Karfeiertagslangeweile. Quarantäne hoch2. Man sehnt sich nach Heldensagen, vorgelesen mit Pathos. Von all den Recken der Schweizer Geschichte, zum Beispiel. Wie schön wäre es jetzt der Vita des Generals Guisan zu lauschen. Oder des rabiaten Generals Ulrich Wille. Oder von von Salis-Soglio. Sich fortbilden an den erfrischend heroischen Taten der Großen der Nation. Und in die Sonne blinzeln. Und am Wein nippen

Gott ist leider nicht einfach nur ein absonderlicher Witz des Menschen –
die Gottesidee ist eine gemeingefährliche Spinnerei.
Leider ohne Hoffnung auf Heilung. (Zu einem Foto eines britischen Gottesanbeters)

ja, bis morgen:
my home ist my castigation
was aber, wenn womöglich selbst übermorgen noch?

Hölderlin auf aller Blätter Kulturseiten. Seine Sätze, Halbsätze, Nebensätze, einige, die für immer einfahren. Aber Hyperion zu lesen, halte ich immer noch für eine selbstquälerische Lust – seit ich es mal mit zwanzig zu lesen versucht

Der Tagesanzeiger aus Zürich gibt in einer Beilage Tipps für den "Umgang mit Elektrosmog". Darin weiht eine Athena Tsatsamba Welsch uns ungebildete Ignoranten in die "Natürliche Regeneration" ein:
"Die natürliche Regeneration und eine bewusste Pflege der Psychen (sic!) gehören zum vierten Element des Konzepts. Hier geht es um die Eigenpflege auf Ebenen des Unbewussten. Ein optimal funktionierendes lebendes biologisches Quantensystem Mensch braucht einen hohen Grad an Ordnung, also rein geistige Schwingungen, um gesund und unbelastet zu bleiben."
So ein EsoKäse

Ein Leben als Fleischfresser. Nun ja. Und?
Der Mensch als Raubtier wie Tausende andere Arten von Bestien oder Kerbtiere auch.
Leichtes Hochziehen der Schultern also, gleichgültiges Zucken mit den Schultern. Indolenz.
Zugleich auch ein Missbehagen, sich aufdrängende lästige Bilder von Schlachthöfen. Schlachten. Fleisch. Essen.

Ach, Pascal. Religion ist doch nur eine qualvoll-wollüstige Fesselung, wie andere Sadomaso-Techniken auch. Haarige Pensées bleiben da außen vor.

1312 Seiten Thomas Piketty. So sehr auch ich weiß, ich sollte mal in Pikettys Sozialismus spazieren, ich greife nach Fred Vargas. Dabei ist Kommissar Jean-Baptiste Adamsberg auch nicht mehr, was Fred Vargas mit "L'homme aux cercles bleus" einmal war

Friedrich Merz' Herz klabastert.
Sein Welt- und Leibblatt "Die Welt" füllt eine Seite mit philosophisch mäandernden Gedanken des erklärten Kommunisten Slavoj Žižek über die Corona-Panik.
Übers Klopapier kommt Žižeks Eloquenz unbarmherzig zum britischen Gesundheitswesen in diesen Zeiten des Coronavirus:
"Nach einem sogenannten Drei-Weisen-Protokoll wären drei Oberärzte in jedem Krankenhaus gezwungen, Entscheidungen über die Rationierung der Versorgung wie Beatmungsgeräte und Betten zu treffen, falls die Krankenhäuser mit Patienten überlastet würden ..."
Nach welchen Kriterien, fragt Žižek, werden sich die "drei Weisen" richten? Die Schwächsten und die Ältesten opfern? Und wird diese Situation nicht den Raum für eine immense Korruption öffnen? Zeigen solche Vorgehensweisen nicht, dass wir uns darauf vorbereiten, die brutalste Logik des Überlebens des Stärkeren zu verwirklichen? Also noch einmal, die letztendliche Wahl ist: entweder dies oder eine Art neu erfundener Kommunismus.

Glenn Goulds Spiel kommt mir heute zuweilen affig vor (BWV 846)

Das American String Quartet mit Mozart, Bartók, Schubert in der Tonhalle Maag. Das Spielniveau ist kaum zu überbieten, ich bin berührt.
Neben mir eine knallige Greisin, abwechselnd riecht sie mal übel-süßlich mal nach Abzugsrinne. Ginge sicher auch als Corona-Repellent

na, wenn sie so was schreibt, wird einem die Sibylle Berg (Sie-wissen-schon-Berg) noch sympathisch:
"... war sie vielleicht mit den Hunden draußen. Diese Drecksviecher, die aussahen, als hätte man ihnen die Beine abgesägt. Gute Jagdhunde, die auf ihren abgesägten Beinen andere Tiere zu Tode hetzten. Die Jagd, eine Verlagerung der Gier, Menschen zu töten ..."
(Sybille Berg, GRM brainfuck, Seite 107 – ansonsten kann man sich in diesem Buch vorzüglich an Sodom und Gomorrha der Bergschen Geisteswelt delektieren)

Die Wohnung musste ich durchlüften, dann habe ich die Hardcover-Gedichte gleich zurückgebracht.
Der Grund – um es angemessen poetisch zu sagen:
Diesem Buch entströmen giftige Miasmen.
Ich meine es ganz und gar wörtlich:
Dieser Gedichtband ist – kaum aufgeklappt – eine olfaktorische Brutalität.
Wahrscheinlich liegt es an den Druckfarben.
(P.S.: Warum überhaupt muss ein Gedichtband bunt wie ein Kinderbuch sein? Traut es dem gedruckten Text keine Wirkung zu?
Maren Kames: Luna Luna, Secession-Verlag, Zürich)

Die Bücher, akkurat gereiht im Regal.
Wir, die wir uns für Ästheten halten, rümpfen reflexartig die Nase, als wir erschrocken erkennen: Das sind ja alles nur DVDs auf den Tablaren
(zu einem Bild der Berlinale-Spitze in der SZ)

Sterben, ganz allgemein, das geht ja noch. Da guckt eh kein Schwein. Die Todesanzeige, ein Nachruf – und du blätterst um.
Aber das Artensterben. Die Spezies! Da auch der Homo sapiens! Er stirbt! Und mit dessen Werke! Die Dichtungen, die denkwürdigen, die ewigen, unsere Kreationen!
Die Konkrete Poesie beispielshalber! Selbst berauscht wird da niemand mehr dieser agonisierenden Art spindeldürren Sprachgerippes den gebührenden Reiz abgewinnen. Traurig. Und wahr.
Statt aber jetzt zu schniefen, kann man auch Nachdichtungen nachschicken.
So wird wohl auch Max Küng, Kolumnist des zürcherischen TagesAnzeiger-Magazins, gedacht haben, als er in der letzten Nummer einen konkreten Jux oder konkreten Scheiß, einen konkreten Flachs drucken ließ

DIE WELT, Tageszeitung von der Axel-Springer-Straße in Berlin, "täglich in 130 Ländern verbreitet – Pflichtblatt an allen deutschen Wertpapierbörsen", sollte mich während einer stundenlangen Zugtour zerstreuen. Auf der Seite "Rätsel und Sudoku und TV-Programm" füllte ich gähnend und träge die leeren Felder mit Buchstaben, bis ich in der untersten Zeile waagrecht auf die Vorgabe "spanischer Staatsmann" stieß. Einen Moment stockte ich: Meinen die Franco? Ein rechtskonservatives Blatt wie Die Welt wird sicher nicht Gonzalez gemeint haben ... Die Anzahl der Buchstaben passte aber nie. Neugierig geworden wanderte ich durch meine rudimentären Kenntnisse Iberias. Ohne Erfolg. Dann, aus senkrecht "unglasierte Tonware" (Terrakotta) und "pazifische Inselgruppe" (Marianen) kam die Illumination: Die meinen Aznar, José María Aznar, den aus der faschistischen Falange Española hervorgegangenen Ministerpräsidenten der rechtskonservativen Alianza Popular.
Fürwahr, das Welt-Kreuzworträtsel fällt nicht weit vom Blatt des Trump-Netanjahu-Sippenverbands ...

Der Geist, der Geist.
Der soll immer dort wedeln, wo eine manikürte Schreibhand nach ihm greift. Schauplatz der Begebenheit ist zumeist die Kulturseiten einer Zeitung.
Wir Leser lesen dann diese Spalten und finden die Texte aufwühlend und enervierend und geil. Vielleicht.
Auf das Feuilleton der NZZ mit bisher gutem Pedigree verzichten wir aber vorerst mal.
Solange ein René Scheu dort (als kürzlich eingesetzter Chef) mit seinen Protegés hausieren darf.

Würde, Anstand, Scham (und all deren Synonyme) sind nicht Sache des Web. So kommt es, dass die Filmmimin Gwyneth Paltrow dort eine Kerze anbieten darf, die explizite nach ihrer eigenen, also Paltrows, Vagina duftet ("erotisch und wunderbar überraschend"). Kostenpunkt: 75 Dollar (nach der SZ)

Sonntag Nachmittag. Nach Neujahrshatz Flanieren auf der Suche nach bukolischem Frieden, erbauendem Augenschmaus, vergnüglicher Zerstreuung: Kurzbesuch im Züricher Helmhaus, städtischer Ausstellungsort.
Fazit, kurz: Ich fühlte mich angepisst. Imitate, Plagiate, Kopien, Déjà-vu in Drittausfertigung. Bitterernst und feierlich

Interview mit Lukas Bärfuss in der "republik.ch" vom 18.12.19:
Nein, Lukas Bärfuss ist fix kein Max Frisch im Gefilde der Schweizer Linken

purer Neid spricht aus mir:
Die Nachricht, die mir Martin Ebel im TAM vom 21. Dezember zukommen lässt, dass nämlich er "in den letzten Jahren" "viele Hundert Bücher" gelesen hat, brachte mich nach erstem Schreck in ein arithmetisches Grübeln:
Viele Hundert (nehmen wir an: 500) Bücher in den letzten (seien wir großzügig) fünf Jahren ergibt eine Leseleistung von etwa einem Buch je 3 Tage. Neben dieser Leistung hatte Herr Ebel aber auch (wie wir Otto Normalverbraucher) einiges an vegetativen und sonst lebenserhaltenden Funktionen zu bewältigen.
Vor Jahrzehnten waren Kurse für "Schneller Lesen" geschätzt.
Ich hätte sie nicht belächeln sollen ...

Weihnachten aussitzen. Wie man eine StreetParade aussitzt, Black Fridays oder das primitive Neujahrsgeknalle

im Lauf der Nächte, im Plätschern der Tage stehe ich gelegentlich vor dem Problem: Was soll ich lesen? Dann wandle ich vor meinen Bücherbrettern auf & ab und registriere nur: Das alles ist doch nur noch Literaturtand.
Soll ich etwa Peter Härtling, Grass oder? Soll ich blättern in Bosch (die Größe der Ausgabe zwingt doch zu einer ungesunden Lesehaltung auf dem Futon)
Reiz & Kick böten die Borde mit Lyrik. Da sehe ich gerade "Das Wasserzeichen der Poesie" – ja, der Herausgeber Andreas Thalmayr (alias A. T. alias H. M. Enzensberger) ist doch eben 90 geworden – aber vielleicht nehme ich doch einen weniger schillernden Exoten ...?
oder dann doch wieder ein Besuch in der Hochschulbibliothek, und dort ein Diogenes-Buch, das ja nach eigener Verlagswerbung weniger langweilig sein soll als die Titel von der Konkurrenz ... bah!, dieser Ennui, dieser herbstelnde Blues

"Es ist die reine Lust und eine permanente Überraschung, Simon Werles Baudelaire zu lesen." Behauptet Jürg Altwegg in der FAZ. Ich weiß nicht. Bleibe doch lieber beim O-Text des "Spleen de Paris". Enivrez-vous habe ich schließlich eh lieber auf Französisch befolgt. Wie Sieur Charles mir, dem Halbwüchsigen, eintrichterte: Il faut être toujours ivre. Tout est là ...

...wir aus der namenlosen Masse schauen offenen Mundes zu denen Hochgestellten in den Feuilletonspalten, zu den Literaten der Nobel- und Börne-Preise, zu den Künstlern des Plastikkitschs, die von auserwählten Museumsvormunden geölt & gesalbt werden, zu Architekten, die für ihre Entwürfe das Jahresbudget einer Kleinstadt in die Tasche stecken.
Mit Letzteren meine ich z. B. Herzog & de Meuron. Die sollen heuer das Museum der Moderne im Berliner Kulturforum bauen. Zu dieser Faktizität vermerkt die Süddeutsche Zeitung: "Nicht das Museum selbst ist das Problem. Sondern die Kombination aus maßloser Größe und Ideenmangel, die aus dem Entwurf der Architekten Herzog & de Meuron spricht. 'Scheune' nennt man das Gebäude gerne, weil es auf den Bildern so schlicht aussieht. Doch das täuscht: Gebaut wird ein unzeitgemäß prunkvoller Kunsttempel, der weder heutigen Anforderungen an Nachhaltigkeit genügt, noch die Stadt um konzeptuelle Impulse bereichert. Was ist ein Museum? Was ist Kunst? Für was stand die Moderne? Das sind Fragen, die diesen Bau nicht beschäftigen."

Italia, bella.
Fascismo, Belcanto, Inganno.
Im Antico Caffè di Marte, das gleich gegenüber der Engelsburg liegt (via del Banco di Santo Spirito 7), zahlten zwei Japanerinnen für zwei Teller Spaghetti 429,80 Euro
(nach der Süddeutschen Zeitung)

Unsteter, führt dein Weg mal wieder über Basel, stolperst du wohl (oder übel) über das Hauptorgan dieser Stadt. Dieses Journal, das du nun liest, hat für seine Basler Leserschaft am 28. Oktober 2019 auf seiner Frontseite die global wichtigsten Nachrichten der Welt versammelt: Ein Tennisspieler holt sich einen Titel (Foto dazu verbraucht zwei Drittel der Frontpage), ein Fußballklub gibt irgendwelche Titel ab, die Stadt Basel taumelt im Rausch einer Verkaufsmesse, und dann (etwas sittsam) auch die Meldung unten: "Neuwagen verschlechtern Klimabilanz weiter".
Weitergeblättert in dieser "Basler Zeitung":
Auf Seite 17, unter dem Titel "Perlen aus dem Archiv", wird eine Affinität des heutigen Basler Blattes zur seinerzeitigen "National-Zeitung" suggeriert, einer Zeitung mit Haltung und Charakter in den schummrigen Zeiten des "Zivilen Verteidigungsbüchleins": Abgedruckt wird in Faksimile eine Seite der National-Zeitung vom 28. Oktober 1962: Die Spiegel-Affäre dominiert, der Touring-Club der Schweiz verkündet "Wir müssen Autobahnen bauen" und Prinzessin Margaret verzichtet auf die Heirat mit Townsend, "macht klar, dass sie Townsend liebt, ihn jedoch für Kirche und Empire aufgibt".

ich habe fix andere Reisewünsche.
Wenn republik.ch mir, wie in den letzten Tagen, Werbung für Israeltourismus schickt, betrachte ich mein Abo bald als obsolet

Sibylle Lewitscharoff, mehr von ihrem Verlag als von Lesern getätschelte Literatin, hat ein neues Buch geschrieben: "Von oben", erschienen im Suhrkamp Verlag. Das Feuilleton der Frankfurter Allgemeine Zeitung vermerkt dazu: "Leider muss man sagen, dass dieses Buch mit seinen postumen Dampfplaudereien einem geistigen Gurkensalat gleicht. Eine Fusselbürste für Ideen wäre hilfreich gewesen."

Er nannte sich Bewohner des Elfenbeinturms. Von dort herab beschimpfte er sein Publikum und verbrüderte sich mit den widerwärtigsten Verbrechern Europas seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Opfer der Balkanschlachten verhöhnte er. Die Kriegsverbrecher Karadžić und Milošević verehrte und heroisierte er in unzähligen Reden und Schriften. Er ist von seinem Elfenbeinturm herab niederträchtig, faschistoid und menschenverachtend. Für all das beklatschte ihn die Schwedische Akademie und gab ihm ein paar Millionen Kronen mit der Plakette vom Nobelpreis. Der Barde Handke und Stockholm – es gibt tatsächlich zu denken. Und aus der Züricher WOZ erfahre ich:
"Ein Jammer nur, dass diese Auszeichnung längst nichts mehr wert ist. Sagte der Preisträger selber, schon vor zwölf Jahren: 'Spass beiseite, ich glaube, dass der Nobelpreis, zumindest der für Literatur, schon seit längerem nichts mehr zählt. Man sollte das Geld wieder der Nobel-Stiftung geben und damit Waffen herstellen, wie es ursprünglich war.'"

hier sitze ich, ich kann den stahlgrauen Himmel nicht, dafür das TAM lesen und finde den Astrophysiker Ben Moore dort lesenswerter als das neue DU-Heft über Simenon

egal welches Feuilleton geöffnet, in diesen Tagen werde ich von einem rot gekleideten Clown angeworfen. Das ist nervend, das ist sicher mal Grund genug, den Film "Joker" an mir vorübergehen zu lassen. (Eine Antwort auf die flammenden Fragen meines Lebens wird er eh nicht liefern.) – Überhaupt, wann war ich denn zuletzt in einem Lichtspieltheater? Zwischen den Gläsern dieses heutigen Abends fällt mir da als letzter Besuch nur Le destin d'Amélie ein, eine nette Pusteblume französischen Esprits der gelösten Art. Irgendwann 2001 in einem Wiener Multiplex, nachmittags ganz allein im Riesensaal

Bekanntschaft gemacht mit dem Violoncello da spalla. Leicht nervig. Ein Cello über die Schultern gehängt, recht basslastig, hie und da krächzend. Und mir schien, Sergey Malov, der Spieler, würde hie und da – aber was soll das Lästern ... Bachs Cellosuiten, nur schon mit Casals oder Fournier, sollten mir ja reichen, wozu noch die Suiten durch ein Cello von den Schultern hängend. Und diese in Kirchen veranstalteten Konzerte sind eh immer unerquicklich, gehen mir mit ihrer unvollkommenen Akustik auf die Nerven

Was ist bierig? Bierig ist zum Beispiel die Musik in einem Wiesn-Zelt namens "Bratwurst" mit nur 800 Holzbankplätzen, Trompete, Harmonika, Kontrabass und – falls noch hörbar – für zartere Säufer auch Harfe

"Große Kunst und kleiner Zufall"
titelt die Gesellschaftskolumnistin der Welt am Sonntag Doris Banuscher ("Telefon 040-347 27888") um "Art & Dinner mit 104 Bildern und 240 Gästen in den Deichtorhallen" auf der Klatschseite HAMBURG vorzustellen. Auf der Zeitungsseite im Weltformat drängen sich Ärztinnen und Sammler und Galeristen und Banker auf Fotos und allesamt blicken sie provozierend lächelnd ins Kameraobjektiv. Besonders gut gefiel mir das Foto der Prinzessin zu Schleswig-Holstein, hier Künstlerin Ingeborg genannt (zusammen mit Deichtorhallen-Intendant Dirk Luckow) – Die Deichtorhallen gibt es just seit dem Tag des Mauerfalls (ein Zufall), also seit 30 Jahren, und die Ausstellung, um die es hier geht, heisst: "Baselitz – Richter – Polke – Kiefer – die jungen Jahre der Alten Meister"

In meinen Mailboxen erweist mir seit gut einem Jahr ein KissNoFrog-Team die Ehre mit der immer gleichen Botschaft "kerstin 025699 und pfanne-kuchen wollen Sie kennenlernen".
"Kiss no Frog", na ja, eine recht abgeleierte Losung.
Die dazugehörige Crew muss aber auch ein beachtenswert tumbes Team sein, wenn ihr durch all die Monate immer nur eine Kerstin und immer nur ein Pfannkuchen als nach Partnern schmachtende Frauen(avatare) einfallen ...

"... So geht das nächtelang. Und spätestens am frühen Morgen, wenn alle gegangen sind und Ernesto gemeinsam mit dem drusischen Barkeeper die Aschenbecher leert, wird klar: Dieser Ort hat eine Seele. Er ist das Vermächtnis eines Idealisten und erzählt mehr über die Größe, die Tragik und das Scheitern der Menschheitsutopien als jedes Buch. Er ist sozusagen die kleine Bar am Ende der Geschichte."
"In der revolutionärsten Bar der Welt" von Daniel Böhm,
Artikel in "Die Welt Kompakt", 21. August 2019
(solche Reportagen wünscht ich mal in republik.ch zu lesen ...)

Die Decke 9h40 zurückgeworfen, dann kalt geduscht.
Das war schonungslos, das war für einmal radikal.
Wegen des Regens dann Ölzeug überworfen und um 14h am Gleis 11 im Hbf gestanden.
Da, von da an wurde es ein gähnend authentischer Banaltag.
Losgelabert wurde im offenen Zugabteil. Mental ganz wie im "Loslabern" von Rainald Goetz: "Diese Öffnungen riechen bei Fremden so fremd, dass man sich davon weit fort gestoßen fühlt, oft schon von sich selber. Könnte man in dieses Loch vielleicht paar weiße Spritzer von Odol rein schießen, oder das Loch mit Seifenlauge oder Ata sauber scheuern, dass es nicht mehr so eitergelblich riecht, weil mich das stört ..."
etc, etc, so richtig geSuhrkampt. Gähn.

da liest man nichtsahnend DIE ZEIT vom 1. August, also von gestern, und sieht sich plötzlich konfrontativ einer Unterwäschereklame gegenübergestellt, wo man sich dann grinsend fragt, ob es etwa beklagenswert sei, dass man als normaler Heti derart hodengewürzte Fotos nur erheiternd finden kann

Es regnet. Des tranigen Brahms' tranige Regenbogensonate (op 78) okkupiert das Ohr und das Hirn lässt los bei Seite 114 in Menasses Hauptstadt-Buch. Gib Gas. Gib Wein.

Pappsatt – titelte die SZ zu Silvia Lagnado. Sie kündigt den Job, sie hätte genug von Burgern mit Pommes.
Diese Nachricht ist für uns irgendwie überraschend. Schließlich hatte Frau Lagnado schon vor ihrem Chefposten bei McDonald's erschöpfend und dort widerspruchslos Erfahrung gesammelt im Malträtieren des menschlichen Körpers.
Zwar nicht mit Fastfood, dafür aber als Werberin für Unilevers "Real Beauty" von Dove. Generationen von Frauen & zugewandte Männer schmierten und schmieren Doves Salben in ihren Teint, in ihre Pelle – ohne zu merken, wie sie diese dadurch schinden.

Den Sozialismus madigmachen.
Die Süddeutsche Zeitung verhohnepipelt auf ihrer Frontseite die SPD.
Mir, wäre mir ein Panikmacher lieber?

ein Klumpen edelmännischen Feinmechmanufakts auf einem edelbepelzten Unterarm – die Chronomanufaktur Omega feiert mit Moonwatch auf George Clooneys Körperteil die amerikanische Mondlandung vor 50 Jahren.
Eine faszinierende Behaarung, fürwahr. (Anzeige in der FAZ, 19.7.2019)

Die Perversion des faschistischen Italien:
Salvini erklärt Flüchtlinge in Seenot als "hilfsunwürdig"

André Schmucki, der sanfte Maler von hartem Kitsch, ist tot, wird mir gemailt.
Das trifft mich jetzt relativ sehr. Vor drei, vier Wochen starb mein Jugend-Busenfreund György "Gyuri" Frater.
Das nagt seitdem. Und jetzt der André. Ich habe ihn eigentlich gern gehabt (trotz seiner illustrativen Kunst).

aus Bella Italia sind wir vorwiegend Sinistres gewöhnt, die gleichen Nachrichten wie aus dem ungarischen Orbanistan oder Kaczinskys Polen.
In der FAZ vom Donnerstag, 4. Juli, berichtet stra von einem "Treffen mit Claudio Magris. Im Caffè San Marco, in Triest." ... "Berlusconis Populismus sei aber stets ein ein fratzenhaft-lächerlicher gewesen, sagt Magris, der mit dem jetzigen, ernsthaft-gewalttätigen Populismus eines Matteo Salvini nichts mehr zu tun habe.
Als Magris den Namen des Innenministers ausspricht, springt am Nebentisch plötzlich ein junger Mann auf, der bislang in ein Schachspiel gegen sich selbst vertieft war. Mit gestrecktem rechtem Arm zeigt er den faschistischen Gruß und ruft 'Presidente Salvini!'
Kurz ist Magris von der offensichtlichen Provokation irritiert, dann hebt er langsam den angewinkelten rechten Arm und ballt die Faust zum solidarischen Rotfront-Gruß ..."

Zürich, Römerhof, Le Pain Quotidien: Hier einen schäbigen, verwässerten Aperol Spritz getrunken. Wenigstens war die Plörre selbst für Schweizer Verhältnisse hochpreisig – sprich: sauteuer.
Das Brot des Pain Quotidien – so die Fama – soll die gleichen Eigenschaften aufweisen

als Trump Donald den Krieg probte mit Iran, kaufte ich mir Calamares im Nordfisch (oder wie die Fresskette im Züricher Hauptbahnhof heisst)

"Ich scheiße auf Gott", sprach der spanische Schauspieler Toledo "und ich habe dann noch genug übrig, um auch auf das Dogma der Heiligkeit und Jungfräulichkeit der Jungfrau Maria zu scheißen."
Darauf wurde er von der spanischen Polizei verhaftet und erst nach 20 Stunden freigelassen.
Inzwischen tilgt das spanische Parlament den Blasphemieartikel aus der Verfassung.

der Iraker Abbas Khider stellt seine "laichte deutsche Sprache" vor. Um, wie behauptet, das Deutsche all den nach D drängenden Außereuropäern schmackhaft zu machen. Die Ideen zu seiner Simplifikation des Deutschen hat er bei Prof. Dr. Adalbert Baumann (1916) abgekupfert

Der Heimgang des Züricher LBQISTXY-Regenbogentages geschah dann im Grau von Thunder, Lightning and in Rain. Die Stadt rieb sich Hände und Ohren, das queere Hurlyburly so elegant enden zu sehen.
Zwei Tage vorher bereits, bei den die Arbeit niederlegenden und die Stimme grausam und mitleidlos weit über die Schmerzgrenze hebenden Feministinnen, in ihrem gegenüber den Zürcher BewohnerInnen rücksichtslosen Gekreisch und Gegröle, hofften wir auf einen reinigenden Sturm. Dort umsonst.
Dafür habe ich dann deren Slogan usurpiert

wie wir gelesen haben (NZZ, 13.6.19), verweist Kent Nagano in der Antwort auf des Fragers (Felix Michel) Frage, warum Teile von Ives' 4. Sinfonie auf uns "so stark und beredt" wirken, nicht auf die "universelle oder gar metaphysische Kraft von Musik", sondern auf die europäischen Wurzeln von Ives' Komposition.
Das mag sein. Trotzdem möchte ich Ives' 4. Sinfonie freiwillig nicht noch einmal durchstehen.
Zur Platzierung: Mein geschenkter 20fr-Sitz (für "Studenten") auf der Empore, hinten in der dritten Reihe, war zu meiner Überraschung in der Akustik durchaus akzeptabel. Außer dass Patricia Petibons Stimme manchmal nicht bis zu meinen Ohren reichte. Dies kann aber an meinem vielleicht nicht mehr ganz hasenreinen Hörvermögen liegen ...
Auf dem Weg hinaus aus dem Maag-Land bin ich voll in den Frauenstreik geraten. Der Höllenlärm, der Krach, das Littering. Verglichen mit dem kultivierten Klimastreik (in den ich auch geraten) – mir stieg ein Ekel
Na, jetzt noch ein Glas Champagner, dann Gute Nacht

Kultur sehe ich gern auf den Brettern. Sie soll aber – so sagt man – sich auch ins Fernsehen verirren.

"Sehr schön ist das. Man wird sehr still."
Mit diesen Worten schließt elk seine Kritik einer Holliger-CD in der "Welt am Sonntag"

Gedrückte Stimmung. Das Cuarteto Casals, das hippe, in der zürcherischen Tonhalle Maag. Wer nur hat hier einen lausigen Tag. Weder Bartóks erstes Streichquartett noch Beethovens opus 131 schwingen sich empor. Vollbracht ist eine gewisse Grautönung. Und in einer der Maag-Hallen, in diesen düsteren Hallen, sehe ich noch beim Hinausgehen Vera Martinez, die erste Geige, wartend herumstehen. Verloren auf CDs zum Signieren warten.

zu Republik.ch, die ich als Abonnent jeden Tag im Postfach vorfinde, aber kaum einmal – da Bildschirmtext – lese, darf Feridun Zaimoglus Podcast bemüht werden: "Über Lesen: Nur auf Papier lesen! Das andere (digital) ist ekelhaft!"

Zum Skandal um Pestizide & Krebstote im Bordeaux: Gegen Ende des begrabenen Jahrhunderts hat sich mein Konsum auf Bordeauxweine kapriziert. Plötzlich trank ich unbescheiden nur die prominentesten, und anschaffen ging ich nur mit dem Kleinen Johnson in der Hand

da sass er im Ohrensessel im unverwelklichen Alter von neunundsiebzig Jahren und schaute unverwandt den Neumond an

Die Preußische Akademie der Künste fordert 1937 Max Pechstein auf, auszutreten. Pechstein antwortet mit einem Brief, in dem er erklärt, dass er "nachgewiesenermaßen Vollarier" ist, dass sein Sohn SA-Mann und er selbst seit 1934 Mitglied der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt und des Nationalsozialistischen Luftsportverbands ist. (Ausstellung "Künstler der Brücke im Nationalsozialismus", Brücke-Museum, Dahlem)

Marcel Duchamp hat über einen Witz derart lachen müssen, dass er sich ins Bad retten musste, dort dann aber tot umfiel. In der Wohnung waren seine Frau Teeny und sein Freund Man Ray anwesend. Einer der beiden muss Duchamp den tödlichen Witz verabreicht haben. (Frei nach der Süddeutschen Zeitung)

Lesenswert ist das Magazin des Züricher Tagesanzeigers vor allem wegen der Beiträge des Astrophysikers Ben Moore. Leider muss er seinen Seitenplatz alternierend mit einem Pfarrer teilen. Ausgerechnet.

Notre-Dame en feu. Die Tränen, seelenvoll & trivial kamen sie mir (sans blague!) Schließlich war in meinem Heranwachsen mit Rimbaud in den Nächten, in der Jackentasche mit einem zerfledderten Baudelaire für den Gebrauch in der Schenke, stets auch dieser Victor-Hugo-Schinken (mit nur ein paar gelesenen Zeilen) Teil meiner Admiration für alles aus dem französischen Kulturpott. Und, war ich dort, der zwanghafte Blick jeden Morgen vom Place St-Michel auf die Türme des Koloss

"Die Welt" aus Hamburg gehört nicht zu meiner gewohnheitsmäßigen Tageslektüre. Nur ein Zufall ließ mich heut im ICE nach ihr greifen. Gewohnheitsgemäß schlug ich darin das Feuilleton auf und stolperte gleich über das sattsam bekannte Gesicht des Pianisten Lang Lang, mehr noch aber über den Titel des dazugehörigen Artikels:
"So ölig, dass man Fahrradketten damit schmieren könnte"
Ich nahm mir vor, Elmar Krekeler, den Autor dieser Lang-Lang-Kritik, zu liken und künftig häufiger zu lesen. Die Welt hin, Die Welt her.

Les Riches s´amusent
An in Zürich. Auf meinem Weg vom Hauptbahnhof hügelan hinauf die Innenstadt gequert. Als wäre Karneval oder Fasnacht standen überall Figuren biedermeierträchtig mir im Weg, merkwürdig verhockt, gesittet stier. Sotto voce unterhielt sich die Kostümierung. Als ein feister Kopf jäh ein Hahaha aufbrüllte, riss ich erschrocken den Kopf in seine Richtung.
Sechs-Uhr-Läuten nennt dies ihr Fest die Züricher Oberschicht.
Es war schon über sieben. Deshalb wohl wirkte so apathisch die Statisterie.

Voyageur, kommst du trotz Brexit nach England, nimm Windeln mit.
In Cornwall sind laut SZ von 247 Bedürfnisanstalten noch 14 in Betrieb

Glyphosat und Krebs? Die Süddeutsche Zeitung bringt es mit einem Foto des pharisäerhaft wirkenden Bayer-Chef auf der Frontseite auf den Punkt. Und fährt fort: "Bayer, der Konzern, der die Menschen mit Glyphosat krank macht und ihnen dann die Medikamente für die Therapie verkauft? So sehen das die Kritiker."

Das war zweifelsohne Adonai, der große Manitu der Juden.
Eben dachte ich an eine triviale, fettarme Lektüre zum Fünfuhrapéro, da fiel mein Blick auf ein Filmplakat: "Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse" stand da bunt, darunter: "nach dem Buch von Thomas Meyer". Genau das, dachte ich, das wäre doch die richtige Sättigungsbeilage zum Nachmittagsalkohol, und – wie geheimnisvoll sind doch die Winke des Allmächtigen! – nebenan war die Bibliothek, ich brauchte also diesen verfilmten Bestseller nur aus dem Regal zu ziehen.
Kurz: Das Buch lebt aus der massigen, massenweisen Verwendung von jiddischen Wörtern und Ausdrücken, der unschuldige Goj als Leser darf bei jedem (jedem!) Satz zu dem hinten im Buch angehängten Jiddisch-Deutschen Glossar blättern. Das Lesen, wie man ein Buch liest, darf man dabei natürlich vergessen. Auch der ziemlich schmalbrüstige Plot lebt nur von der Bloßstellung, der Verspottung der spießigen, modrigen jüdischen Welt in Zürich-Wiedikon. Ersetzt man all die jiddischen Wörter durch hochdeutsche bleibt ein sehr, sehr dünnes Textsüppchen zurück.
Mir fiel ein anderer Züricher Schriftsteller ein: André Kaminski. Auch er hat aus seiner jüdischen Familiensaga ein Buch gemacht ("Mein Onkel Henner Rosenbach war erstens ein Psychopath ..."), war manchmal verbissen und verkrampft süffig, kam aber ohne kauderwelschende Pseudooriginalität aus

"...flügeln einer dieser klassischen Pogos
mit Kettenmädel anverschraubte Wange
wamsloses Sprachmetall nagelte drauf
zu hoch bereits und Sonnennäschen
ansprach ich mittig durch die Dezibel-
strahlung ..."
Bastelst du ein derart fürchterliches Gedicht, meldet sich sicher die fürchterliche Ulla Unseld-Berkéwicz und macht dich zum Suhrkamp-Autor (Guy Helminger: Etwas fehlt immer)

ene, mene googleguh, und raus bist du.
Nur was googlebar ist, ist.
Nichtgooglebarkeit – welch ein Fluch!

Wenn mich des hellen Tags die WeltKompakt aus Hamburg mit einem Smiley anbläst und sanft mahnt:
"Verzetteln Sie sich nicht bei Forschungsarbeiten an Ihrer Seele. Aus Ihrem Innersten sprießt Beachtenswertes heraus."
Dann, ja dann, dann was? Soll ich dem 1-Euro-Springerblatt aus Hamburg glauben?

eine alte Kulturtechnik ist, mit Worten & Taten voll und kräftig und lautstark aufzutreten.
Nach so geartetem Spiel, da wünschte ich, Bibers Rosenkranzsonaten einmal von Isabelle Faust gespielt zu hören

Diese Hetze, diese Hast. Mal hier ein Futon, mal dort ein Hotelbett, und kein Musenkuss, nirgends.
Dann, aus Unzeit, ein heiter stürzendes Blatt. Grissini und Wein und mäßige Herzfrequenz

Bruno Ganz 2.
Der wärmste, der kongenialste Nachruf unter den vielen ist von Robert Hunger-Bühler (NZZ, 19.2.2019)

Bruno Ganz ist tot.
Weitgehend unbeachtet in den Nachrufen bleibt Ganz' Liebe zur Kammermusik. In Konzerten sah ich ihn oft in der gleichen Reihe sitzen

beim Lesen der NZZ die Lektüre irritiert gestoppt:
"hinterfotzig" stand da gedruckt, mitten in einem Artikel von Daniele Muscionico. Derart vulgär, derart grob war ich ihre Schreibweise bis jetzt nicht gewohnt (vielleicht war sie in letzter Zeit zu oft in einem Appenzeller Dorf auf Besuch)

leichte Gänsehaut. Ich fröstle leicht. Nehme einen Schluck Tee und lese Stephen Greenblatt in der NZZ: "Wenn man an Putin, Duterte, Erdogan und Orbán denkt, an die Regime in Brasilien und Polen, dann wird einem klar, dass ein kalter Wind weht."

Kitsch as Kitsch can:
Das Bild des Dichters als schmalziges Konstrukt in der FAZ (29.1.2019)
"Ja, so sehen Dichter aus: eine hohe, von Gram und Skepsis zerfurchte Stirn unter einem wild wuchernden, wie entsetzt zu Berge stehenden Haarschopf, prüfende Blicke unter buschigen Brauen, von Schweigen, Grimm und leisem Weltekel herabgezogene Mundwinkel über einem männlich markanten Kinn ..."

Das Fernsehen ist ein Bildungsmedium. Das ist mal, zugegeben, ein gewagtes Axiom. Denn nicht nur die private, auch die öffentliche Glotze begreifen sich vorerst als Unterhaltungsmedium. Und in dieser Eigenheit liefert das TV denn auch vielerlei Busch und Dschungel ins Haus, mit dazugehörenden Dschungelköniginnen. Eines dieser bildschirmgekrönten Häupter ist Frau Evelyn Burdecki (mit Fach-Abitur). Ein Boulevardblatt, in Symbiose mit der Bildungsglotze lebend, stellte Königin Burdecki ein paar Fragen:
Wie heißt die Hauptstadt von Spanien?
Burdecki: Barcelona?
Wie heißt der amtierende deutsche Bundespräsident?
Burdecki: Angela Merkel.
Was wird in Volt gemessen?
Burdecki: Kubikzentimeter.
Wer hat "Faust" geschrieben?
Burdecki: Faust? Mit der Faust kann man doch gar nicht schreiben?

In Deutschland tobt das Genderwetter.
Ein Krieg des Gendersterns. Auch Asterisk genannt.
Ein Stern, eingezwängt zwischen -er und -in.
Also bitte: Facebucher*in.
Und keiner hört hin?
Pfui Deibel! sag das nicht!
Keiner ist doch maskulin!
Niemand! heisst das nun, gegendert richtig.
Da sprach selbst der Duden alsogleich und druckte ein Buch namens: "Gegendert richtig"

es ist nicht weiter verwunderlich, dass man mit einer gewissen Eitelkeit (wer würfe den ersten Stein!) auch auf Erwähnungen seines Namens abonniert ist:
Kaum habe ich Maître Lévy kurz genannt, schon wurde meine Website aus Roubaix besucht ...

Bernard-Henri Lévy ist der größte lebende Philosoph Frankreichs – zumindest hält er sich für diesen. Uneitel, na, vielleicht doch etwas kokett, betritt er die Bühne des Denkerareopags stets mit bis zum Bauchnabel offenen weißen Hemd. Monsieur Lévy ist aber auch Theaterautor, wenn auch in dieser Eigenschaft weniger ergebnisreich. Das ist schade, denn sein Stück "Hotel Europa" und sein neues Stück "Auf der Suche nach Europa" sind beste Agitprop für den Aufbau eines vereinigten Europa.
Überhaupt: meiner schlichten Meinung nach vertritt Lévy Prämissen, die – von der Kritik an den Gilets Jaunes bis zur Titelung Orbáns als Diktator – jeder "engagierte" Intellektuelle sänftiglich verinnerlichen sollte ...

Düstertal. Im Dunkel auf der Bergflanke erleuchtet ein Fenster.
Ich denke an Inger Christensens "Schmetterlingstal".
Plötzlich lischt das Licht.
Christensen ist eigentlich früh gestorben, denke ich.

Die Menschheit, die infantlle, ist wieder einmal scharf auf Grölen und Böllern und Vomieren (31.12)

während die halbe Welt – ja, die halbe: nun motzen nämlich auch schon die Amerikaner, ausgerechnet Trumps Amis! – Claas Relotius ächtet und stigmatisiert, betrachte ich, halte ich den Mann für einen Robin Hood des Schreibens, für einen Traumtänzer der Worte, der auf unsere Infantilgesellschaft Kacka macht. Durchaus sympathisch, finde ich

Nun ja, ich bin kein Grüner und auch kein Schwabe und schon gar kein Fan von Boris Palmer. Hier aber muss ich ihm (nach etlichen Jahren Berlin) beipflichten: Wanderer, kommst du nach Berlin, Vorsicht! du verlässt den funktionierenden Teil Deutschlands

Winistörfers Bodega Española in Zürich: Die scheußlichsten Calamares ever. Soeben gegessen.

Open Mike, das ist mal nach dem Willen der Veranstalter ein pausenloses Mikrofongetacker von zarter bis eher unzarter Poesie, hinein in den Bierdunst einer vorzugsweise Neuköllner Kneipe. Die 26. Wiederholung dieses TroubadourInnenstreits fand denn auch wie es sich gehört im Neuköllner "Heimathafen", in dessen heiliger Halle an der Karl-Marx-Straße, statt.
In den Texten dominierte der Trend. Der Trend, das ist der Einblick in den Morgen gültigen Gedichttext, dies dürfen wir nach dem Besuch der Halle an der Karl-Marx-Straße unverblümt festhalten.
Zu diesem dichterischen Wettstreit vermerkt die SZ heute spitz: "... dass in den Texten der Finalisten in diesem Jahr erstaunlich oft geblutet wurde, nämlich sage und schreibe 26 Mal ... Schlecht gebackene Fritten wurden ganze sieben Mal verkostet, Bier allerdings nur fünf Mal getrunken, was auf eine gewisse Nüchternheit der Texte verweist. Sechzehn Mal geschieht irgendwas 'irgendwie' und immerhin dreimal wollen die Protagonisten endlich 'mal rauskommen'. Meistens gelingt das aber weder den Figuren noch den Texten."
Das Preisgeld des Wettdichtens war 7500 Euro.
Da fällt mir ein: Das Züricher DADA-Haus ist pleite.

Mein Platz wird von unzähligen Servern wireless bestrahlt. Die emittierenden Server haben kryptische bis drollige Namen wie MartinRouterKing oder OfficeTV oder Mossad oder WGDiTre oder nbt555.
Einer nennt sein Gerät GesundSchoenBewusst-2GHz.
Dies erinnert irgendwie an Mussolinis Futurismo-Fascismo.
Gleich, denkt man, erklingt auch noch "Cara al Sol"

weich und feucht wie eine Auster war das Mädchen im Nachttraum. Doch selbst nach längerem Kosen regte sich die Esslust nicht.

zart sprießendes Unkraut im Riss des Traminselbetons (Bornholmer Straße). Im Ohr wirbelt der nackte gewalttätige Krakeel nach. Nicht lokalisierbares Kleinasiatisch

in der Schweiz wollen Rechte und Ultrarechte und all die zugewandten Faschisten per Volksabstimmung die Menschenrechte schlachten. Und was tun all die Bioblumenkinder und Vollkorneiferer gleichzeitig? Sie quasseln und quatschen und palavern über das Horn der Kuh

Die tägliche Entfremdung: Der Blick in den Spiegel

"Das Wandern ist des Kaufmanns Lust / Das Wandern! / Das muss ein schlechter Kaufmann sein / Dem niemals fiel das Wandern ein / Das Waa-han-dern."
(frei nach dem Poeten Wilhelm Müller, in Töne gesetzt von seinem Freund dem Schubert Franz unter dem Titel "Die schöne Müllerin")
Man wird uns nun schelten, dass wir uns derart ausführlich einer Lappalie widmen:
dem belanglosen Herumstreichen des Herbert Kaufmann auf einer Wiese im Gebirge.
Das ist untief gedacht.
Wir konzentrieren uns in diesem Porträtfoto vor allem auf den Sinngehalt:
Da ist etwa das trendige Outfit Kaufmanns. Wie aus dem hippen Trecking-Katalog! Nur schon seine Wanderhaube (neidvoll erbleichte ich beim Anblick!) Und die prickelnde Szenerie! Nicht die Armbrust ist die Kulisse, schon gar kein Weißes Kreuz beherrscht des Wanderseligen Hintergrund, keine Finte, kein Fake à la Trump – das Matterhorn ist es, vornehm und würdevoll. Kein Wilhelm Müller hätte es besser knipsen können als Kaufmanns Sohn.
Wahrlich eine olympische Allegorie, dieses Foto

Er höre den ganzen Tag Vogelstimmen-CDs, sagte der alte Mann. Das sei das Beste gegen Einsamkeit

jedes Mal erstaunt wie leichtherzig Daniele Muscionico das Herzstück eines Stücks hinkriegt: "... er ist nur Stimme. Er fährt mit ihr wie mit einer Faust in den Himmel, dann wieder ist sie rein wie ein Bergbach, der in einem steinigen Bett die Konsonanten an Kiesel reibt." Theaterkritik, NZZ 17.9.2018

in Zürich, am Hottinger Platz, da gibt es einen Buchladen. Diese Handlung mit Büchern strahlt derart keimfrei, in gleißend unschuldiger Impotenz, dass ich im Vorübergehen stets die Ladentür daneben zum Discounter nutze, um mich dort mit einer Flasche Wein zu beflecken

Jan Wagner, altmodisch sanfter, behutsam langweilender Poet, hat gesagt:
"Jedes seiner Barthaare war Sensor für das Wunderbare". Mit dieser schönen Sentenz titelte er einen in der FAZ erschienenen Nachruf auf einen anderen Poeten: den Iren Matthew Sweeney. Sweeney war dem Nachrufenden offensichtlich angenehm; er zitiert ihn: "Niemand weiß, wohin ich gehe, / nicht einmal ich."
Wenn Jan Wagner dies toll findet – wer sollte ihm da reinreden?

liebe U, zu deinem Rekord muss ich doch noch warmherzigst gratulieren:
Noch niemand (und vor allem keine Frau) hat mich je zur Zahlung von 42 CHF für einen Wischiwaschikantinenteller verleiten können.
Wir neigen das Haupt vor deiner Zaubermacht und geloben, in Zukunft das Zunfthaus Grünes Glas an der Züricher Unteren Zäune zu meiden

ach, Ottilia, QiGong-Verpinslerin! – Im Flanieren mit dem ICE, im Speisewagen über Stuttgart, wurde mir jäh bewusst, wie intensiv schwäbische Maultaschen strahlen, einzigartige Figuren & ausgeprägte Formen sowie eine seltene Lebendigkeit im Mund des Betrachters aufweisen.
Erst nach dem Transitieren des CH-Grenzwalls, gegen das Schaffhausische hin, erreichte mich dann die Nachricht, dass sich Dieter Thomas Heck in die Ewigen Hitparaden abgemeldet – fast gleichzeitig sah ich aber auch Ottilia Deflorins Verkaufsanzeige zur Kundmachung der eigenen Kunstproduktion auf der NZZ-Seite.
Eine bunte Zeitung.

das Sommertief ist so eine Sache. Während man versucht, sich mit Frizzante hinüberzuretten, wartet dort bereits ein Hoch. Nun steh ich rum in der Hitze, und das Glas ist leer als wie ich zuvor. Rühr.

ungewollt, quasi erzwungen durch die Kanaille der Street Parade, durch die ganze Züricher Innenstadt

weh mir, wenn des Abends Knoblauchwürste aus den Fenstern hängend den Weg werden weisen

In der Schweiz ist ein Flugzeug abgestürzt. Das Flugzeug war betagt und schwach.
Mit Siechtum, auch verborgenem, ist es nun mal so eine Bruderschaft. Mit dem Alter da ist man definitiv in schlechter Gesellschaft

fast schon apathisch-achselzuckend nehmen wir zur Kenntnis, wenn irgendein arabischer Staat zur Ermordung eines ihrer Literaten aufruft. Aus dieser im Nahost landläufigen Brutalität ist Israel nicht ausgenommen, im Gegenteil: Wegen eines Gedichts hat ein israelisches Gericht soeben die palästinensische Dichterin Dareen Tatour zu fünf Monaten Gefängnis verurteilt

Wenn die Hitze die Minuten streckt, die Zeit ausdehnt und faunische Muße in fleischlichen Bizarrerien schwelgt – dann stößt man den Stuhl zurück, geht zum Eisschrank und holt, anarchisch halbnackt und in Pantoffeln wahrscheinlich, den nächsten kühlen Lambrusco. Kümmerliche Reminiszenz dies an die einstige l´heure verte des fin-de-siècle – roter Sprudel anstelle der grünen Fee.
Dann wartet man bis dieser Sauser mit ihrer anmutigen Säure sanft die Leber umfließt

mein Pläsier am Verspotten des amerikanischen Präsidenten könnte verstärkt sein durch ein paar Gläser Sprudel aus Valdobbiamente

Vom Wiener FPÖ-Fascho Johann Gudenus stammt die linguistische Neuprägung "stichhaltige Gerüchte". Gudenus' Sinnspruch hat bei mir das ausgelöst, was sprachlich arbeitsscheue Surfer LOL nennen: Ich lachte auf.

100% JESUS – leuchtete die Schrift am Heckfenster eines verboten abgestellten PKWs.
Vom Hauptbahnhof kommend querte ich eben den zürcherischen Centralplatz, halb versunken in meinen wie immer hellen Eingebungen, diesmal im Nachdenken über die Avocado, das Superfood der Veganer, das anscheinend tausend Liter Wasser zum Reifen von drei Stück verbraucht (fünfmal mehr als Tomaten).
Da grätschte Jesus hinein.
Und ließ mich nicht mehr fahren. Denn später am Predigerplatz, unter den Platanen, am Tisch des Inders las ich in der Zeitung: "Jesus kommt zurück! Doch vor seiner Ankunft zerfällt unsere heutige Zivilisation und mündet in das Friedensreich! Das verkündet der Prophet Jakob Lorber! Kostenloses Buch unverbindlich anfordern bei ..."
Ein Discounter weiter vorn verkaufte Schaumwein 20 Prozent billiger an dem Tag

Der Werkkatalog über jahrelanges künstlerisches Schaffen türmte sich in unschuldigem Weiß. In seiner Bewegung, mit der er nach einem Buch im Stapel griff, war unangebrachte, überraschende Gewalt. Nicht die gierige Wucht, mit der Menschen sich etwas aneignen wollen – sein Griff zeigte nur eine wohl dem ganzen Menschen innewohnende Krudität. Während sein ganzer Körper Uninteressiertheit bekundete, bog er die Buchdeckel zurück, stülpte das Innere nach außen und schnellte die Seiten durch als wäre es ein Daumenkino. Seine Verweilzeit pro Seite war dabei um Sekundenbruchteile.
In mir revoltierte die bibliophile Passion. Achmed heisst er, sagte die Schauspielerin neben mir. Malt auch.

um mich nicht schon zum Tagesanfang zu disqualifizieren, stelle ich mich dem Spiegel jeweils als weißer, moderat betagter Zeitungsleser vor, der zum Lesen, später am Tag, gern an einem Glas nippt. Ein Auslaufmodell dieser Mann, so oder so, ich bestreite es nicht. Wippt zwischen Sentimentalität (Spiderman von Paris) und Empörung (Matteo Salvini z.B.).
Das Glas und die Gestimmtheit haben zweifelsohne eine funktionelle Wechselbeziehung: Mit Schnaps (Grappa, Cognac) würde ich wohl wegschmelzend die Welt umarmen – ich trinke aber Wein, und mit Tischwein reicht die Wallung nur für plebejische Billetdoux an die Adresse lokaler Kulturbeamten. Mit Schaumwein wären es vielleicht kantigere Zärtlichkeiten

das erste Wort, das nach dem Schluck Champagner mir in den Sinn kam, war: Gänseblümchen. Danach: Bauch, dann: baktrisch. Darnach nahmen die Wörter Fahrt auf, wurden vage und maulig wie Mundharmonikas, sie stauten sich

Sein Tod ist bereits Schnee von vorgestern. Heute, Donnerstag Abend, sind es zwei Tage her. In Philip Roth' Gesicht wähnte ich immer etwas Distinguiert-Blaublütiges zu finden und wunderte mich stets, wie er ein ganzes Buch durch vögeln und masturbieren konnte (Portnoys Beschwerden – lang ists her). Später fand ich seine Definition von Gott unübertrefflich treffend: "Vereinigung eines perversen Arschlochs mit einem bösartigen Genie" (Nemesis)

ich frühstücke. Streiche irische Butter aufs Baguette, lege Jamón serrano darauf. Die Zeitung daneben, ich lese: "... von den Folterungen in ihrem Land, es gebe über 75 Keller in den Provinzen, in denen Männer und Frauen gequält und getötet würden, oder verschleppt und wie Tiere eingesperrt. Die Vergewaltigungen, die Folterungen, die Morde, das alles ..." Ich nehme einen Schluck Ostfriesen. Ich blättere um

"... und schließlich gab es eine große Nähe zwischen Beuys und seinem Schwiegervater Hermann Wurmbach, der nicht nur Zoologe war, sondern auch Vertreter der NS-Rassenlehre, NSDAP-Mitglied und Funktionär der Partei ... Dann kommt Karl Ströher hinzu, Beuys' wichtigster Sammler, sein Mäzen, der ihn jahrelang durchgefüttert hat. Ströher, der nachweislich Hitler verehrte, hat sein Vermögen auch begründet, indem er von der Enteignung seiner jüdischen Partner profitierte. Karl Fastabend, Beuys' Sekretär, der in den Siebzigerjahren fast alle politischen Texte für Beuys formulierte, war ein Nazi erster Stunde, SA-Mann, SS-Mann. Und Johannes Stüttgen, Beuys' Adlatus, veröffentlichte 'nationalrevolutionäre' Texte in einem rechtsextremen Verlag." (Interview mit Hans Peter Riegel, Süddeutsche Zeitung 9. Mai 2018)

ich wollte nicht in die Oper (das kommt eh selten vor), eigentlich las ich, so ganz nebenbei, den "Nekrolog" von Robert Walser, den er anscheinend auch so nebenbei mikrogrammierte, während er abends um sechs eigentlich in die Oper wollte. Leider aber, klagt er in besagtem Mikrogramm "nimmt mich geistig so vieles in Anspruch, und nun trauert ganz Frankreich an einem Sarg, das ist arg. Anatole France ist tot, und sämtliche Gebildeten wollen von nun an nie wieder ein andersautoriges Buch lesen." Anatole France, da ist er, wenn auch tot, quasi noch frischer Literatur-Nobelpreisträger einer Grande Nation und der Schweizer Robert Walser nimmt ihn mikrogrammierend auf die Schippe: "Die Stühle, Uhren, Kanapees auf der ganzen Welt trauern um das große Loch, das der Tod in die Reihen derer gerissen hat, die mit der Feder in der Hand herumlaufen. Kein Anatole France läuft mehr herum. O, das ist dumm."
Literatur-Nobelpreis! Wer liest denn noch die! Wann las ich Hemingway oder Pablo Neruda?! (Kertész auch nur, weil er in Berlin nebenan wohnte.) Aber Anatole France?! Ich holte sein "Crainquebille" aus dem Regal: Ausgabe Büchergilde Gutenberg 1947. Ein Buch: elegant, stilvoll, echt Büchergilde. Inhalt: fahrender Gemüsehändler beleidigt Polizisten (mort aux vaches!) und wird von der Justiz zermalmt. Und auch in der Übersetzung von Ferdinand Hardekopf steht dort: "Mort aux vaches!" – diese Redensart, ein solcher Kraftspruch, wäre dem Feingeist Walser wohl nie aus dem Bleistift

das Forellen-Quintett zum x-ten. Anne-Sophie Mutter knallig rot, selbstverständlich vorn. Hat sich – wie das Cover zeigt – den jungen Trifonov angelacht. Die anderen Spieler Ameisen im Hintergrund. Auch diese Einspielung zeigt dummerweise nur: Anne-Sophie Mutter ist eine miserable Kammermusikerin

20 Prozent Faschisten, 50 Prozent Nationalisten und Brüssel gratuliert Orbán zum Wahlsieg. Europa hin, Europa her, ich habe den Pass zurückgegeben. Fortan reise ich mit der Schweizer ID. Das kleinere Übel

In der Theaterpause kommt sie auf mich zu, Gespielin aus verblühten Zeiten, und stellt mir ihre Freundin vor, eine Frau alles andere als ansehnlich, dazu recht amorph. Leicht belustigt frage ich mich: Toppt sie jetzt ihr närrisches Wesen mit Tribadie?

"Vielleicht sollte man mal bei den Tieren nachfragen, wie die das hinbekommen mit dem reibungslosen Miteinander von Heteros und Homos. In Lachmöwenkolonien ..." fängt Jan Kedves seinen Artikel in der Süddeutschen Zeitung an, um dann doch recht rabulistisch über die Nollendorf- und andere Berliner Schwulenszenen fortzufahren. "Die Schwulen wollen ja unbedingt etwas Besonderes sein, oder: Und morgen darf dann jeder seine Katze heiraten?"

Je sais que tu es mécréant, athée, anarchiste et non conformiste ... mailt mir eine Französin.
Jedes Wort wäre eine Ehrenplakette, aber in der massierten Aufzählung wird dies eine huldigende Lobpreisung. Merci.

mal, es war nicht gestern, forderte mich eine Frau auf: Tu mir weh! Sie trug den Namen eines Vogels. Eines spitzschnäbligen Finken.

Zur Übermalung eines Gomringer-Gedichts an einer Berliner Akademiefassade, da möchte der zürcherische Tages-Anzeiger noch ein Letztes Wörtchen beigeben.
Die Zeitung zitiert Monika Frommel, Professorin für Rechtsphilosophie:
Das ist einfach ein schlechtes Gedicht, das kann begründungsfrei entfernt werden

Immer wieder überrascht: ein aus ganzem Herzen losprustendes Niesen evoziert alsogleich ein zweites – eine Pause zum stillen Nachgrübeln über das unangekündigte Ereignis kann erst später erfolgen. (Schauplatz: meist ein Schreibtisch. Möglicherweise aber auch jede andere Tafel)

Umweg über Basels Beyeler:
Stelle hinterher Baselitz' Attitüden auf den Kopf. Habe nun einen Kopf oben und die Hose ist trotzdem runtergelassen. Baselitz wie ein Penck-päng-päng

Wenn dem BLICK, der größten Schweizer Zeitung, der Trump ausgeht, widmet sie sich auch der Literatur. Dabei werden mal wieder die bösen Deutschen im Titel apostrophiert, die es sich mal wieder erlauben, die Freien Schweizer zu triezen.
Der BLICK wiederkäut die Entscheidung einer deutschen Hochschule, im Gefolge der MeToo-Hysterie ein Fassadenbild zu entfernen: acht Zeilen, vielleicht zwanzig Worte, alles in allem ein konkretpoetisches Gedicht von Eugen Gomringer.
Gomringer ist übrigens etwa so Schweizer wie ich: Er ist in Bolivien geboren. Als Privatsekretär von Max Bill hat er einst dessen konkrete Malerei auf seine, Gomringers, simple Wortreihungen übertragen und nannte seine Gedichte fortan "konkrete Poesie".

"Als er längst Muesli ass
und Molke trank
soffen sich seine Adepten zu Tode
auf der Suche nach dem absoluten
Groove des
Kaputten"
Im züricherischen TagesAnzeiger nennt Thomas Wyss diese Zeilen "toll" und würdigungswürdig.
Lach nicht, mein Freund.
Auch Suhrkamps Unter/FolgeVerlag "Weissbooks" findet solches Molkenmüsli druckfreif.
Der Autor: Adrian Naef

die NZZ hat sich klammheimlich auf ihren Spitznamen "alte Tante von der Falken-Strasse" besonnen, ist des Gestern innegeworden und hat sich zum Café complet mit Schale Gold & Gipfeli auch gleich das Vorgestern bestellt: Kramphaft will das Blatt zeigen, dass es dem Neuen auch in der Rechtschreibung abschwört und schreibt nun folgerichtig und verbissen "Plastic" statt Plastik

Bildschirmtext? mein Hirn qualmt bereits nach Minuten, Text auf dem Apple-Monitor zu lesen? und mein Auge gedenkt die Arbeit niederzulegen.
Die Republik gibt es aber nur auf der Mattscheibe zu lesen.
Die Republik, die Schweizer Onlinezeitung, die ist seit Sonntag online zu lesen.
Jahresabo 240 CHF – für das Geld kann man mitreden, nicht nur die Artikel konsumieren. Denn nur die Republik-Artikel allein zu lesen kann jeder. Gratis. Vorausgesetzt, er kann lange auf dem Monitor lesen. Denn schon der erste Republik-Artikel von gestern glänzt durch himmlische Magazin-Längen.
Dass ich ein Abo bestellt habe – nun, ja, es war mein unschuldiges linkes Herz.
Im Jahr 2017 wurde Woche für Woche auf die Republik aufmerksam gemacht, mit dem Effekt – wie eine der Mitarbeiterinnen in der Süddeutschen Zeitung zitiert wird: "Immer, wenn ein negativer Artikel über uns erschienen ist, einer, der uns als linkes, ideologisches Projekt abgestempelt hat, gingen die Abozahlen in die Höhe."
PS: republik.ch ist bereits nicht erreichbar. Entweder ist der Server überrannt oder bereits von Faschos gehackt

Ende Dezember fliegt Sibylle Berg nach Israel. Denn dort feiere niemand Weihnacht, sagt sie. Sibylle Berg mag die christliche Weihnacht definitiv nicht – dies wissen wir aus ihrer Feder (spiegel.de) seit Jahren. Auch heuer rümpft Sibylle Berg ihre fein ziselierte Nase über Weihnachten : "Noch eine Woche bis zum Leitkultur-Jahresevent. Das Fest der Liebe. Sie wissen schon: Liebe. Großartiges Produkt. Menschen, die es gekauft haben ...." Sibylle Berg gehört nicht zu den Käuferinnen. Sie sitzt in diesen späten Dezembertagen in Jerusalem und sinnt mit Gleichgesinnten auf noch mehr Unterdrückung Restpalästinas. Ganz sicher wird sie Ahed Tamimi nicht mit Liebe begegnen wollen .... weder mit gekaufter, und schon gar nicht mit spontaner ...

ein sittenstrenger Aufschrei, nicht nur in den Zeitungen. Das MeToo-Plenum mit eigener Online-Petition, die erregte Belästigungseuphorie, die losgetretene Enthüllungswucht. Im gegangenen Jahrhundert nannten Libertäre solche Phänomene moralinsaure Stänkerei.
Der Mob fordert Köpfe und Werke. Die Süddeutsche Zeitung berichtet: "Das Metropolitan Museum In New York soll ein Gemälde abhängen. Balthus' 'Thérèse, träumend', es zeigt ein Mädchen auf einem Stuhl, die Beine sind gespreizt, unter dem Rock kann man die weiße Unterwäsche erkennen." Balthus, der Maler scheusslicher Katzen und schnuckeliger Teenies, ist natürlich qualifiziert für die neuen Ikonoklasten

Dieses Allerheiligen, verkuppelt mit dem Reformationstag, verdient bei Gott einen gottgefälligen Hallelujapfiff: Seit gestern liegt in den ICE wieder die FAZ auf

"... die Wahrnehmung des unendlich Kleinen, Mobilen und Leichten" (Italo Calvino) – dieses verstohlene Gerippe von einem Hauch, dieser federleichte Umriss im Raum der weißen Leere – wie es Herbert Kaufmann mit der gezeichneten Wiedergabe toter Insekten in seinem Atelier gelang

wie etwa Giuliano Carmignola eine Locatelli-Kadenz hingeigt – erzeugt von selbst ein albernes Lächeln, beseligt-beschickert durch Rotwein

"Dunkelheit, ick hör Dir trapsen" – Alfred Kerr würde gschamig stocken, vielleicht auch erblasst innehalten, hätte er diese Anfangszeile einer Premierenkritik lesen können. Die Zeile schrieb Daniele Muscionico an den Anfang ihrer Besprechung (NZZ, 23.10.2017). Die Besprechung dieser gleichen Premiere gleichen Tags in der FAZ beginnt mit: "'Der zerbrochene Krug', vor zweihundert Jahren in Goethes Inszenierung ein Flop, ist heute ..."
Wollen wir, maliziös wie wir nun mal sind, einen Unterschied in der Diktion der beiden Anfangszeilen ausmachen?

Ein Hörspieldichter, nicht unbekannt, warnte mich vor etlichen Jahren, als Hörspiele noch im Schwange waren, eindringlich vor einer Reise. Geh nicht nach El Kuwehd! raunte dort inständig ein Bettler am Straßenrand (auch verschleierte Frauen waren als Nervenkitzel dabei) – es war ein fahler Herbstnachmittag, fast wie heut, aber der Ton aus den Lautsprechern kam noch monaural. Die Missachtung des Ratschlags des Bettlers kostete den Helden dann einige Kamele oder so (vielleicht war auch Blut dabei) mich aber den Kauf von Günter Eichs Fünfzehn Hörspielen in der Ausgabe der damals angesagten "Bücher der Neunzehn"

Nun ja, die Kantstraße ist jenseits des Landwehrkanals, aber es begab sich nun mal, dass ich dort vorm "Schwarzen Café" sass und sie just dort durchlief vor meinem noch vollen Glas. Sie: eine Künstlerin mit – laut inoffiziellem Ondit – hochlöblichen Pinseleien, aus dem Osten Europas, Rumänin oder Ungarin. Nur drei Tage vorher war ich an ihrer Vernissage in der Potsdamer Straße (da musst du hin, das ist schön, suggerierte wie immer Gisela, meine frühere Nachbarin).
Die Künstlerin lief also vor mir durch, eine flüchtige, eine ephemere Erscheinung, und mir fiel, ihr nachblickend, ein Gegenstück aus dem Piéton de Paris ein. Was Friedrichsheim, Neukölln oder die Potsdamer Straße, Berlin in Bogen und Bausch für die heutige Smartphoneboheme, das war vor bald 100 Jahren der Montparnasse: "Celui de carrefour Montparnasse-Raspail, où s'étale tout le déchet de l'Europe intellectuelle et artistique. Tel poète obscur, tel peintre qui veut réussir à Bucarest ou à Séville, doit nécessairement, dans l'état actuel du Vieux Continent, avoir fait un peu de service militaire à la Rotonde ou à la Coupole, deux académies de trottoir où s'enseigne la vie de bohème, le mépris de bourgeois, l'humour et la soulographie." (Léon-Paul Fargue im Piéton de Paris, 1932)

Als die Rive gauche noch gauchiste war und das Seine-Ufer mit den Klappkisten der Bouquinisten bestückt und der Franc gerade Nouveau geworden war, da wollte ich den 1 nouveau franc für einen Rimbaud-Titel herunterhandeln.
Der Bouquinist schaute mich melancholisch an: Mais, Monsieur, à nous il faut aussi vivre ... Ich, Halbwüchsiger, zahlte den verlangten NF.
In den Schatten der Platanen schlich auf Zehenspitzen eh eine billige Tristesse des Herbstes, die OAS jagte de Gaulle, und ich legte den Kopf in den Nacken, hielt fest mein neues Buch und roch die zitternde Blässe anstehender Wintermonate

Freixenet Cava »Elyssia« Gran Cuvée Brut
Eine sehr elegante Flasche mit einem sehr mittelmäßigem Sprudel.
Erst ein Aha!, sehr rauchig, Lapsang Souchong, dann, nach dem Schluck, breitet sich nur sauere Säure in der Brust

Freude (im Szenejargon der Siebzigerjahre: klammheimliche) durchströmt mein Herz bei den Nachrichten aus Burma – schließlich und endlich merkt (was zu hoffen ist) auch der letzte europäische Buddhismusfreak, dass sein Schwärmen einer ordinären Religion gilt. Einer wie all die anderen Religionen es sind: närrisch, bescheuert, dumm und aggressiv.

mehr als dreieinhalb Stunden habe ich nun die Gehsteige der Stadt Zürich abgeklappert, peu à peu den Rucksack mit Konsumgut auf gut 10 Kilogramm aufgefüllt, nun milde angedrögelt mich strikt rechts an den Hausmauern entlang gedrückt, um nicht in Zickzack dem kopflosen Entgegenkommen ausweichen zu müssen – da kam mir ein breitkrempiger Freitagabend-Hut entgegen, der meinte, es wäre sein Recht, links zu halten und mich zum Ausweichen zu zwingen. Um nicht als Antisemit geschimpft zu werden, trat ich zur Seite, gönnte mir aber im Vorbeigehen die Bemerkung: "In Europa haben wir Rechtsverkehr" ... Der Adonaifürchtige, sich umdrehend unter seinem koscheren Sombrero, spuckte zack: "Ich bin Brite"

"Der Kanton Zug ist tatsächlich eine passable Alternative zu einem Leben im Kloster ..." Daniele Muscionico (NZZ-Interview)

Friedrich Cerha: Ich konnte mich nie als in der Gemeinschaft integriert fühlen

Hassprediger ist ein putziges, ein infantiles Wort. Auch deshalb, möchte man sagen, wird es dem Niveau der Hassprediger gerecht

ich lag auf dem andalusischen Feldweg, al aire libre mit weit gestreckten Armen, blickte cara al cielo in die quirlend-quirlige mitternächtlich bestirnte Unendlichkeit über mir und lächelte, lächelte, lächelte das einfältige Lächeln eines trunkenen Buddha (ohne das erleuchtete Bauchfett vorzuweisen)

ein kaum wahrnehmbares Zucken im Gesicht des blinden Mädchens auf der Bank, als es das Klicken meiner Radschaltung hörte

Seit dem 1. August herrscht Dercon alleine. In den letzten vier Tagen hat er mit dem Theater auch die Inhalte von Facebook, Twitter und den üblichen Accounts samt Likes und Followers übernommen. Die Volksbühne heisst nun nicht mehr "am Rosa-Luxemburg-Platz", sie nennt sich "Volksbühne Berlin". (Siehe Facebookseite)
Und hier, auf dieser Facebookseite, ist inzwischen ein lustiger Shitstorm am Poltern – die Häme trifft vor allem Dercons ersten Beitrag bereits, der – auch nach meinem bescheidenem Dafürhalten – an Werbung für Yogakurse auf Ibiza erinnert:
"Die Sinne schärfen. Sich ins Detail versenken. Das Gesamte vom kleinsten Teil denken. Lauschen. Flüstern. Klein werden. Raus aus dem Totalzusammenhang. Kommt zusammen!"
So tönt es, wenn Werbetexter sich mit Esotänzerinnen paaren

Freude an der Stille.

Der Sprecher des Weißen Hauses spricht ziemlich laut zu uns:
"Fickt euch selbst
Ich kille sie alle
Ein verfickter, wahnsinniger Schizophrener
Ich versuche nicht, meinen eigenen Schwanz zu lutschen"
Honni soit qui mal y pense aber Amerikas neue Größe erfüllt mein Herz irgendwie mit Genugtuung

Unter Jazz verstehen viele vieles, dabei aber fühlen sich alle, egal welcher gesellschaftlicher Provenienz, in einer Art Geheimbund verbunden. Gebläse wird hier unisono angehimmelt, allen Bläsern vorab das Saxofon. Diesem Blech liegen sie alle ausnahmslos zu Füßen. Auch der Musiker, der in der SZ (13.7.17) in einem Artikel über den Auftritt von "Woody Allen and his New Orleans Jazz Band" in der neuen Hamburger Elbphilharmonie zu Wort kommt, sagt: "Ich mag Jazz. Aber das hier? Soll das Jazz sein? Oder Klezmer? Wenn die wenigstens mal ihre Instrumente gestimmt hätten!"
Die "gut betuchte Hamburger Entourage feiert ihren von der Leinwand herabgestiegenen Lieblingsphilosophen, Woody Allen, 81." Das Publikum, "meist Anzug und Hornbrille", buht als "zwei barbusige Femen-Frauen auf die Bühne springen und von sexuellem Missbrauch krakeelen". (Meinen tun sie Allens Missbrauch seiner Adoptivtochter.) O-Ton Woody Allen: "Komische Mädchen ..." und er zuckt mit der Schulter und verschwindet... "Seinen Klang hat ein Kritiker mal 'zwischen glücklichen Küken und einem billigem Hotelwecker' angesiedelt. Das trifft es."

2017 Juli 9, Sonntag
Ich verstehe Lorenz Lotmar (1945 – 1980), dass er es nötig hatte, ein Buch mit dem Titel "Irgendwie einen Sonntag hinter sich bringen" zu schreiben
(Einst, zu den heroischen Zeiten der Bauernschänke am Züricher Rindermarkt, war er dort auch Passant ...)

Jadis, si je me souviens bien, ma vie war zwar kein festin, aber immerhin, im bitterkalten europäischen Winter, der die Seen zufrieren ließ, ein warmer Bibliothekslesesaal mit Blick hinunter auf den Grand Sablon. Aus Spleen oder akademischem Eifer las ich dort "Baumeister Solness", nicht ahnend, dass ich Jahrzehnte später in Berlin mit ebendiesem Ibsen-Werk dem Exitus eines Theaters beiwohnen werde:
Der Ära Castorf an der Volksbühne. Aus der Süddeutschen Zeitung: "25 Jahre lang haben Castorf und die Seinen das irrste, coolste, radikalste Theater Deutschlands gemacht, hirn- und stilprägend für mehr als nur eine Generation von Theatergängern und Theatermachern, ästhetisch abstrahlend in die ganze Welt."
Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz 1992 – 2017. Ein Fotoalbum. Alexander-Verlag Berlin, 19,90 €
Nun kommt der Dercon, der derzeitige Trump der Berliner Kultur

Ehre? Du sagst, Ehre!? Eine Wohnung just unter dem FIFA-Sitz zu bewohnen, soll Prestige sein? Ist wohl nicht dein Ernst! Dieses global agierende, durch und durch korrupte Kicker- bzw. Verbrechersyndikat soll meine Wohnung adeln?
Nur ein Witz, sagst du, war das. Ja, ein Witz. Ein Witz ist gewiss, dass die Stadt Zürich dieser Gaunermeute Steuerfreiheit garantiert

Les hommes sont faits, nous dit-on,
Pour vivre en band‘ comme les moutons.
Moi, j‘vis seul, et c‘est pas demain
Que je suivrai leur droit chemin –
jungsch noch, also gering alt, hörte ich gern Brassens. Sein gemauscheltes Französisch. Sein früher Tod mit nur 60 (1981) ging mir nahe.

die einen kritzeln winzige, schier nicht entzifferbare Zeichen auf Papierli, wandern still um Appenzeller Bühel und sinken in den Schnee. Andere krähen und krakeelen alle zwei Jahre mit belanglosen "Monster Poems", werden trivial illustriert, und in Auszeichnungen und Stipendien gebettet

Wo der Tod im Text auftaucht,
da folgen wohl oder übel Jesus, Allah und all die anderen Popanzen geistiger Milchigkeit

Im ICE liegen verschiedene Zeitungen zur Instandhaltung smartphoneramponierter Hirne auf. Auch die Bild-Zeitung ist darunter. Die Berichterstattung dieses Blattes ist zwar von recht zweifelhaftem Ruf – Gruftis mögen sich an den einstigen Kriegsruf erinnern: "Springer-Presse halt die Fresse" –, aber Sex & Verbrechen gedruckt auf Papier ist doch viel sinnlicher als auf Instagram oder YouTube.
Es sind jedoch die sprachlichen Qualitäten, die mich jeweils nach der Bild-Zeitung greifen lassen. Kein Germanistikseminar kann so viel zum Sprachfeinschliff beitragen. Gestern zum Beispiel las ich einen Bild-Bericht, der beispielhaft für die Ausmerzung unwirtschaftlicher Formulierungen steht:
"Bad Hersfeld – 10 Uhr, Dudenstraße: ... Typ dreht durch, drischt mit Latte auf Auto ein, verschüttet Benzin in seiner Wohnung, zündet sie an. Schnelle Festnahme. Wohnung gelöscht. Zwei Verletzte."

kaum ist man in Zürich, sieht man jede Menge Kryptoproletarier. Vor zwei Stunden bin ich auch Yannis Varoufakis begegnet. Er kam aus dem Hotel Widder. Zimmerpreis: um zwei Monatslöhne eines griechischen Arbeiters

Eigentlich wollte ich fünfeinviertel Glas Rotwein friedvoll genießen, dann aber kam Professor Gerd Habermann dazwischen. Die Maßangabe zum Wein diktierte mir ein Blick auf den Flaschenrest in der Küche – die Sache mit dem Professor war dann etwas komplizierter. Habermann, Wirtschaftsphilosoph und Professor an der Universität Potsdam, meldete sich erst nach zehn Seiten NZZ-Lektüre am Freitag, unter dem Titel "Die soziale Wärme des Kapitalismus" auf der elften.
So was von zynisch, dachte ich zuerst, die NZZ wird immer spitzzüngiger.
Nach einigen Sätzen im Habermann-NZZ-Text allerdings fror es mich plötzlich und, schlimmer noch, der Wein schmeckte nicht mehr. Die "soziale Wärme des Kapitalismus" war für Habermann wie für die NZZ bitterernst gemeint ...
"Je mehr Wohlfahrtsstaat, desto mehr erkalten die Beziehungen der Menschen zueinander" schlussfolgert Professor Gerd Habermann, "je mehr Kapitalismus, desto mehr soziale Wärme wird möglich." Vorher schon gibt es in seinem Text eine Menge reaktionären Stuss und Schwachsinn – "niemals gab es mehr soziale Wärme als in den besten Zeiten des Kapitalismus." Mit diesen "besten Zeiten" meint Habermann den "Hochkapitalismus im 19. Jahrhundert". Den Manchester-Liberalismus also, den viehischsten Kapitalismus, den wir je hatten.
Vielleicht soll man doch vor dem Abschluss eines NZZ-Abos noch an andere Zeitungen denken

Mit Europa auf den Lippen gibt es verzogene Mundwinkel, fiese Blicke aus dem rechten Schmuddel, aber auch wummernde Bässe. Ich stehe da am Gendarmenmarkt, in einem strunzenden Fahnenmeer, betäubt von dröhnenden Lautsprechern zum höheren Nutzen Europas, es ist 13 Uhr, lichter Mittag, eigentlich will ich nur ins Konzerthaus hinein, durch eine aufgedrehte Masse von Europafans durch. Europa ja, Europa schön, ich fühl ja mit euch, ja, jetzt aber, trotz der dummen Tageszeit, möchte ich drin im Konzerthaus hören wie der Tod das Mädchen bezirzt (auch Schuberts D 810 genannt). Und dieses D 810 ist ein sehr, sehr stilles Sahnestück der Musikliteratur, eine sehr, sehr leise Kostbarkeit in der Kultur Europas – es, ich, wir brauchen Ruhe zum Genuss.
Einmal im Haus drin, nach etlichen Gängen und Treppen, stelle ich erlöst fest: Die Stimme Europas ist nicht mehr hörbar.
Laut Goethe ein "Gespräch unter vier vernünftigen Leuten", das Streichquartett ist die Königsdisziplin der Musik: An diesem heutigem Tag bilden fünf Ensembles (mit vier Quartetten und einem Quintett) von nur zwei Komponisten eine "Hommage an Alfred Brendel". Ein Zeitfenster aus der Musikgeschichte von gerade mal vier Jahren – wen wunderts, man weiß ja: Alfred Brendel hat so seine Mühe, sich für die Musik nach etwa 1830 zu begeistern. Schubert also und Beethoven. Dafür sind alle fünf Darbietungen ein Gipfelpunkt, durch all die etwa neun Stunden – ein Ohrenmarathon.
Um 14h Schuberts D 810 durch das Quatuor Hermès, um 15h45 Schuberts D 887 durch das Doric String Quartet, um 17h30 Beethovens opus 132 durch das wie immer vorzügliche Cuarteto Casals, um 19h30 das überraschend glänzende Spiel des Schweizer Merel Quartetts mit Beethovens opus 130 und der anschließenden Großen Fuge opus 133
In den Pausen stelle ich mich auf die Plattform über der Fronttreppe, blicke hinunter auf das Heer der Europafahnen, auf Polizeibusse, Seifenblasen und die für einmal verdrängten Touris. Mich umblickend, suche ich nach "Des Vetters Eckfenster", aus dem vorvorgestern noch, kurz vor seinem Tod, E.T. A. Hoffmann das Treiben auf diesem Platz, dem Gendarmenmarkt, protokollierte. Nur ein frommer Spruch fällt auf: an der Front des Deutschen Doms lese ich: "Selig sind die Sanftmüthigen" und verstehe die Phrase als Fingerzeig für den Umgang mit der Platzanweiserin drin im Saal.
Ohne Nepotismus geht es anscheinend auch in der E-Musik nicht. Für Schuberts Streichquintett D 956 mit dem Quatuor Ebène – ("Vor dem C-Dur-Quintett verneigen sich alle Menschen, denen Musik etwas bedeutet, glücklich bewundernd – oder sie schwärmen" schrieb der soeben verstorbene Universalkritiker Joachim Kaiser) – ist das zweite Cello mit Alfred Brendels Sohn Adrian besetzt. Schon rein optisch – ich sitze just gegenüber – fällt der Mann durch seine Physis aus der Reihe der Ebène-Streicher, und ich werde das Gefühl nicht los, dass dieses zweite Cello vom Quartett als aufgezwungen empfunden wird. Entsprechend wähne ich hie und da Schusseligkeiten zu hören ...
Alfred Brendel, er ist 86, sitzt übrigens bei allen Konzerten dabei. Und liest und spricht und spielt Einführungen.
Gegen 23 Uhr schlendern wir die Friedrichstraße hoch zur Chausseestraße. Neben dem Dorotheenstädtischen Friedhof / Brechthaus beim Vietnamesen gibt es noch Ente mit gebratenen Nudeln und profanem Warsteiner. Leider schmecken die Nudeln mehr gekocht als gebraten und das Bier halt eben als Bier

Heute, dachte ich, sehe ich eh nur Mannschaftswagen in Kriegsmontur. Hör nur sirrende Gummigeschosse, die den Kuss fliegender Pflastersteine suchen. Heute, in Anbetracht des Umstands, dass ich die Fünfzig leicht überschritten, meide ich weise Kreuzbergs Kotti, den Görlitzer Park, die Köpenicker und ähnliche Zentren cholerischer Juvenilität, mache einen Bogen um die geile Hetze für eine gerechtere Gesellschaft, für schrankenloses Biomüsli und die tabulose Umarmung aller gegen alle.
Heute, 1. Mai, balle ich die Faust, recke den linken Oberarm vorsichtig über der Bettdecke und schreite später trotzig zur Kasse des Konzerthauses am Gendarmenmarkt. Als Geist, der stets verneint, werfe ich mich trotz des Klassenkampftags der Arbeit in die linde Musik Schuberts, werfe mich an den wohlig klingenden Busen der Schönen Müllerin.
Mauro Peter, der junge Tenor, für einmal in Turnschuhen (sein Outfit wird entschuldigt), scheint auch in Berlin kein Unbekannter: Der Saal ist ausverkauft.
Und Mauros Müllersbursche enttäuscht nicht. Von des Müllers Wanderlust bis des Baches Wiegenlied, den ganzen Liederzyklus des Lyrikers Wilhelm Müller durch, fühlt Mauro Peter mit, leidet mit – Herz & Schmerz, die biedermeierische Tragik wird Ereignis. Manchmal, nur hie und da, erinnert mich Peters kultivierter Tenor an einen Heldentenor, man sucht plötzlich nach dem Liedsänger. Zu voluminös kommt der Klang, quasi una Verdi-Unterhaltung für die Arena.
Helmut Deutsch ist der Begleiter auf dem Klavier. Ein kongenialer Interpret, ein bewusst Mitgestalter. Wie vielen Sängern hat er wohl schon sekundiert!?
In der Reihe vor mir sitzt Alfred Brendel mit Frau. Auch dieses Mauro-Peter-Rezital gehört zum Konzerthaus-Zyklus "Hommage an Alfred Brendel", fällt mir ein – wie das gestrige neunstündige Streichquartett-Marathon.

Der Reiz kitzelt nicht lang, und auch nicht tief.
Der Anreiz von Musikkritik in den Medien, der urteilenden Einschätzung von E-Musik-Vorträgen, kitzelt nicht lang, nicht tief, die Irritation hält sich in einem engen intellektuellen Rahmen. Kein Schwein liest über den Artikeltitel hinaus weiter – es sei, er war beim Happening dabei, als Konsument oder als bekrittelter Interpret. Entsprechend lauwarm und manchmal töricht sind die verfassten und gedruckten Redaktionsbeiträge:
Ich erinnere mich da an die "Kritik" in einem Züricher Anzeiger, in der ein Übersetzer spanischer Schmöker, ich glaube, er hiess Peter Schwaar, ein Konzert besprechen durfte mit Worten: "Mendelssohn, von dem wir wissen, dass er meist nicht besonders talentiert war" ... Aber selbst die Rezensionen des meist verlässlichen ehemaligen NZZ-Kritikers Peter Hagmann wirken irgendwie papierig und trocken.
Der Musikkritik also leicht überdrüssig flog ich heute mehr aus Versehen über die Zeilen der "Klassikkolumne" in der Süddeutschen Zeitung – um gleich wieder, und diesmal gründlich, die gesamte Spalte durchzulesen. Ohne auf den firmierenden Verfasser geschielt zu haben, spürte ich: Diese, sich in die Musik, in die Interpretation derart einfühlende Sprache kann nur eine Frau verfasst haben.
Der dann erfolgte Blick ans Ende der Spalte bestätigte: Julia Spinola.
Thema ihrer Kolumne waren neue Brahms-Interpretationen. Johannes Brahms, den ich nie mochte, den ich immer rückwärtsgewandt, "wuchtig-behäbig" (O-Ton Spinola) empfand, wird mir durch diesen Text direkt anziehend gemacht. Über eine CD mit dem "großen Arcadi Volodos" schreibt Julia Spinola: "Als wisse er um ihre Sterblichkeit, hütet sich Volodos davor, diese höchst fragilen Wunder eines intimen, flüchtigen Ausdrucks interpretatorisch anzufassen. In somnambul-versunkenen Klanggefilden scheint er der Musik eingriffslos zu lauschen, spürt sie in farbenreichen Piano-Schattierungen und feinsten Anschlagsnuancen behutsam auf." Spinola schreibt hier von "choralartig innersten Herzenskammern", von "süßesten Trugbildern", von "beinahe morbiden Auflösungszuständen". Nie hätte man zuvor gehört "wie leibnah und zugleich ätherisch diese Musik ist".
Die CD streame ich mir. Und hoffe auf einen tüchtigen Schuss Gefühlsseligkeit.

eben haben wir zum 2000x-ten Male die wunderliche Auferstehung eines jüdischen Wanderpredigers gefeiert – quasi deckungsgleich meldet sich Jean Ziegler mit dem eitlen Statement: Mein Geist lebt nach meinem Tod weiter! Ziegler sieht auch und spricht mit Geistern – "die Präsenz der Toten ... ist evident".
Ach, ihr spökenkiekenden Sozialdemokraten!

was wollte Christian Halbpflützler eigentlich dem Facebookstadel auf Gibberisch sagen?
Dass auch er sich eine ISBN-Nummer einverleibt?
Dass Momo nicht Vänçi Glanzmann?
Dass auch die Flughunde nur hart kippende Kämpfer?
Dass nicht aller Wurmwuchs aus l'origine du monde?
Dass Zielgerichtetes Deutsch einzig Michael Reif-Reifigst in 8032 Zürich?
Dass rollfingrig-geschmeidige Strukturelle Alltagsintegration dafür nur durch Astrid am Limmatkai, im Widderhaus 74?
Dass die Luftlettern absichtlich durch Anja Nora Schultheiss verdreckt?
Dass die Kunz kurz vitaltransformt von Momo in Ivano und zurück in Martina Zahn del Ré?
– Das Glas war dann schnell geleert in der Züricher Reithalle. Zurück blieben die Denksprünge zu den überaus reichlich ausliegenden, um Aufmerksamkeit buhlenden Kunstkurs-Postkarten und alternativem Gemüsemainstream. Es fehlten nur, seltsamerweise, die ansonsten obligaten Abbildungen von duselndem oder fauchendem Katzengetier.

Der Herr hat mich heute früh durch eine juckende Hautstelle ans Aufwachen gemahnt.
Bei soviel mütterlicher Fürsorge, sinnierte ich, muss man Schiller bzw. Beethoven beipflichten:
Brüder – überm Sternenzelt muss ein lieber Vater wohnen

es interessiert die Facebook-Verbraucherin wahrscheinlich nicht die Bohne und sie möchte auch während Katzenstreicheln und heißem Fernsehschaun nicht mit der Nebensächlichkeit angeödet werden, dass Mr. Donald D. Trump fernsaugt und ich meine Informationen aus der Zeitung und dem Rundfunk hole. Trotzdem halte ichs der Facebookerin unter die Nase: Ich habe keinen Fernseher.
Das Zitat auf dem Foto bezieht sich auf Elfriede Jelineks Trump-Stück. (Ich erlaube mir hierzu den unnötigen, dafür despektierlichen, Gedanken: Wenn morgen die Welt kollabiert oder sonst die Fassung verliert – die Jelinek wird übermorgen unweigerlich ein Heiss-Feder-Stück dazu vorlegen ...)

was einem an Verschüttetem beim Lesen von Wahlresultaten (Saarland, AfD) einfallen kann:
Bühne: Kneipe Kreuzberg, Zeit: Wende 2015/16, frühabends. Zwei Tische weiter erkenne ich Frauke Petry, ich spitze die Ohren: sie spricht über den Dexit. Die Kellnerin, offensichtlich eine Aushilfe, vielleicht jobbende Studentin, bringt mir das Gewünschte, geht weiter zum Petry-Tisch. Mit einem streifenden Blick auf Petry fragt sie: "Sind Sie Frau Petry?" Frauke Petry schaut auf, nickt zögernd.
Darauf die Bedienung: "Dann kann ich Ihnen endlich sagen, dass ich Sie scheiße finde."

Schon wieder was Vertrautes. Ein Wahrzeichen Berlins löst sich auf. Das verbeinte Speichenrad, Symbol der Volksbühne, verschwindet vom Rasen vor der Volksbühne. Wegen Chris Dercon.
Immerhin: Als Kleber auf meinem Wäschekorb hälts die Wacht. Bis zum letzten Waschgang.

Beethovens Siebte putschte mich mehr auf als "Roll over Beethoven" von Chuck Berry. Das war so um 1960.

der Mann schäkert mit seinem Geburtsjahr (1943) und stellt das Fragezeichen im Titel seines neuen Bands zur Schau: "Alt?", erschienen soeben (2017) bei Luchterhand. In seiner Rubrik "Das Gedicht" druckt das Feuilleton des Züricher Tages-Anzeigers aus diesem Band:
"Blüht, ihr Tulpen / rote, gelbe, weiße / feiert euer Fest der Farben / blüht, so schnell ihr könnt! ..."
Ich halte solche "Gedichte" nicht für senil, ich halte sie für seicht, für pubertär leer, beleidigend nachgerade fürs Hirn.
Nicht dass Franz Hohler je etwas Bewegendes oder gar Erregendes geschrieben hätte – sein politisch korrektes Getue reicht mir nicht.
Deshalb frage ich mich: Wie korrumpierbar sind die Feuilletons der Provinz, da sie sich doch augenfällig der Kupfer-Wolle-Bast-Leserin anschmiegen

der schreitende Turm:
eingesperrt in einem Ikosaeder steckt ein Insekt webender Musik – weder von Webern noch von von Weber
getreu unseren musikalischen Prinzipien beenden wir hier dies Gedicht (Dank aber an Paz!)

höre leichthin, en passant, Ernst Kreneks Vertonungen von drei Rilke-Gedichten (Ô Lacrimosa). Werde aufmerksam – die Stimme, Anu Komsi, kenne ich bereits, aber die Geschichte der Lieder, Kreneks Besuch bei Rilke in Sierre 1925, ist mir neu – ich lese nach.

das Wort. Dessen Oberwörter. Das Wort anschlagen und dessen Oberwörtern nachhorchen.
Und wieder das Wort anschlagen, und wieder dem Hall nachsinnen. Neu das Wort tippen und nur noch der Nachschwingung der Laute achten

dürftige Gägchen, erstarrte Performanz: Marthaler im Züricher Schauspielhaus (King Size). Wiedersehen mit Nikola Weisse – die habe ich mir gealtert anders vorgestellt. Spaghetti muss sie bei Marthaler aus ihrer Handtasche essen

Museum Ludwig Köln Gerhard Richter Neue Bilder:
Rot dass ich nicht lache rot.
Knallende Abstraktion.
Schmiern das Ungrün, verschämt im Off,
hie salben (eine Fingerübung) zwei Millionen Augen den Helden in Vorbeiprozession.
Abschmiern statt Hängen. Schmiern ist Bewegung.
In den gelblichen Flecken Schmutz, verpflichtet als feinsinniger Tribut.
Farbe, na ja. Schroff konturenlos
Tünchen den Fotorealismus a. D., den verwaschenen Richter, radiern radikal die Nachäffer im Bergschatten, auf plattem Land, und weiter im Hinterland.
Aber Grau

Ich plane eine Lange Nacht der Ichs.
Da dieser Tage all die, die ihre Referate – gern um den Tresen – radikal postfaktisch auf den Punkt bringen (mit oder ohne Bäuerchen), muss ich doch mal festhalten:
Ich ist definitiv ein Anderer
– als dies mein Facebookprofil verkündet.
Die Netze speisen wir ja – je später die Nacht – unermüdlich mit Avataren. Ihre Unzahl rückt uns dann – Unheil in sich bergend – langsam auf den Traumleib. Es sind klar zu viele. (Das ewige Bemühen von Tor! Die lästige Verwaltung der Passwörter! All die Mailadressen!)
Ich plane eine Lange Nacht der Ichs.
PS: Mir ist bekannt, dass ein gewisser Rimbaud Arthur mit dem Spruch (feiner gesagt: Briefnotat) "Je est un autre" hier das Erstgeburtsrecht beansprucht und mir also zuvorgekommen ist.
Trotzdem halte ich fest: Damals, 1871, gab es noch keinen Zuckerberg.
Ich plane also eine lange Nacht der Ichs

Isabelle Faust berichtet, dass die Zusammenarbeit mit Claudio Abbado ihr "die Tür zu einem neuen Verständnis und Erleben" des Violinkonzerts von Beethoven geöffnet habe. Ascoltare il silenzio – war ein Leitsatz des verstorbenen Meisters ... (aus der NZZ)

Aus launischer Langeweile griff ich nach dem Tod in Venedig. Mein preziös gebundenes Exemplar aus 1913 (keine Erstausgabe, auch wenn aus dem gleichen Jahr) lag ja schon reichlich verstaubt nebst und unter anderen Literaturleichen. – Wider Erwarten las ich mich dann überraschend fest in den spleenigen Kapriolen und Anwandlungen des Herrn von Aschenbach. Schluckte mannhaft Thomas Manns kreidig-steife, verspannte Neoklassik, seine stelzfüßige Bildungshuberei, sein Naserümpfen über Balkanethnien oder die breite Masse. Trotz meines stinknormal geratenen Heteroseins fühlte ich mit Aschenbach-Mann "die Begeisterung seines Blutes" beim Anblick des Tadzio, sah auch gierig wie dieser Tadzio "in gestreiftem Leinenanzug mit roter Masche, vom Meere her, durch die Strandsperre und die Bretterwege entlang zum Hotel zurückkehrte."
So wie Aschenbach-Mann am Lido "köstliche" Ruhe findet, gepaart mit der wollüstigen Betrachtung eines Knaben, so – dies fiel mir urplötzlich ein – fand doch zur gleichen Zeit auch Leopold Bloom am Dubliner Strand etwas Ruhe im Anblick der willig verrutschenden, intime Sicht erlaubenden Röcke der Gerty, als diese die rhythmische Bewegung von Blooms Hand in dessen Hosentasche bemerkt ...
Hier immerhin onanieren – dort diesiges Dahindämmern auf einem Hotelbalkon

Die Monodie des Wintertags. Grau will weiß sein, und wie es sich trifft: der ICE ist wieder ein Ersatzzug

während die irre knallende Menschheit ihre Infantilität ohrenbetäubend zum Ausdruck bringt, sitze ich, schneckenlahm, immer noch über der Weihnachtsnummer von ZITTY, "dem seit 1977 radikal ehrlichen Stadt Kultur Programm für Berlin".
Denn ZITTY gab die Richtung vor und ich will ihr ohne Zögern folgen:
Sinn finden – fordert das Stadtmagazin: Kinder kriegen, Kunst machen, Karriere aufgeben – ZITTY zeigt "Berliner und ihre Wege zu einem erfüllten Leben" ...
Selbst im bornierten Silvestergeknalle sinne ich nun über dieses Erfüllte Leben und meine Ruh ist wahrlich hin

lasset uns jetzt aufhören. Der Abendstern ist hoch oben im dunklen Himmel: Ein Blockflötengelichter. Und mollig warm gestimmte Herzen heften Krippensterne an ihre Schlafzimmerfenster

Es begab sich eine Wolke. Statt laut christlichem Protokoll in lichter Freude über eine Gottesgeburt zu strahlen, schaute diese Wolke entschlossen ungenießbar. Entsprechend dieser ihrer gnatzigen Gemütslage trug sie auch tiefes Grau. Ein schmutziges Grau. Und sie zog ordentlich rasch (Sportler würden sagen: stürmisch) aus dem westlichen Weichbild der Stadt just in meine Richtung. – Die ersten Tropfen witternd nahm ich, mit verstauchtem Fußknöchel humpelnd, die Stufen zu einem Dennerladen am zürcherischen Kreuzplatz. Die Flasche Viña Real Reserva 2009 zu 12chf90 aus dem Regal dort führte bei der Bezahlung unerwartet zu einem Anflug von sanfter Röte auf den Wangen der türkischen Kassiererin. – Die Vernichtung des Flascheninhalts, mit freier Sicht auf die Stephansburg und den stillnächtlichen Burghölzlihügel (nicht jedoch aufs Mittelmeer), war dann doch reinst christlich, ohne osmanische Mitwirkung

Symphonies pour les soupers du Roy – geschmaust, gelöffelt, gerülpst, im Speichel geschnackelt, schnabuliert, knacksend zerhackt den scharf gebratenen Braten – was war da für ein Klangsalat im kauenden Hirn, was war da noch von Delalandes Musik zu verstehen!?

Die bei Sonne scharf gezeichneten Frühabende: Zeit, Karmapunkte zu sammeln

Steve Reich auf einem Sender. MinimalMusic: Wohlklingende Muster ohne Wert

Postfaktisch.
Mit dieser Supernova will ich doch auch mal leben – fiel mir in postkoitaler Tristezza ein

Zu den Zeiten als ich noch ein Praktikant war, war mein Praktikumsplatz ein Nebentischchen – in geziemendem Abstand zum Chippendale-Sessel des Meisters. Als PEN-Koryphäe hielt dieser sein Glas Bordeaux-Château disponibel immer in der Nähe seiner Lippen, tat jeweils einen Zug und spuckte dann – quasi mit Weinresten – ein Wort in die Luft. Meine Aufgabe, jeden Tag von 15h bis 17h30, war, zu diesem Geniewort einen kongenialen Satz zu bilden.

ay! Daniele, das ist nun doch eine Überraschung! Dein Familienglied im näheren Umfeld des nächsten US-Präsidenten, ja, das überrascht mich.
So gelangweilt, so interesselos, so wurstig wie Mr. Donald D. Trump im Fond seines Straßenkreuzers ins Objektiv deines Bruders blickt – das setzt doch schon eine längere Bekanntschaft zwischen Knipser und Objekt voraus.
Und die entspannte, wenn nicht gar obszöne Haltung Herrn Trumps, mit der Hand im Schnitt ... (SZ 19.11.16)

Gräulich? Greulich! In vier Spalten weint Stefan Stirnemann von der Schweizer Orthographischen Konferenz dem "greulich" nach, zurrt und zerrt die modernde Rechtschreibreform auf die erste Feuilletonseite der NZZ (18.11.2016). –
Da strampelt und schlaucht die "alte Tante von der Falkenstraße" und will diesen ihren Spitznamen in ehrlichem Bemühn loswerden und wird auch langsam selbst für Linke ein wählbares Abonnement – aber da! als möchten dunkle Dunkelmänner dieser Entwicklung dämmen, wird etwa, quasi zur Territorialmarkierung, in der NZZ regelmäßig "placieren" geschrieben.
Stefan Stirnemann wählte halt mit Bedacht

Im Nachruf auf Ilse Aichinger in der Süddeutschen schreibt Maidt-Zinke: "... beim Verfertigen ihrer Beiträge für den 'Standard', die sie im Café Demel auf Speisekarten, Briefumschläge, Rätselhefte oder Einkaufstüten kritzelte ... "
Ilse Aichingers Kritzeln auf die erwähnten Unterlagen ist richtig vermerkt, nicht jedoch der Ort: Sie schrieb im Café Bräunerhof in der Stallburggasse (ja, im bekannten Thomas-Bernhard-Café!). Oft, vom Nebentisch, habe ich sie verstohlen beobachtet und hie und da ihr zerknülltes Gekritzel aus dem Papierkorb geholt.
Ilse Aichinger im Schickimicki-Touristen-Demel? Schwer vorstellbar.

... nachdem man sich langsam aus der Erstarrung löst, liest man sich laut die NYT vor und greift vorzeitig zum Weinglas:
Here is what we do know: We know Mr. Trump is the most unprepared president-elect in modern history. We know that by words and actions, he has shown himself to be temperamentally unfit to lead a diverse nation of 320 million people. We know he has threatened to prosecute and jail his political opponents, and he has said he would curtail the freedom of the press. We know he lies without compunction.

Wenn Linke, Grüne und auch die SPD es stemmen: Der hässlichste Boulevard der mir bekannten Welt, Unter den Linden, soll Fußgängerzone werden. Barrierefreies Touristenfließen also, aber auch knapper Zugang für die Unersetzbaren VIPs zum Café Einstein – und dann: was soll mit den Porsches vom Hotel Adlon werden?

Ich war im Wald lustwandeln.
Die Entgegenkommenden teils, die Rennenden alle haben ihr Hirn kunstvoll mit einem iPod gegen die toxische Waldesruh geschützt

Mons, petite ville de la Wallonie, ohne Eigenschaft, Mons, chambre étroite nicht nur für Paul Verlaine. Dort starben mir einst die Piaf und tags dann Cocteau, Jean.

Wie ein Menetekel auf der Wolkenwand des milde nieselnden Nachmittags:
Das alpenländische Frauenzimmer im Dirndl mit weißen Söckchen – zweifelsfrei nymphoman. Man ist froh, aus der sicheren Warte eines Barhockers ihrem Treiben zuzuschauen

Das Blatt liegt da, ich nehme es, will Fantasiestücke zeichnen. Dann ist plötzlich Schumann da, Robert, und mein Impetus wird schläfrig

Der Oberhäuptling aller Thais hat den empirischen Königsdienst gekündigt und sich in den Aggregatzustand des Nirwana upgeloadet.
Derweil warten die Liebhaber des Audirvana immer noch schmachtend auf den Download der Version 2.6 ihrer Software.
Solche Nichtigkeiten übergehend sausen und brausen Donald Trump oder auch Viktor Orbán, der geliebte Führer der Magyaren, durch die bierigen Hirne ihrer Claqueure.
Und auch ich musste an diesem frühen Abend widerwillig zugeben, noch nie mit Apérol-Spritz geschnäbelt zu haben

Im Ennui regnerischer Sonntage zu wiederholen:
In den Volieren flügge gewordener Tweetschnipsel ist es ratsam, scharf zwischen Backhendl und Geier zu trennen

Was lobe ich mir plötzlich das subtile, fein ziselierte Spiel des Abegg-Trios im "Largo assai" von Beethovens "Geistertrio": Der Mann scheint sichtlich ergriffen – muss ich über mich selbst anmerken –, gar gerührt schaut mir aus dem Schminkspiegel des Apple-Laptops mein Gesicht entgegen.
Auf dem weiten Gelände der Einspielungen von Beethovens kunstvollen Trios dauert die Anhörung allerdings schon eine geraume Tour. Hier sei nur der Grund vermerkt für die jähe nächtliche Erschütterung: Vor der (neuerlichen) Rückkehr zur Anhörung des Abegg-Trios war ein Trio in Muscle-Shirts bei mir zu Gast: Das "Largo assai ed espressivo" der Herren Staier-Sepec-Queyras war nun mal ein besonders befremdlich hanebüchenes Dachbodengetrampel

Leider nein. Nicht länger. Lieber nicht. Olga Martinova und ich, wir trennen uns nach nur einer Nacht. Die Begegnung dauerte diese Nacht, sie endet nun still und einsilbig. Eintönig war sie ja. Somatische Wallung allerdings, das muss ich zugeben, war keine verlangt, schon als ich Olga Martinova aufschlug. Dabei griff ich Stunden vorher – in der Dämmerung des lauen Sommerabends – ganz gierig nach ihr, als sie mich mit Worten wie "Mörikes Schlüsselbein" vom Buchrücken herab ansprach.
Die Sätze aber, die sich später im Bett aus ihren Seiten schälten, waren in fünf Minuten löschbar. Freundliches Sprudelgeblase, leuchtende Leere, fahler Rasen

zwei Ratten granteln. Im Schutz des Lichtbruchs (die Kaimauer räumt den grauen Raum) ruhen auch zwei plumpe SUV. Das Dunkel: auf der gekrümmten Spiegelung ein Vogel – das Weiß schwebt mühelos. Und verschwenderisch trödelnd der dunkle Himmel über uns

und dann war die Bühne wüst und leer. Im Hintergrund, als gelungene Spiegelfechterei, lag ein vergilbtes Parkstück mit dünnbärtigen Bäumen, seitlich eine Blasen werfende spanische Wand. Im Orchestergraben die Honks aus dem zweiten Rang, in der Blase der Namenlosigkeit krauchend, schrammend an der Hülle. – Im nächsten Aufzug war dann fast alles verdaddelt: Bilder, Gebilde, BretterTakelage, eine echte Künstlerin mit geliftetem Kinn – all die sinnige Andeutung einer tiefen, tiefen Provinz.
Und ein Grill: Er richtete sich nen Storch zum Braten auf dem Grill

Der schwarzen Wolke wohnte – wohl schon farbbedingt – eine erhebliche Traurigkeit inne. Als irrlaufender Schatten, der gleich über die Hügel vorn herfallen wird, trug sie ihre Betrübnis verblüffend leichtfüßig

Zeit wäre es schon, dass jemand J. K. Rowling zuraunt: Mach mal n Punkt! Jeder Sequel des Potter-Kosmos ist nur neue Nährung für einen bald folgenden Spott (dies sei angemerkt zur Zeit des für September 2016 angekündigten "Harry Potter und das verwunschene Kind")

In der Dämmerung wird Farhad zum Mörder. Jetzt ist erst Nachmittag, auf der Karstadt-Seite ruft die Staatsraison zur Andacht, die Neuköllner Seite gegenüber lässt sich von der Sonne anbuffen. Kamal, Rossschwanz, die Unterarme nebeneinander als trüge er immer noch Handschellen, betrachtet, aus dem U7-Schacht steigend, eine schwer graue Wolke. Der Halbmond, spitz, dräut aus dem Kottbusser Damm, roter Fahnenstoff, emblematisch, Nabelschnur Erdogans. Karstadt, das Kaufhaus – letzte Komfortzone vor den ab hier folgenden Unwägbarkeiten der Stadt. Hermannplatz – PhatSpleen aller Art

Ein Hirnstrom ist ein Hirnstrom dessen delikates Endprodukt allerlei närrische Aktionen sein können. So fand ich mich gestern, vom Norden einfallend, auf dem Baseler Marktplatz wieder – die Absicht war jedoch, nur leicht daneben, in Colmar, wieder einmal den berühmtesten Zeigefinger der Kunstgeschichte zu grüßen.
Statt Colmar schlenderte ich nun die Gerbergasse hinauf und setzte mich in die Halle. Nicht viel hat sich geändert dort: die zwei Teile der Bar "fumare – non fumare" sind gesetzeskonform verschwunden, die Bücherdeponie zur freien Mitnahme noch da. Zum Wein blätterte ich aus diesem Fundus in einem offensichtlich selbstverlegten Heft: "Roger Monnerat: Eine Art Morgenmantel ultramarin ... Unikat im marie sandkorn verlag, 2. Exemplar, Basel 2013". Auf dem Deckel wars unübersehbar handschriftlich signiert mit "Roger Monnerat".
Für Monnerats Gedicht "Ödipus" – ich darf da mal draus zitieren: "schöne, junge, verführerische BIKINI-Mütter ...", sicher famos und krass originell – möchte ich doch noch vermerken, auch zuhanden kommender Monnerat-Werke: Suffragette schreibt sich mit zwei "f"

Die Stille: ein lichtwildes Gestöber in allen Registern. Gleich Augenlicht, das nach innen gerichtet den Schlaf sachte versprachlicht

vor dem Col de l'Éclipse kappte ein Starenschwarm die Sicht. Um die Felsenhöhe, noch in der Spitzkehre fahrend, kam dann die Warnung vor dem Splatter, lauernden Springerstiefeln mit Messern in den Schäften. Nervös tippte er auf dem iPhone 6s die Adresse seines bevorzugten Modeberaters (phalanx-europa.com) – und lehnte sich erleichtert zurück: Im Gedudel des Neofolk blickte er noch einmal auf sein Outfit hinab: kein Zweifel, er und Martin Sellner auf dem Display, sie beide trugen das gleiche T-Shirt "Nietz - Che"
Als Sportsgeist am Steuer seines SUV einte er darauf gefühlvoll seine Hände spitz zu einem gotischen Spitzbogen. Und legte sie gleich ermattet über dem Spitzbauch ab: Für was noch Blut aus dem Ruppsack!
Dann legte er den Gang ein und machte ohne Angabe von Gründen kehrt, schoss hinab in einer schusseligen Identitären Bewegung

und zog das Wasser über sich: ein Daunenbett (wärmender Fluss, fetter Teller) – das bloß kein Glied raushängt! Das Hirn dabei noch trocknen Fußes auf das Karstgebirg gerettet. Dafür hier mir nichts, dir nichts, plötzlich alles voller Mücken. – Da, inmitten der neugierig dreinschauenden Schar, holte er ein Fleischmesser: Blut für euch, Volk, Mückenblut, grinste er

Ein Nebensatz trieb den anderen. Der Vogel sass, in der kurzen Pause hinter dem Komma, mit dem Rücken zum Geschehen. Jagte dann unvermittelt mit weichen Rülpsern dem eigenen Schatten nach

Wenig hilfreich: Der streunende Schmetterlingsfänger mit seinem Kescher – wenn er den Gedanken (die zum Teil mit gezückter Klinge keimen) nachschleicht

der Kopf durstet, nicht das Hirn. Unter den jielenden Möwen wird das Salzwasser flügge: Schwebendes, gemächlich. Ins Gesicht klatscht endlose Freude, ich brabble gegen die Brandung, grummle an die Gischt – dieses laxe Wellenlecken am globalen Azur, oder: Himmelskuppel, gebieterisch. Später lahmes Nachmittagsgemetzel einer großen Stille während auf der Zunge träge die Sterberaten zergehn

Noch in der Nacht hörte ich Gretchen am Spinnrad, nun steht das Wasser scharf in der Innenstadt. Eine Neer um jeden Hauseingang. Klingeltafeln, auch Ratten, wirbeln im Strudel – die Blicke, selbst vorsichtige, ratlos. Namen und Ratten angestrengt auseinander gehalten, und doch kommen in der Gegenströmung auch Nestlinge um. Alles Geplante verliert sich im Gegurgel, aber in den Fluten kein Fisch, auch keine Hirse und, natürlich, kein Devisenspiel (Gretchen am Spinnrad – war das Gerhaher?)

Nuria wünscht sich eine Vierteltontastatur. Dann vor dem Hinsetzen engert sie den Gurt – und dem freien Loch entströmt fein knisternd die Erleuchtung

vielleicht hat Shosha Ritzmann recht, wenn sie mit dem FBexit kokettiert.
Biederkeit, Stumpfsinn, Stupidität, Sofaeinfalt – wo ich auch in Facebook lande.
Ich schaue mal wieder rein – und bekomme prompt ein lächelndes Pipigesicht, gepostet von wonnig-vereinnahmender Mutterliebe, mit dem hochgescheiten Beitext "... my love, My lovely daughter"

nach etwa zwei Stunden im Jirglschen „Abtrünnig“ – will ich nett sein. Ich schreibe: Um den Duden zu verficken, braucht es keine 500 Seiten. Arno Schmidt hat es ihm ja vorgemacht, fünfzig Jahre ists her, da kann Reinhard Jirgl noch so klischieren – so wie der Solipsist in der Heide wird er nie und nimmer können. Da gibt es Jirgl-Seiten wo es nur sanft mayröckert („1 Morgens“) und – ganz hübsch! – eine Handtuchkugel gar zu Yorick’s (sic!) Schädel wird …
Ich blättere mal weiter. Vielleicht finde ich was Relevantes über Berlin, über jene Zeit als ich da ankam. Hoffe bald auf „1 Höhepunkt“ (O-Ton Jirgl), denn sonst wird dieses Hanser-Buch unweigerlich von mir scheiden

völkerverbindende Vorurteile (hohe Backenknochen gleich Slawen, flache Hinterköpfe gleich Jugos und Albaner und so fort) sind so unerfreuliche Fabrikate menschlichen Geistes wie etwa Gott.
Deshalb auch schweigen wir lieber über das Haupt des Individuums.
Im Brennpunkt einiger Minuten, gefüllt mit Welt und Erdkreis und Ortsgeschichte, stand er, um die Balance kämpfend, auf dem Fenstersims wie ein dostojewskijscher Antiheld. Um seine Beine kreiste, den Heros gering achtend, eine fettig glänzende, grünlich schimmernde Schmeißfliege.
Der Platz unter ihm verbog sich in Ungeduld. Die Frauen, in ihren Dekolletees, die Wangen zur Sonne, die Augen auf ihm, knieten in seiner Sichtweise auf den Katzensteinen. Er saugte an ihrer Aufmerksamkeit, während die Schmetterlinge langsam an seinem Bauchspeichel abtanzten. Mit jeder Abluft aus seinen Lungen schäumten seine Lippen leicht.
Dann wischte die Putze über die Mattscheibe. Das Jahr drehte sich weiter und ein Finger pulte wieder in der gastlichen Schleimhaut der Nase

unter dem Titel "Berlin" bemerkt und vermerkt die Süddeutsche Zeitung, dass "in Kreuzberg wieder gegen die Gentrifizierung demonstriert" wird. Dann folgen etwa 20 Zeilen über das Etablissement "Revolutionsbedarf" (dem ein neuer Hausbesitzer gekündigt hat). Abschließend hält Verena Mayer fest: "Man verlässt den Bezirk mit dem dumpfen Gefühl, dass Kreuzberger Nächte bald wieder lang sein könnten."

Twitter fordert mich auf, auf Twitter "süße Katzenfotos zu teilen" – Kaum dies auf Facebook publik gemacht, erschlägt mich eine selbsternannte Jungliteratin mit einem solchen Foto süßesten Viechs. War gezwungen, la jeune fille en fleurs aus meiner Liste zu streichen

Die sog. klassische Musik (ich meine da eigentlich immer die Kammermusik) wird ausgelacht, mit Spott gepeinigt über ihr silberhaariges (seien wir aufrichtig: tattrig-seniles) Auditorium.
Ich gebe zu: es ist wahr, es trifft zu. Denke ich an die leicht fadenscheinige Kleine Tonhalle der Stadt Zürich und blicke ich dort in einer Konzertpause ins ebenfalls fadenscheinig erscheinende, gesittet murmelnde Publikum – das Altenheim ist eine angemessene Bezeichnung.
Nur: mit der Erwähnung dieses Schweizer Städtchens haben wir Europa nur angetippt – noch lange nicht abgehandelt!
Schleiche ich mich denn in Wien, im Brahms-Saal des Wiener Musikvereins, von meinem schäbigen, drittklassigen Platz etwa in die elfte Reihe, habe ich zwar zu meiner rechten eine Gnädige mit Collier (die mich kurz, das Nasenrümpfen verkneifend, taxiert), zu meiner linken aber sitzt plötzlich eine blühend-junge – wahrscheinlich – Osteuropäerin.
Und dann hier, quasi nebenan, wo ich nach einem Konzert kaum zehn Minuten bis zum Haus laufen muss, im Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie, bei dessen Mächtigkeit die zwei vorerwähnten Säle so was wie Erdnüsschen sind – ein juveniler Run, ein Sturm der Jugend setzt ein die Treppen, die Reihen runter auf leergebliebene Plätze – drei Minuten vor Konzertbeginn.
wo also die Vergreisung?

In jener grauen Vorzeit als es zwar schon graue Listen gab, aber die Schattierungen des Graus noch nicht als geile Lektüre galten, in jener alten Zeit als Webseiten nur farbenprangend wie ein afrikanischer Markt, CSSgeregelt mit Sprymenüleisten, Hotspots, mit Rolloverbildern beladen als geziemende Schnittstelle zum geneigten Betrachter galten – pappte ich "poètes-maudits.de" zusammen.
In der Tiefe des weißen Raums wollte ich nur schwarze Zeichen.
Nun lese ich, dass der Schweizer Pascal Deville so etwas "Brutalismus" nennt und einige Beispiele dafür auf "brutalistwebsites.com" dokumentiert. Bei der Betrachtung seiner Sammlung bleibt mir nur festzustellen: Meine frugale Site ging wohl ein Schrittchen weiter. Und "Brutalismus" ist eh eine unzutreffende Bezeichnung. Vielleicht hat das mit Devilles Job zu tun – er ist halt in der Werbung

Polen, Kubaner, Waffennarren und Lastwagenfahrer schwenken verzückt die Stars & Stripes. Andere haben so ihre Bedenken, vor allem in Erwartung des nächsten 8. November. Marie-Astrid Langer klärte in der NZZ treffend dies Unbehagen:
"Die Alternative zu einem rassistischen Choleriker ist eine schlitzohrige Manipulantin."

satt wird man nie, wird schlicht nicht dösig, ein Überdruss ist undenkbar:
Bachs Sonaten & Partiten für Violine solo, diese "Sei solo a Violino senza Basso acc.", diesen Kosmos allen Seins hört und hört man, hört in der Deutung, in den unzähligen Lesarten (Hahn, Faust, Mullowa, Heifetz, Kuijken, Holloway, Kremer, Millstein, Szeryng – und wer da noch auf der Festplatte gespeichert), und glaubt jeden individuellen Kniff, jede Phrasierung in den Interpretationen zu kennen – und dann ist plötzlich eine neue Einspielung da und man lauscht und staunt schon ein bisschen: Midori Seiler bei Berlin Classics

Die Malaise meldete sich um die elf Kilometer über dem Ägäischen Meer. Es war ein Unwohlsein, unleugbar, ja, es war ein vornehm dezentes Unwohlsein. Frust. In der Hoffnung, dem nervigen Missgefühl zu entwitschen, rutschte ich die leere Reihe vom Gang bis zur Luke, und blickte mit forciertem Interesse hinunter auf die kahl-bräunlichen Inseltupfer in der Bläue des griechischen Meers.
Doch auch dieser Postkartenblick nützte nicht: Frustriert bis zum Knirschen der Zahnreihen gestand ich ein: In der unermesslichen Spannbreite menschlicher Lust wohl nur ein Langweiler, ein Spießer, ein Biedermann zu sein, dem alle genossenen Pornofilme, alle durchgeblätterten Erotikschmöker nicht jene kirre Klimax beibrachten, die im schweizerischen Tages-Anzeiger (im Flugzeug lag er auf) in einer Randspaltenmeldung beschrieben stand:
Ein Lehrer soll wegen sexueller Handlungen mit Kindern verhaftet worden sein – er hat Mädchen, von 3 bis 11, dabei gefilmt, wie sie ihm ihre Zunge herausstreckten.
Welch verspielt-sinnlicher Genuss, mir unbekannt! Ein tumber Lämmerschwänzchen bin ich wohl. Nie rauschte mir beim Anblick einer rausgestreckten Zunge die Geilheit wollüstig durch den Unterleib!
Frust. Ich rutschte zurück auf meinen Gangplatz. Überließ mich dem Brummen der Flugzeugmotoren.
Plötzlich aber war eine alte Szene da: Honig aus dem Innern der Schweiz und Zungen hie wie da – ein Zungenreden ganz nach üppigem Geilsein.
Na ja, das war halt mal

Ob Frau Bayram schon mal die Abluft eines brennenden Autos eingeatmet hat, frage ich mich. – So lange ist es nun auch nicht her, dass ich eine Wohnung in Der Rigaer Straße mieten wollte. Mehr aus Nostalgie als Sympathie, schließlich war Friedrichshain meine allererste Berliner Adresse. – Nun brennen die Autos auch dort. Und die bekannte Grüne Canan Bayram findet, dass die Polizei dabei nur die Anwohner schikaniert.

Was ist Muße? Die Stunden, die Tage im Sitzen rinnen zu lassen? vom Schreibtisch aufs dörfliche Grün der Weinegg zu schauen und zu schauen auf die üppigen Sommerkronen der Bäume auf dem Burghölzlihügel? zählen die Fenster auf der Fassade der Stephansburg? sich im düsteren Grün der Albiskette drüben zu verlieren?
Das Theorem von der Kürze des Lebens, die tatsächliche oder eingebldete, sans gêne dem Kopfschmerz der Zeitbessernutzer zu überlassen

Wir befinden uns – unkt man – in der Sterbephase der gedruckten Presse.
Von diesem Todeskampf des Zeitungswesens, vor allem von der Agonie der Qualitätszeitung merkt allerdings der gemeine Zeitungsleser recht wenig.
Außer: Er liest die "Süddeutsche Zeitung".
Dort bzw. darin wird uns nämlich der Verfall Tag für Tag anschaulich & packend vor Augen geführt: Druckfehler und wieder Druckfehler, kein Absatz ohne Druckfehler. Heute auf "Seite Zwei" eine Infografik mit einem konfus dargestellten Osteuropa. Vor paar Tagen eine Infografik, worin die Donau als Theiss bezeichnet wird (Forts. folgt)

... statt zwischen den Flughafenläden zu cornern begab ich mich nach dem Zoll zur S-Bahn. Und da, darin, noch vor dem S-Halt Stadelhofen begab es sich, dass mich aus heiterem Dösen ein greller Gedanke durchzuckte: Das Brot! Ich habe kein Brot!
Nach dem ersten Schock, in ruhigerem Fluss, fiel mir ein, einst im Züricher Volksblatt in einer ansonsten farblosen Eloge "vom besten Brot in Zürich" gelesen zu haben, das man am Stadelhofen bei einem Engländer bekommt. Diesen Engländer habe ich dann vorwitzig aufgesucht. "John Baker Ltd. Zurich" oder "John Baker for Our Daily Bread" gab mir ein Brot in Form einer größeren Schrippe, sagte, es wäre Sauerteig und verlangte fünf Schweizer Franken dafür.
Mit zunehmenden Jahresringen meint man, es gäbe nichts mehr, was einen schocken kann. Wenn man aber aus Berlin kommt und dort sein Sauerteigbrot für einen Euro das Kilo bekommt – ja, was dann? Vielleicht sinniert man über die reichen Schweizer, denen man jeden Preis andrehen kann.
Und der Geschmack des John-Baker-Brots? Sorry: nicht besser (auch nicht schlechter) als das Sauerteigbrot aus einem Berliner Lidl-Markt

wie aus einem ungesund langen Verbleib in grau dräuenden Wolkengebilden plumpste ich unverhofft und weitab vom täglichen Verkehrsfluss auf der von Gott und aller Gegenwartsnähe verlassenen Insel der Schweizer Orthographischen Konferenz.
Keine Ahnung mehr wie ich da hinkam.
Neugierig und vorwitzig blätterte ich auf dieser SOK-Website. Ziemlich überrascht las ich einen einsamen Nachruf auf Jürg Ammann, verfasst von "Dr. phil. Pirmin Meier, Autor, Beromünster" – einsam, weil ansonsten kein anderer Todesfall aus der Schweizer Literatur vermerkt wird (es gab nämlich einige Abgänge).
Belustigt las ich weiters kreuz und quer durch die Vorschläge dieses verschworenen Vereins zum rüstigen und reinen Deutsch (etwa crèmig statt kremig, placieren oder plazieren statt platzieren, Mujahedin statt Mudschaheddin usw. usf.)
Irritiert, ja ziemlich verständnislos las ich auch in der "Liste der Gründungsmitglieder" den Namen des rechtsgedrillten Züricher Notablen Filippo Leutenegger oder des ebenfalls stramm rechts fechtenden Pop-Popularisten Oskar Freysinger.
Verblüfft aber, so richtig nach Tenor, hat mich die Entdeckung von "Dr. Serge Ehrensperger, Winterthur" in dieser Liste. Abgesehen davon, dass Serge bereits gut ein Jahr tot ist – und dieser sein Tod von den Schweizer Orthographen sicher nur pietätshalber geheim gehalten wird –, kannte ich Serge Ehrensperger als einen, dem rückwärtslaufende Kultur-, Sprachpolitik ein Gräuel war.
Jetzt kann ich ihn nicht mehr fragen. Dabei wär ich doch ganz gern mal wieder nach Winterthur gefahren

Rainer Stadler von der NZZ berichtet in der NZZ über die Beschwerde eines Schweizer Fernsehkonsumenten: In einer SRF-Sendung wäre der FPÖ-Kandidat Norbert Hofer in nur vier Minuten siebenmal als "Rechtspopulist" oder "rechtspopulistisch" bezeichnet worden. Das hätte den Zuschauer an Gehirnwäsche erinnert. – Armer durchgewaschener Hofer-Fan

Auf 400 anspitzenden Seiten erforscht-erläutert der Liedsänger Ian Bostridge Schuberts "Winterreise". Nur im Text zum dreizehnten Lied "Die Post" fand ich, da muss man wohl motzen: Bostridge zitiert aus Alfred de Vignys Gedicht "Le Cor" (1826, quasi zeitgleich mit der "Winterreise") "que l'écho faible l'accueille / Et que le vent du nord porte de feuille en feuille" und bietet dazu die Übersetzung: "Lass' es den Abschiedsgruß des Waidmanns durch die Blätter / hinsäuseln echoreich mit sterbendem Geschmetter". Eine Zeile später wird die deutsche Übersetzung noch schmalziger: "Vignys Evokation von 'les airs lointains d'un cor mélancholique et tendre' (O laßt bei euch mich ruhn, und durch der Wipfel rauschen / von fern des sanften Horns schwermüth'ger Weise lauschen!) ist die poetische Verkörperung ..." – Ein Übersetzer wird übrigens nicht genannt, auch nicht im Literaturnachweis

Heiner Müller am Poesiefestival Berlin gewaltsam in Schuberts Winterreise gezerrt – man fühlt sich direkt zu Rufschädigung gedrängt: Haben die Veranstalter etwa den Heiner mit Wilhelm Müller verwechselt? (Literaturwerkstatt Berlin)

ach, fast vertrunken. In Berlin ist Biennale. Die neunte. Im Moment stehen wir darin, in der Akademie der Künste. Vor uns, vor dem Unisex-Klo, hat sich ein Rihanna-Klon den Ausstellungsflyer über die Brüste gehängt: "Stop looking at me like I'am the future". Das "the" hat sie von Hand durchgestrichen und "your" darüber gekritzelt

Das ist schon mal beruhigend: ein langfädiger Regen.
Lichtbilder kommen über die Jahre, chamois, mit gestanzten Rändern, darüber immer Worte wie kreisende Geier.
Unwillkürlich zieht man die Ärmel übers Handgelenk.
Die Dezenz des Lippenrouges, der Mund ein Marabu – und mein Wurzelrettich dort in der Kehle. (Marabu: erhobener Islamistenfinger!)
Gefühle bleiben Bückware, lindes Wellenschlagen – eine hochgewürgte Empfindung wie der sehr ähnliche Satz: Das Herz ist ein Flurschaden. Oder: Das Herz ist ein hölzerner Pelikan.
Wie auch: ein schwummriger Nachmittag: Klappmesser springen auf, ein Gott will über die Zebrastreifen, der Himmel bleibt ein aushärtender Grauschrei.
Rausbrechen eines Stücks aus diesem Geschrei.

So ein Eiertanz! So eine Jonglage! Helmut Maurós Musikkritiken kann ich normalerweise vertrauen, beipflichten, ohne sie zu hinterfragen. Nach seinem Text "Rattle & Haydn" (SZ 28.5.2016) bleibt jedoch ein mokierendes Lächeln zurück: Mauró zeichnet Simon Rattle als "umsichtiger, detailscharf reagierender Dirigent – ein höchst vitaler Musiker mit Verstand", um dann im Dirigat von "Die Jahreszeiten" von Unschönem zu berichten: "... waren die Sänger aber dann doch nicht mehr zu halten, gerieten wie auch das Orchester in gröberes Fahrwasser. Wenn Haydns Naturzeichnungen aber ständig als Weltuntergangsgewitter daherdonnern, dann verliert nicht nur der Paukendonner an Wirkung ... Haydns feiner Esprit wird zum platten Klangwitz." – Seine Kritik schließt Mauró mit einem Seufzer und dem Wunsch nach einer Referenzaufnahme.

man hortet Lichtbilder und hofft, sie später sich reinzuziehen – zu trüber Abendstunde womöglich und innerlich mit gebührender Rührung. – Konkreter Anlass zu dieser Verlautbarung: Wühlend in einer Schuhschachtel voller Fotos (vordigitale Zeit!) stiess ich auf Schulklassenbilder, die mich während des verweilenden Betrachtens (ach, der Jüngling, ich! etc) unerwartet an eine obskure Theorie der zeitlichen und örtlichen Ballung von Markantem in gewissen Schulklassen erinnerten – unter all den Teeniegesichtern konnte ich doch erkennen:
einen späteren Außenminister und US-Botschafter (heute erzreaktionärer Nationalist)
einen Präsidenten der Schweizerischen Chemischen Gesellschaft (auch ein in der Wolle gefärbter Philister)
einen Schriftsteller und zwei Dichter
einen Anime-Künstler mit Staatspreisen und, not least, einen Mörder (nach Art des Carlo Gesualdo da Venosa)
Mehr gab das Lichtbild bzw. mein Wissen nicht her, meine Suche nach weiteren Lichtgestalten in der abgelichteten Burschenschaft war leider vergebens

Im ungemein sterilen und unanständig langweiligen Hochglanz-Journal der Uni Zürich ("Die Campus-Zeitung der Universität Zürich") treffe ich in einem Preislied auf Philipp Tingler auf das Wort "taff". Noch immer, nach so vielen Jahren, schrecke ich auf bei der eindeutschenden Schreibung von "tough" – und suche im Satz nach einer Bedeutung mit "zäh" oder "hart" oder dem jiddischen "toff"

schon eine Weile her, womöglich Jahrzehnte, dass ich Brahms' Brief an Clara Schumann las: "Die Chaconne ist mir eines der wunderbarsten, unbegreiflichsten Musikstücke. Auf ein System, für ein kleines Instrument schreibt der Mann eine ganze Welt von tiefsten Gedanken und gewaltigsten Empfindungen. Wollte ich mir vorstellen, ich hätte das Stück machen, empfangen können, ich weiß sicher, die übergroße Aufregung und Erschütterung hätten mich verrückt gemacht." – Das Zitat habe ich damals überflogen, nicht "gelesen", nicht erfasst. Heute, beim Hören der Chaconne aus BWV 1004, darf ich – mit fürs 21. Jh. geziemender Coolness – von einem jeweils wieder aufziehendem Gefühlsorkan sprechen, egal ob ich dem Spiel von Szeryng oder Heifetz oder Kuijken oder Faust oder Holloway oder Hahn etc. zuhöre

Das Regenpochen ohne Regeln, dies arrhythmische Trommeln schlaucht den Geist: zwischen Gehalt und Losigkeit ergießt sich schnell ein platter Tintenteich – und welcher Prophet schwebt dann heran über den Teich und zaubert uns seinen kalten Kaffee aus dem alten Hut seines Gottvaters?

Der Weg übersät mit abgetragenen Blessuren, blauen, schwarzen. Schutzsuchend ducken sich die Erdhügel in die nahende Nacht, Grabhöcker mit eckigen Grimassen, indolent.

Die Würde toten Laubs im Griff des Winds (Friedhof Jerusalem, Seite Baruther Straße)

Der scharfe, hinterhältige Duft: ein vordergründig potenter Rosenbusch. Vergeblich beklopft

Elodie Pong: Selbst der Kunstkonsument guten Willens verlangt hinter all den leeren gebeamten Floskeln, hinter den vidiotischen Modern-Dance-Kindersprüngen beim eiligen Verlassen der Ausstellungsräume unverzüglich nach einer fetten Mahlzeit mit vollen Gläsern Wein. Und hofft, all das sterile Weiß, Pink, Lila nicht mit seinem Schuhabdruck verunreinigt zu haben

hinter der Bretterwand singsangte eine Jungfrauenstimme vom Zockeln der Heiligen Familie durch die Wüste heiß und kahl. Ich stand diesseits der Bretter, lauschte der salbungsvollen Stimme und kämpfte mit Niesreiz. Stand zwischen Kinderschuhen, ordentlich hingelegtem Winterkleid, im Waldorf-Steiner-Kindergarten zum Kindabholen bereit. Eben wollte ich der aufdringlich juckenden Nasenschleimhaut nachgeben, da schoss die Stimme hinter der Bretterwand kalt und scharf: Kannst du nicht ruhig sitzen, Ele! – um gleich darauf wieder ihren weihevollen Klang mit Jesuskind usw. einzunehmen. – Marie Bäumer in der SZ: "... Die Waldorfschule hat mich nachdenklich gemacht ... manchmal denke ich: Die Anthroposophen sollten mal ein gemeinsames Bad im Champagner nehmen, das würde ihnen guttun"

Said, der zart-zartfühlende iranische Lyriker in Westeuropa, begrüßt den Himmelfahrtstag in der FAZ konzis in vier Zeilen mit Rindermuhen, Mitternachtsvögeln, die den Schnabel halten, und – als Glanzpunkt und Knaller – dem nicht weiter präzisierten Wort: Staatsvernunft

"... nobel, groß, deutsch" – da stockt man doch beim Lesen dieser Worte aus dem Mund Menuhins, von Eleonore Büning in der FAZ wiederholt. Menuhin soll mit diesen Worten 1994 die deutsche Tradition des Geigenspiels bezeichnet haben

Die Kritiken waren allesamt gut bis begeistert. Den Kritiken nach war dies auch das Premierenpublikum. Der Untertitel "Ein Liederabend" verzückte den romantischen Lied-Freund, der sich eines Abends freudvoll erregt in die erste Reihe auf dem Balkon setzte. "Wer hat Angst vor Hugo Wolf" im Züricher Schauspielhaus war dann ein Klamauk, ein Broadway-Varieté, ein Rien, neunzig Minuten Augenweide – aber kein Ohrenschmaus. Neunzig Minuten lang horchte er in der Annahme, gleich würden noch Reste eines Hugo-Wolf-Lieds aus dem Buhei auftauchen, aus dem dürftigen Singen der notabene formidabel spielenden Frauen. Statt Lied gabs als Vokalstückchen wohl platzierte hysterische Schreie. Diese wiederum waren keine Überraschung: ging doch der Szenenmetteur Herbert Fritsch einst durch die Schule der Berliner Volksbühne

Das Angebot war verlockend, das Angebot ließ nicht locker, es zirpte weiter im Kopf, ein Angebot, das man, wie man sagt, nicht ausschlagen konnte: An der Linienstraße bei Neugerriemschneider zwischen schwebenden Ballons der Geburtstag des neuen Genies Tobias Rehberger. – Üblicher Eitelkeitsjahrmarkt

Kreuzberger Widerstandskämpfer und zugewandte Guerilleros – Achtung! Die heutige SZ urteilt über Sarrazins neues Buch: "possierlich, furchtbar und gut". "Sarrazin flüchtet nicht in abgedroschene Metaphern, mit denen mittelmäßige Autoren gerne übertünchen, dass sie eine Materie nicht durchdrungen haben. Es schreibt hier auch kein Wutbürger, der sich den Klischees über Politik sowie Verschwörungstheorien ergibt; im Gegenteil. Hier vertritt ein Autor legitime Positionen, die für seine Gegner schon deshalb von Wert sind, weil sie daran ihr eigenes Urteil schärfen können."

Es roch nach verbrauchtem Öl und Rasierwasser. Er stand mit dem Gesicht zur Wand, sein Blick folgte Linien, die sich wie beischlafwillige Paare verhedderten, er suchte das Ästhetische in dem Geschlingel dieser Sure, die goldgerahmt von der Decke hing. Beharrlich suchte er nach Sinn und Erlebnis – während hinter ihm der Araber an seiner Bestellung briet. – Draußen, die letzten Häuser der Friedrichstraße vor dem Mehringplatz, war die Welt bereits in einem teigigen Dunkel versunken, die Lichtstreifen stumpfe Klingen, die Schatten huschend in somnambulem Phlegma. – Das Huhn war verbrannt, das er dann zu Hause auspackte.

nicht dass mich Thomas Glavinics literarische Geistestaten je erfreut hätten. Zwischen seinen Zeilen hörte ich die stete Bereitschaft, den Mittelstinker hochzuzocken, aus einem Miko einen unauffälligen Macho zu bauen. Heute lese ich: Schusswaffen liebt er auch. Wie man sich nicht täuschen kann

das eine Bein belasten, dann, mit Bedacht, das andere: skrupulös rumhängen am Kottbusser Tor, unter der S-Bahn, im versifften Fluidum von Berlins bösester Blume des Bösen. Warten. Wie all die Nordafrikaner ringsum wartend ratschlagen, ob bei mir antanzen oder dealen erfolgreicher. Bevor zwei antanzen, mich vierfach abtastend umarmen, gehe ich über die Skalitzer. Betrete die Apotheke, weiß nicht, was dort soll und blicke ratlos in die Einfalt eines Kopftuchs

Die Hutzel wuchs in Zeitlupe aus der Ottomane, abgenabelt vom Alarm. Während dieser Wegstrecke von Sekunde zu Sekunde, zu Minute muss jemand die Noten mit einer weichen Brotkrume aus dem Melos getunkt haben

verrückt, der vom Stamm abrückt: hadert mit den Kastanien der Honk, wagt im flutenden Licht die Volte

"Der Rezipient, nicht der Produzent, macht Kunst zur Kunst" (Daniele Muscionico, NZZ)

"Introvertierte reagieren empfindlich auf Schreibfehler", lese ich in der Süddeutschen Zeitung. Endlich weiß ich, warum ich auf Orthografieblessuren so pikiert reagiere

abgewürgt durch die quallige Osternzeit (Oratorium und Fische, h-Moll-Messe und Eier): fast ganz das Facebook-Quackeln vergessen

Bruxelles, rue da la Loi, nach dem Métroattentat (zwischen Station Schuman und Mérode). Im Hintergrund der Eingang zum Parc du Cinquantenaire mit dem Triumphbogen (darauf der Quadriga), den sich Leopold II errichten ließ – um auch so was wie ein Brandenburger Tor oder Arc de Triomphe zu haben. – Vorvorgestern (jedenfalls vor einiger Zeit) lustwandelte ich noch darunter durch in den Park hinein, das Händchen hold & heiß meiner vierten Liebe haltend. Und ich weiß noch, ich sagte: Das also ist unser erster Streit ... Warum ich dies sagte, was der Grund des Streits war, das hat, ums beschlagen zu sagen: Lethe versoffen

und plötzlich die Wiederaufnahme dieser Reise / wie eine nasse Detonation in der U-Bahn / ein abergläubisches Weißfischzeichen

den neuesten Landraub an palästinensischem Boden durch Israel nennt die Neue Zürcher Zeitung (18.03.2016) in einer Titelzeile "Landnahme". – Derart scheinheilige, perfide, verschlagene Formulierungen erinnern einen unwillkürlich an die Presse der NS-Zeit

Die Fußball-Mafia ließ sich dadurch nicht nerven: Eine Flugbahn so weit oben über den Dorffußballrasenhalmen. Dabei, mal ehrlich, er ist doch recht nah an Sitten vorbeigeflogen, nicht wahr. Aber den huschenden Schatten übers Auge gleich als Dorn im Auge zu bejammern – ach, stört doch die ehrenwerten Transfers nicht! – So besinnlich klaubte ich die nasse Wäsche aus der Trommel, horchte eine Weile in die Stille zwischen den Leinen, machte die Libido und den linken Arm frei, blinzelnd durchs Kellerfenster in ein winselndes Nachmittagslicht

7 cm über Parkettniveau: die Zeit saß mir am Futonrand. Kauern musste sie natürlich, soweit unten, mit ihrem angegessenen Bauch. Luzide frühe 3 Uhr waren es und schaumgeboren war die Dämmerung erst im Traum. Da trat die Zeit – sich erhebend – voller Häme mir ans Schienbein, das entblößt und nichtsahnend aus der Decke ragte

Ein Megadadastammler unserer Tage, die wir eben durchleben, ist Peter Rech. Der uns als "Dame hoden händige Händlerin" bis zur geistigen Umnachtung enthusiasmiert und seine Kacke auch noch als "Philosophische Landschaft der Sprachlosigkeit" in unsere Bibliotheken schmuggelt (www.passagen.at)

habe im HimmelsBlau des Anton Erni flaniert. Wußte nie so recht, träum ich oder bin nur angebläut. Sicher war: fremde Wörter sind für dessen Korrektorat.ch nicht immer der Beachtung würdig (Mesages, Van Gogh und andere Nachlässigkeiten)

das Müde breitet seine Tücher über der Rabulistik aus: Sprache, wie sie nach zweimal Wein spricht. Rotes Raunen, mehr mund- als ohrgerecht. Huld aber im Niedersinken der Finger, die vorgespreizt

Auch wenn fast 15 Jahre zwischen den beiden Einspielungen: Hilary Hahn spielt die Ciaconna aus BWV 1004 mit Emotion, gefühlerfüllt, ohne gefühlsbetont zu sein, während Isabelle Faust 2010 fast schon nonchalant zupackt

Ja, die große Frage der Menschheit. Ja. Leider wurde die Genehmigung zum Abdruck vom Rechteinhaber hier nicht erteilt. Dabei ists doch nur Gesülz, n'est-ce pas

Nach dem desolaten Vortrag durch Yvonne Naef (Mezzosopran): Schuberts Winterreise ist definitiv für Männerstimme. Allenfalls, wenn kein DFD, kein Goerne, kein Gerhaher zur Hand, die alte Einspielung mit Christa Ludwig (und James Levine)

Der Biotop der deutschsprachigen Lyrik ist ein Hollywood-Film

Das Loch im Haustor. Schwarze Einheit, Höhe so Taille. Rebus, mit boshafter Frage nach der Lösung. In der Nachtschwärze, die arg das Auge blendet, eine rotzige Herausforderung: Die Suche nach dem Schlüsselbund in Taschen, die unvertraut untergebracht nach dem letzten Event-Dresscode

Zwei Unworte, vor allem wenn sie als Paar auftreten: Gott und Vaterland

Samtener, tagheller Traum im Raum: Der Flug der Daune in der Luftschwingung. Ein feinsinniger Film – wenn nur die grelle Polizeisirene schwiege

Diese stets laufenden Nazivergleiche! Was, frage ich mich zum Beispiel, unterscheidet Orbán, Kaczynski und die anderen Osteuropa-Popanzen vom Hitlerfaschismus? Richtig: der schrill verneinte Rassismus. Alles andere deckt sich passgenau mit dem Vorgänger-Vordenker: Der Rechtspopulismus, der Chauvinismus, der Wohlfahrtsnationalismus, die Dolchstoßlegenden

Esther Maria Häusler hatte einst Geschmack. Heute ist sie mit einer grauslichen Homepage unterwegs im Netz. Und der Urheber der Site signiert auch noch mit Namen, während die Schamröte sich überall auf der Seite ergießt, nur nicht auf seiner Visage

Honni soit qui mal y pense: Jahre, ja Jahrzehnte wurde jeder seiner Tastenschläge auf den NZZ-Kulturseiten nobilitiert. Sorgsam, des Lobes voll rühmte Feuilletonchef Martin Meyer die Konzerte des Sir András Schiff. Nun hat sich Letzterer revanchiert und Martin Meyer den Ludwig-Börne-Preis verliehen. Er, András Schiff, war dabei der einzige Juror, der über die Vergabe bestimmte. – Wir erheben uns und klatschen

12 € Eintritt in ein neues Europa: Yanis Varoufakis entfaltet seine Ideen mal wieder in der Volksbühne. Nicht uneitel der Mann: Der Sakkokragen wie gedankenverloren, ganz selbstvergessen, im Nacken keck hochgestülpt

Nie war mir was Verdächtiges aufgefallen. Und jetzt das. Ein Trommelfellfeuer. Wolfgang Rihms Hamletmaschine in der Züricher Oper: ein dröhnendes Getrommel. Und links und rechts zwei Mütterchen, die im Krach zu schlafen schienen

Zweifelsfrei: wir sind Kosmos. Akkurates Plagiat des Alls, jeder eins für sich allein. Irreversibel dehnen wir uns aus, ganz nach universellen Vorgaben, expandieren bis zum Kollaps. Doch kurz vorher, dicht davor, gibt es ein untotes Alter, ein 50plus, in dem der Best-Ager oder Master Consumer gesenkten Hauptes, beschämt in den Raum fragt: Darf ich mich noch verknallen?

Die Welt im Handteller, das Leben, das da aufschlägt: all das kein niedliches Rätsel: Dunkel die Zeilen wie ein Fischinnern

Unsere Nacken träumen: die Messer trauen ganz der Zukunft. Warme Träume mit rhythmischem Knochenknacken

Vorauseilendes Hören: beim Musikhören denk ich manchmal ans Kommende: Der nächste Takt wird sicher dies Gesicht tragen, wird logo so und so tönen (müssen). Und nicke dann zufrieden, wenn der Urheber so komponiert hat wie ich es mir eben ausgemalt habe

Im Schein der Augen blitzt Schmutz. Staubkörner, spitze Schreie von den Messerklingen, im Westen grobe salzleckende Luft, im Rücken der frühere Geigenton. Licht, Licht, und der Singsang des gallischen Hahns

Mit kitzeligem Behagen – warum nur? – lese ich, dass Marie-Louise Wilderijkx, flüchtige Jugendliebe, immer noch im Théâtre Royal de la Monnaie auftritt

Dieses Heute kleidet sich in viel Gestrigkeit. Aller Schmiss perdu

Der Neuen Zürcher Zeitung, und darin Stefan Betschon, entnehme ich, dass Sascha Lobo das Facebook als Deppenmagnet bezeichnet hat. Ob das nur ein depperter Spruch ist?

Am Fahrband lag es, blickte mir herrisch und aufreizend entgegen, während daneben der Alltag und dahinter aus einem türkischen Lautsprecher ein Kitsch brandeten. Einer muss den Kopf in diese Brandung gehalten haben, denn mit einem Mal wie klatschende Schwanenflügel auf dem Wasser

Dabei fing das Essen so harmfrei an: mit einem unschuldigen Salat. Auf der Fronstseite der Zeitung erging ich mich in der Betrachtung der gereinigten Abtei im Eichwald. Weiter in den Seiten gab es nur marginal ein Schwappen im Magen: beim Auftauchen der von urchristlichem PiS-Grübeln malträtiertem Antlitz der Szydlo-Kaczynski Beata. Dann war da das Bild von Angela Merkel, ausgeliefert in Kreuth all der CSU-Hinterfotzigkeit – Und plötzlich sungen alle Engel im Hause und weitaus weiter: Merkels politische Zukunft? Das ist die Präsidentschaft Europas

Dieses Geklimper: fiepsende Tönchen flatternd auf viralem Flug. Papierdrachen in der satten Luft. Im geöffneten Flügeldeckel: Saitenzittern. Schon bald, zur rechten Zeit, klatschende Ovation

Armin Sensers Gedichtband Liebesleben bekommt in der NZZ vier Spalten (19.1.2016): logische Folge von Feuilletonredakteur Roman Buchelis Ästimation von Senser – dessen frühere Gedichte zählte Bucheli bereits "zum Besten, was das Genre zu bieten hat". Als Freund von handfestem Mittelmaß bringt er in seiner neuen Besprechung etwa das Senser-Zitat: "Jetzt bleibt mir für dich kein Gefühl, kein Wort / nicht mal eine Träne" ... Bucheli nennt diese wahrlich extravagante Reihung eine "wahre Orgie der Verneinung". Auch lobt er Sensers Metapher: "Europa bleibt da der Wahn / eines unstillbaren Ottomotors". Fürwahr, auch wir sind verdutzt und flunderplatt vor so viel genialer Metaphorik

mal in Amazonsprech: Surfer, die diesen Blog lasen, haben sich auch für sandor-home und c.l.sandor-home interessiert

Gutmensch, Darmstadt, Darmstädter Jury: Die spitzen Hirne des tipptoppen Deutsch haben Gutmensch zum Unwort des Jahres gekürt. Begründung: Mit der Bezeichnung würden Tolerante und Hilfsbereite als naiv und dumm hingestellt. Ich weiß nicht. Da Gutmensch nun ein Unwort, kalauert es sich allzuleicht von Gutmensch zu Unmensch

diese jahreszeitbedingt beleibten Nächte durch geht oft ein zudringliches Flüstern: ein leichter gischtäugiger Fluss: die verpanschten Worte Machados –  y al volver la vista atrás / se ve la senda que nunca / se ha de pisar – , sein reichlich bekannter Caminante. Dabei höre ich doch nur ... eine Straße muss ich gehen / Die noch keiner ging zurück ..., höre Schuberts Winterreise, Wilhelm Müllers Text, höre Fischer-Diskau oder Matthias Goerne: ... kaaaeiner ging zurück ...

In Palästina tut das Regime Mahmud Abbas genauso wenig für den Frieden wie in Israel Netanjahu – ein zynischer Titel. Ein trüber Fleck auf der neuen Neuen Zürcher Zeitung. Von Ulrich Schmid – ein stoßend parteiischer Nahost-Korrespondent

Bis zu beiden Kniescheiben im schoßweichen Grund: Sowas von einem Kniefall. Weide für die paar Augen im Rücken, da wo der Raum sich fast unmerklich krümmt

Das Erwachen: Ein stürzendes schwarzes gleichschenkliges Eck. Wasser im jähen Fall, Wasser unter Drogen

Der Rest ist verlegenes Schweigen. Fremdschämen. Femme de lettres Ilma Rakusas Gepflogenheit, ihre Herzensflops, ihre Liebespleiten vor dem großen Lesepublikum auszubreiten, ist unangenehm, ist penibel. Wenn ihre Zwei- bis Dreiwortzeilen wenigstens von einem dolce stil nuovo kündigten!

Passé simple: Im beschlagenen Spiegel schwirbelt die Fassade, und das, was dahinter im Rücken noch sichtbar, fackelt zwischen Schwinden und Weichen, tritt mal auf den Linken, mal auf den Rechten, sucht mit den Armen unsicher die Balance

Der Weg leicht fallend, eine filigrane Frau lächelnden Munds, lahme Fenster, ein bläulicher Schattenwurf in Spiegelung. Der stete Wind lässt anfluten das Wasser: Treten am Ort

In Pirmasens beißt ein 23jähriger seinem Widersacher ein Ohr ab. Später spricht er von Judasohr und tragischer Verwechslung und Dellen im All. Seine Freundin plädiert auf Lässlichkeit

und jedes Mal ein Gefühl von Entlastung, wenn eine jüdische Stimme dem faschistischen Israel den Spiegel vorhält: "Israel hört nicht auf, im Westjordanland für jüdische Siedler neue Wohnungen zu bauen und gleichzeitig palästinensische Häuser zu zerstören, was ganze Familien obdachlos macht. Es verwehrt Palästinensern den Zugang zu ihrem Landwirtschaftsland und vergibt dieses an jüdische Siedler. Die Besatzungsmacht missachtet tagtäglich das Völkerrecht und die Menschenrechte." (Guy Bollag, NZZ)

Heute gefühlt 3000 Menschen begegnet. Alle starrten auf ihr Smartphone. Einer las in einem Buch. Drei in einer Zeitung. Vier guckten in die Luft.

Im versifften Bodensatz des Bahnhofs Zoo, versteckt zwischen Ulrich-Markt und dem undefinierbaren, numinosen Dunkel weiter draußen, wirkt das Nudelhaus der einsamen Männer. Trotz des lyrischen Namens der wenige Qudratmeter großen Stampe löffeln dort im Licht nackten Neons meistens slawische Freudenmädchen ihre Stärkung

Wort zum Vortag: Der Tag liegt nun da, verdient, wenn nicht Respekt, so doch etwas Anteilnahme. Frage auf Frage wurde ihm aufgetürmt, bis er betäubt stöhnte. Statt eines Mutmachers flößte man ihm dann Abendzeit ein

Er schaut in den Spiegel. Findet: über Nacht herbstlicher das Gesicht. Er aber möchte kess strahlen. Sagt deshalb laut: Fuck. Und noch einmal und lauter: Fuck. Dann besinnt er sich auf seine klassischen Unijahre und schickt dem Fuck ein kultiviertes Merdre nach

Jung wirken: das allerdings ist fuckin' schwierig, wenn im iPod touch Schubert-Lieder statt Battle-Rap gespeichert sind

Reisender, kommst du nach ICE: im Gebiet der ersten Klasse kannst du dich mit Tageszeitungen stärken. Außer der FAZ. Die hat sich aus Spargründen verdrückt

Kaum pflegt man ein paar abstinente Tage, schon vergeht einem die Lust am Alk

Die gefährlichsten Lampenputzer: Jusos mit Theologiestudium

Trashiger Gedanke: Mich vor der erstbesten Tunte zu outen. Und zufrieden über den eigenen Witz grinsen

Gott ist für viele Praline. Für mich Wurscht

Kein Feuilleton blieb ohne Freudenträne beim Erscheinen Igor Levits auf der Klavierbühne, sein Spiel hat Die Zeit verblüfft, der NZZ den Atem geraubt. Seine Dreier-CD mit den Goldberg- und den Diabellivariationen sowie den mir bis anhin unbekannten Variationen über "El pueblo unido jamás será vencido" von Rzewski gerierte seitenweise Besprechungen. Trotzdem: nach mehrmaligem Hören von Levits Interpretation der Goldbergvariationen ziehe ich im Moment immer noch die Wiedergabe von Glenn Gould (1981er Einspielung) oder des blasierten Sir András Schiff vor. – Violinistin Julia Fischer, die bis anhin mit Martin Helmchen musiziert hat, schnappte sich Levit für eine Tournee mit sämtlichen Violinsonaten Beethovens. Um Levit mal live (ohne Studiotricks) zu hören – in Berlin habe ich den Auftritt der beiden zwar vertrödelt, aber für die drei Konzerte im Januar in Zürich die Karten gesichert

Likest du mich, so like ich dich, likest du mich nicht, so like ich dich nicht. Und die Sprache in diesen Facebook-Kommentaren: Ein Pausenplatz, Worte wie unbehauene Bossenquader in aufgelassener Werkstatt. Viel Schokoraspeln, dann wieder Vollmondgebelfer

Nun wieder da: O du illuminierte Gotteszeit, du allerbeste Konsumzeit. Buntglühende Fassaden, Balkongeländer, Oma beklebt ihre Fenster mit Sternen: O du XXL-Jesusnacht. Geflügelte Hirschenschlitten, bepackte Engel und der Krampus nur als Odeur auf dem BurgerKingKlo. Und in der Zeitung das Versprechen von Gratis-Wlan in ganz Berlin

Im Matsch lag eine sterbende Plastiktüte. Unschuldig lag sie in ihrer nackten Versehrtheit. Die Schritte über ihr eilten kaltschnäuzig hin auf dem Gehweg. Nur für den sportlichen Kraftlyriker stieg aus ihrer Austauschbarkeit eine flüchtige immaterielle Schönheit

Pipilotti Rist: "Meine Kunst funktioniert als Trost!" – O allerheiligste Pipilotti! nimm dich mit mütterlicher Liebe auch meiner an und sei mir in allen Anliegen meines Leibes und meiner Seele eine barmherzige Trösterin!

Wer wüsste, ob nun die Zeit antanzt für den geflügelten Weißfisch, den Bohnensalat, das panische Spiegelei, unser vorgezogenes Abendmahl im Shabby-Chic

dieses pulsierende Zwielicht: Vorbote, ich fühls, närrischer Nachtaktivität

Der fast geschenkte Merlot del Veneto: stumpf und eindimensional sinkt er ein

Wir schaffen das – Angela Merkels Worte werden geflügelt: Unter einem Titel mit diesen drei Wörtern schreibt die SZ in einem Artikel: "Der Tonfall wird schriller, die Gangart härter, der Egoismus ausgeprägter, die Differenzen schier unüberbrückbar – und die Einheit ist schwer gefährdet. Nicht mehr das 'Wir schaffen das' wird da verkündet, sondern Einzelgängertum und Egoshooterei". – Besprochen wird mit dem Artikel, mit diesen Worten, ein Mozart-Konzert des Trio Zimmermann in München

Schon wieder ein Fall von Kunst. Nein, ich möchte nicht Stockhausens 9/11-Glorifizierung aus aktuellem Anlass nachsprechen. Dieser Event läuft auf der Bühne des Adlon-Hotels, der Herberge in Berlin: dort spricht im Moment Mitchell Baker, Mozilla- bzw. Firefox-Chefin. Und nicht ihre karminroten Fingernägel sind das Meisterstück: es ist ihre firefoxrote Frisur, in einem kühnen Schwung ganz nach rechts gedrillt, über der rechten Wange artistisch angeklatscht, die ganze linke Kopfseite nackt den Attacken ausgeliefert

Speck im Wegdämmern. Selleriesalat auf den Lidern. Auf der Wand vorn die Epiphanie einer Gänseleber. Unbestimmtes Licht: Das ist wohl der warme Händedruck des vergangenen Mittags. Langes herzliches Schütteln. Die Seele, jetzt, versteckt sich in einer Strumpfmaske, die Runzeln sitzen landeinwärts, wo sie ja sein sollten. – Wenn nur das betäubende Geknatter langer Güterzüge endete, dieser Kriegslärm billiger Schnäpse

Das Ringen um die universelle Wahrheit kurz unterbrochen: in den dritten Espresso gestürzt. Morgen ists und die Zigaretten bereits Auswurf

sämige Zeit des Nachtflugs. In den Ohren Zikaden: diese lasziven fliegenden Worte einer toxischen Lyrik

Heute habe ich mir Gedanken gemacht. Habe sie liebevoll verfertigt, hergerichtet, sie sogar mit Tiefe verziert. Dann habe ich sie nachgesprochen. Überrascht stellte ich fest: sie klangen nicht nach der Tonart, in der Platon, Sokrates oder gar der große Sloterdijk dichteten. Und wehmütig gestand ich mir ein, dass auch ein Woody Allen mich nie wird in seine Abendlektüre einschließen, die – wie ich es der gestrigen Zeitung entnehme – an erster Stelle aus Platon und zur Lockerung aus Bertrand Russell besteht.

Seit 1984, seit dem ersten Macintosh schätzte ich mich als Teil einer elitären Glaubensgemeinschaft. Noch vor zehn Jahren war ich in einer Kreuzberger Kneipe mit meinem MacBookPro ein Paradiesvogel. Heute lese ich (und ich nicke bejahend!): Apple ist nicht mehr on fleek. "Apple-Geräte stehen heute in jedem Mediamarkt direkt neben Plastikschrott. Von der Masse hebt sich ab, wer eben kein iPhone aus der Tasche zieht" (SZ)

Die Banalität des Bösen. Hannah A. möge die Plagiierung ihres Titels verzeihen – der fiel mir spontan beim Lesen der Nachricht ein: Amazon (i. e. Jeff Bezos) will eine "analoge" Buchhandlung eröffnen. Will unsere rührselige Sehnsucht nach dem Buchladen, der Bücherbudike bedienen. Das Sortiment werden bei Amazon allerdings nicht sachkundig vorbelastete BuchhändlerInnen bestimmen: Die Zusammenstellung des Angebots in den Regalen wird Sache von Amazons Algorithmen

statt sich mit mir sexuell zu unterhalten (bedingte Anziehung wäre ja gegeben), lebt sie ihre indiskrete Neugierde: Sobald die Nachbarin meine Stimme hört, huscht sie an die zugegeben dünne Wand zwischen uns, um meine Worte zu erhaschen

Staub im Lichtstrahl: Hingucker des Poeten. Fetzen Glück vor der Zeichnung phlegmatischer Endlichkeit

Biorhythmus – falls sowas noch fashionabel ist: Langsames Erwachen im zunehmenden Zwitschern. Erst einzelne, dann zaghaft und plötzlich krude die erste Straßenbahn

Tage wie billige Reclam-Hefte: Klassikinhalt in dünnen Papierdeckeln. Kein bibliophiler Wert

der Alltag trauert, das Braun zerfließt, selbst die Kirchenbank plärrt: Eine Tasse Schokolade wurde vom Schreibtisch gefegt

Angela Merkel macht Eindruck. Auf Pegida, AfD etc zu scheißen ist jetzo nicht nur politisch korrekt, sondern erste Allerweltspflicht. Beides zusammen: Verbeugung vor Frau Merkel & zum Schuss entblößter Hintern Richtung AfD – übt Euch in Multitasking!

Im mit heißem Bemühn durchgentrifizierten Prenzlauer Berg, und darin im begehrten Bötzow-Kiez, habe ich Marianne (Hundehalterin) zu ihrer BARF-Manufaktur begleitet. Der Laden nennt sich ganz prosaisch "Schmackofatz" und bietet der schicken Prenzlberger Pethalterin Biologisch-Artgerechtes Rohes Futter (kurz BARF)

Gegenüber, hinter dem offenen Fenster: Ein Technosänger nestelt an seinem Halstuch. Und ein hungriger Traum färbt seine Schamhaare rot

über der Türschwelle flutet weiß die Zeit. Die Dämmerung fällt ein mit groben Schritten. Schneidend mager drin die Gestalt einer Stimme

Das Leben als Confiserie: Starbucks Ostbahnhof: Pappbecher, Scherben einer Bierflasche, getretene Aludosen, Papiertücher. Vergebliche Sehnsucht nach Salznüssen, nach einem Stummfilm in Callots Manier

man wird ja doch nochmal sagen dürfen: auch Pegida, auch AfD: schön braun!

Mitternacht: mahnt die Vergänglichkeit an. Deutschlandfunk, Europahymne. Zwischen dem letzten Klang im banalen Hymnusstil und der Null-Uhr-Ansage lodert auf: Die Transzendenz meines Oberbauchs. Flattert Sekunden über den bereits schlafenden Waden. Gaukelt, irrlichtert, möchte vermeintlich nur spielen. Ob dieser Astralbauch nicht doch ein Messer versteckt hält

Ein Deformationsgebiet: Raum in bläulichem Neon, die Luft schal, die Wände bis Kopfhöhe in Ocker. Uringeruch

Hinter der Tür einzelnes Gicksen: Stimmen, die gelöscht werden. Rütteln an der Tür hilft nicht: die Tür klemmt

Eine zweifelsohne hochgelahrte, eine fraglos grundgescheite Sentenz: "Es gibt Gedichte, die man erst begreift, wenn man sie nicht ganz versteht." Ein Bravochen für Gerhard Falkner!

EGMR. Nun müssen wir uns auch vom gesprochenen Recht des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte verabschieden. Das Gericht, das zwischen Völkermord und Völkermord, zwischen dem Genozid an den Juden und dem Genozid an den Armeniern, sophistische Unterschiede macht, indem es einen üblen (aber üblichen) türkischen Nationalfaschisten freispricht, ist nichts höheres als eine der gewohnten in Juristenkauderwelsch labernden Justizdiscos

Das Wunder der schniefenden Oblaten: Fristgerecht zum Anbruch der kalten Witterung werden im Schiff der Kirche Santa Maria della Matutina in Poggio della Valle heisere Töne wahrnehmbar. Die leisen Laute kommen eindeutig von den Hostien im Tabernakel

Zur Buchmesse: Wenn Fernsehen sich zwischen Buchdeckel verirrt, nehmen Feuchtgebiete zu

Vermerk: Ich bin dann mal am Lesen

Eine böswillige Behauptung: In den Baumkronen, jetzt von üppigem Orangenrot, lauern Spinnweben: Die fein zitternden künden sachte von der Hoffart des Damien Hirst

Gleichgültig zieht sie die Ware über den Scanner. Jedes Mal wenn ich vor der Kasse im Kaiser's anstehe, sehe ich eine Art grüßende Wiederkennung in ihren Augen aufblitzen. Doch: wir mögen uns nicht besonders feurig. Nachdem ich mein Zeug auf das Band gelegt und den Einkaufswagen hinter die Kasse geschoben, bittet sie vorschriftsgemäß, den darin deponierten Rucksack hochzuheben. Ich bocke: Tun Sie sich keinen Zwang an, heben Sie ihn selbst, wenn es unbedingt sein muss ... Sie blickt indigniert, sie hebt. Und unter dem Rucksack im Caddie grinst plötzlich eine Packung Schnittkäse. Sie triumphiert. Die Muzak des Supermarkts spielt ein auftrumpfendes Lied. Der nächste Kunde blickt irritiert

Wenn das eh schon frugale Wetter sich in die Kälte dreht und die Kisten vor dem Bioladen immer leerer wirken und dazu auch noch die weißen Stöpsel mitten im Song aus den Ohren fallen: arme Stine

Eingezwängt im verdichtet linken Publikum bin ich Teilchen der Menge, die quasi pausenlos Janis Varoufakis applaudiert. Statt obszöner Fingergeste vorn auf der Bühne der Volksbühne wiederholt er immer wieder: "Seien wir doch mal praktisch ..."

das Blatt A4 verliess einst einen Tintenstrahler. Nun liegt es, zu einem Ball verknüllt, vor der Spitze des Chucks und wartet auf den Tritt

Eben noch, vor einer einstudierten Geste des Abschieds, wußte ich um die Lässigkeit des Reisens zu Zeiten schlechten Wetters. Überraschend schob sich dann das weiße Phlegma der Mondscheibe ins Bild. – Weniges nur hält sich nun um die Lichtquelle im Raum auf

Nach Charlottenburg verschlagen: In der Fasanenstraße rücken rickende Fasanen an: Mit ihren gesammelten Zeilen, erotischen Zwetschgenkuchen, mit ihren pompösen Volksmärchen

Strudel, Sog, Schrei: Ein Morgen nach Textbuch. Starre Strahlen: Die expressive Lexik allzu betulichen Gemüts

Gott und das Chlorhühnchen: da haben wir den Sonntag

Um die Ecke bog eine Schweizer Schriftstellerin. Irgendwie war sie breit, irgendwie war sie flach. Ein Appeal als hätte sie Haare an ihren Brustspitzen. Dabei hilft ihr Amant, der Feuilletonredakteur, kräftig, sie zu lichten

Lucy, nein, nicht du im Himmel, Lucy, du in der Bar, dich lösend vom schwankenden Barhocker, von dem leeren Schnapsglas: Im welken Mund ein Rest Pudelduft vom letzten Kuss mit deinem Hund. Im spitzbogigen Spiegel winkt dir nur die Spinnenpanikerin. Andere Schemen, links, rechts, sind ja schon länger tot

Im Strahl der Heroen. Um seinen Sockel ein entfesselter Platz. Der fette Lärm reißt an seinem Redekonstrukt, an seiner in naiver Haltung harrenden Hand. In dem Orkan erspäht der Andere noch ein Notenblatt: Hört einen feinen bläulichen Klang

Selfie: Kamera und Balkontür. Hocker. Die Lippen gepresst, schmal, der Kopf hängend, nur leicht nach links. Sinnend der Blick, einer Leere verpflichtet. Dennoch versucht die Linke den Faden durchs Öhr der Zeit zu ziehen. –  Später wird er auf dem Weg einem Kiesel einen Tritt versetzen

duftende Stunde: Botticellis Pudica. Farben flüchten flüsternd durch den Kopf. Wachheit: Bilderreden in der Gemäldegalerie. Eine einsame Schattenvenus des nicht gekannten Antonio Donghis tritt vor. Dann sackt die Halle in die Augengrube: entfärbt sich: David LaChapelles Paraphrase der Botticelli-Venus: rosa-rosenölig affektiert. – Draußen, am Matthäikirchplatz, eine graue weinende Bettlerin

Herbstvers auf wallenden Sohlen um Alteisentonnen: Rost in den Kronen: Kaltnadel: bleifarbene Vogelsilhouetten. Säumende Zeugen des Falls

In mancher Stampe in Wedding ist das Trinken spitzer als die Rede je wird sein können

Mais non, Monsieur Malet, mais non! das Leben ist doch keine Kotze, das Leben ist ein Traum, ein unsinniger sueño, wie Calderón schon sagte

Im nüchternen Beton-Glas-Gerippe der Berliner Festspiele an der Schaperstraße ein Event mehr: Das Literaturfestival Berlin weilt langsam vor sich hin. Als Glanzstück darf der Satz gelten: "Wenn Berlin einen Arsch hat, dann ist der hier" von Marina Napruschkina. Der Satz bezieht sich auf Moabit, wo die Russin eine Initiative für Flüchtlingsbetreuung gestartet hat. – Ennuyant wird es für meinen Teil beim Religionsflüsterer (Die Zeit) Navid Kermani, dessen "ungläubiges Staunen" mir nur Gähnen abnötigt. Seine schier endlose Fachsimpelei über Gott und dessen Entourage macht auch den Diskussionsleiter, den Schweizer Andreas Isenschmied, schlicht mundtot. Als Kermani bei irgendwelchen Kirchenbildern anlangt und von "Fleischwerdung der Bildlosigkeit" palavert, suche ich den Ausgang.

Die destruktive Wirkung mieser Nachrichten vermeidend (Haagerup-Doktrin im Kopf!) vermelden wir für heute: Der Himmel über Lissabon ist nur leicht bewölkt

"Verpiss dich, Schwuchtel!" – Auch wenn der nächtliche Rat der zwei Araber wegen der vermuteten sexuellen Orientierung einem ein Lächeln abnötigt, man erschrickt doch über die zunehmend brutalere Berliner Nacht

Das Leiden nach dem Lichterlöschen: Bedrohliches Mückensirren

Unter dem Pflaster der Köpenicker Straße ist der Strand. Mit viel Phantasie auszumachen im raren Sand des Spreeufers. Diese Phantasie besaß "Habait", Israels rasant wachsende Kulturexklave in Berlin, und lud dort zur "Tel Aviv Beach Party". Netter zwar und vor allem heimischer wäre "Strand" statt Beach gewesen, aber was solls. Der Spree war die Wortwahl eh egal, sie setzte ihren Fluss während des ganzen Events schulterzuckend fort. Nicht ganz so gleichmütig waren die Kreuzberger Anwohner – in der Mehrheit Palästinafreunde. Vernehmlich laut wurde – kaum war des jüdische Vorhaben bekannt geworden – für ein Gegen-Fest geworben, zur lautstarken Gegenparty gerufen. (In Kreuzberg hat es sich halt noch nicht herumgesprochen, dass Expats aus Tel Aviv zumeist vor der faschistoiden Borniertheit des orthodoxen Israel flüchten.) Habait, der Klügere, stellte sich alsbald dem Feind, sprach von unpolitischen Ballspielen, leckerem Hummusbrei, Melonen, Gratismassage im Spreesand und lud zum Dialog. –
Ein übernatürliches Mysterium ward dann Ereignis: Man setzte sich zusammen, disputierte, und die Party wurde in "Tel-Aviv-Jaffa" umbenannt (Jaffa ist der ursprüngliche arabische Name der Stadt). Es herrschte plötzlich eitel Mondschein und noch heller wurde es als der DJ aus Israel seine Gage Palästinenserkindern aus Gaza spendete. –
Nur eine Handvoll Militante trübten die Nacht mit Intifada-Chören, zogen dann aber unter Polizeigeleit ab.

Diese Minuten zum Beispiel: ein Pfuhl mit einem betusam fließendem Leben. Zu träge, um darauf Worte zu flößen

Schleierwolken. Die letzten Dinge, Dinger. Schaukelnde Bilder. Eine alte Berührung flackert noch einmal auf

Je suisreste Flüchtling

Noch kurz ein letzter Mundvoll Krebssalat. Noch kurz ein Satz mit sinnvoller Anbindung an den Abend. Ein Satz mit kalkulierter Reimbildung. Ein stumpfer Gleichklang. Ein gebratenes Wiesel inmitten von Fettgeriesel. Sowas

Wie man aus der Zeit fällt: Die Augen zielen auf Fernes, ein Display wurde seit 20 Stunden nicht mehr angeblickt. Die Hand fummelt überall, nur nicht am Handy

Steine und Träume im schwindenden Licht. Rollender Kies beleckt den Fuß. Nonnensausen im Hintergrund. Vielleicht auch nur Tinnitus

Knaackstraße, Prenzlauer Berg. Unverfälschtes, wenn nicht originäres Streetfood. Die Worte der Bedienung kaum entzifferbar. Hinterher kein Norovirus, dafür Übelkeit

Neben einem Stapel Mikrofasertuch staubt ein Vollkornriegel. Die Rückwand in träumender Blässe – ein unverbrüchlicher Mikrokosmos. Aus den Lautsprechern ist Grübeln hörbar

Erschaudern lässt mich Philippe Jarousskys Stimme, ich bekomme Gänsehaut überm Rücken, wenn ich sein "Quae moerebat et dolebat" in Pergolesis Stabat mater höre (mit Julia Lezhneva und den Barocchisti). Ähnliche Sensation zeitigt auch Schuberts Quintett D 956 – die Nackenhaare sträuben sich stellenweise, etwa im Adagio

Auf dem Tempelhofer Feld, dessen drei Quadratkilometer laut Berlinerinnenentscheid topfeben, leer und öd bleiben müssen, habe ich ein mir unbekanntes Kraut entdeckt, dessen Stängel bereits die Höhe von – Augenmaß – 150 cm erreicht hat. Ein Frevel, wohl

Auf SWR2 Rezital des Pianisten Cédric Pescia. Nun, ja. Aber wenn jemand bei Bach (Goldberg Var.) derart in die Pedale tritt, rauschende Romantik entfacht ... ich stand auf und schaltete das Radio aus

Mit noch vollem Glas stand er da. Jenseits der nackten Fensterscheibe stand die Morgendämmerung. In ihrer rosenfingrigen Herausforderung. Keiner machte einen Schritt, keiner biss zu, keiner klickte. Er roch an seinem Wein. Ein Vogel setzte ein

Schaue aus dem Fenster: Ein Regen.
Ein Regentropfen ist eine belanglose Quantität. Verlässt furchtlos den Raum um in einer Lache aufzugehen

Warum bloß bin ich dauernd draußen, wo doch Facebook extra zu unserer Bestrahlung eine Quarzlampe (vulgo Höhensonne) installiert hat

Diese Nacht ist vollkommen zart. Zärtlicher als ein Filet mignon bei Auerbach

Meine Nachbarin, eine Pastorenwitwe, berichtet heute Morgen, dass sie in der Nacht nur durchs intensive Zu-Ende-Hören von Hugo Wolfs d-Moll-Streichquartett zum Atheismus bekehrt worden ist. Sie will noch heute Joachim Gauck darüber informieren.

laut NZZ erhält man in Zürich eine "an Wahnsinn grenzende Menge von Kunst" (Artikel Melanie Keim)

Was aber unbedingt an die große Glocke gehängt werden muss: Letzte Nacht habe ich unruhig geschlafen. Erst am Morgen fand ich die Ursache – unter dem Laken duckte sich ein Klang en forme de poire.

Die Alte Jakobstraße abschreitend laufe ich mehrmals in Schwaden von Lindenblütenduft. Dabei fällt mir ein, dass ich Gedichte mit Blumennennungen nicht riechen kann.

Habe auf der Cuvry-Straße, Höhe Hausnummer 27, ein Gottesteilchen gefunden. Da meinerseits keine Verwendung dafür vorhanden ist, gebe ichs gern ab (Bitte nur ernste Anfragen!)

Der Schall torkelte durch die Gasse, warf einen Schatten auf die Mauer und prallte als Rauch zurück. Erschrocken blieb er stehen, franste mählich aus und löste sich sachte auf (aus den Hitzefantasien)

Eine blasse Feder hing aus einem Nest im letzten Licht. Darunter stieg der zart-blaue Dunst eines alternden Rauchers

Nach 24 Stunden Göttern, Griechen, Tierblut, Sperma und Eingeweiden, nach 24 Stunden "Mount Olympus" von Jan Fabre im Haus der Berliner Festspiele werden Europas sonstige Festspiele zu Spielchen

Die Welt verändert sich ständig. Gestern noch ein Verbrechen, heute werde ich laut Monika Herrmann 60 g Cannabis monatlich kaufen dürfen. Legal. In einem ihrer vier Shops. (Die gibts allerdings vorläufig erst auf dem Papier)

Ist schon bezaubernd schön wie das funktioniert! Im Facebook schreibe ich: Bin am Zigarettenrauchen – und schon habe ich ein Facebook-Inserat über COPD daneben!

Das Tacheles wird von Herzog & de Meuron (um)gebaut

Staune über all den großmächtigen Nebel hier in dieser Stadt

Bin kurz draußen gewesen, um eine Gauloise zu inhalieren. Jetzt bin ich wieder im muffigen Drinnen

Über die abendliche Tischgesellschaft sinnierend: Mutig wie ein Don Giovanni lade ich Komtur NSA zum Souper

Besonders krass fühlbar ist die existenzielle Verlorenheit in einer Erdspalte auf der Hasenheide (fast ganz oben, am Columbia-Damm)

Ich saß im "Nirgendwo" in Friedrichshain, starrte für einmal nicht in mein Glas und sinnierte. Halblaut dachte ich: Ich möchte mal erleben, dass Sol Gabetta Xenakis' Nomos Alpha spielt. – Nur der Junge hinterm Tresen hörte mich

Ach, das Schmutzige, das dem Menschen innewohnt! – Während es meine Nachbarin nach Brüssel zog, um in der Monnaie ihre Herzkleckser mit barockem Schmelz zu kandieren (Händels Tamerlan oder Alcina war es), gab ich freudig einem Ruf der Volksbühne nach. Immerhin lag es schon ein Äon von mindestens drei Wochen zurück, dass ich mich meinen niedrigen voyeuristischen Trieben in einem Theater widmen konnte. Die Inszenierung von "Die 120 Tage von Sodom" durch Johann Kresnik, nach Pasolinis "Salò", nach de Sades "Cent-vingt journées", schien und war da ein wohlschmeckender Bissen. Bereits beim Gang durch die Rosa-Luxemburg-Straße breitete sich ein laszives Grinsen über mein Gesicht – und doch kam ich nach der Aufführung verstimmt den gleichen Weg zurück. Blut, Schmerz, Sex, Kacke & Urin: Sicher was für Aficionados der SM-Szene. Mir war es zu viel. Erinnert habe ich mich noch an einen Satz des Politikers (dargestellt durch Roland Renner) auf der Bühne: "Keine Bildung, nur Konsum. Nichts im Hirn außer Geld, Fressen, Vögeln, Facebook ..."

Während ich zwischen Bett und Bad in den neuen Tag präludiere, bohrt sich der Flug einer Motte durch das schattige Grau des Morgens. Ein göttliches Omen, zweifellos

Orange verfärbt sich das Himmelszelt im Westen. Abend auf dem Tempelhofer Feld. In einer kultischen Handlung werden unzählige Smartphones in die Höhe gehalten. Zur Ikonorhoe auf Instagram, Pinterest, Flickr etc beigetragen

Emilie Jeanne-Sophie Welti. Auf die haben wir im Röschtigraben gewartet. Nun flog sie unerwartet nebenan über den Heimathafen Neukölln. Und nannte sich Sophie Hunger

Da er im Moment nichts zu tun hat und auch die Luft um ihn milchig wirkt, bohrt er mit der Zunge in einer Zahnlücke. Der Umgang mit Anthroposophen, denkt er, ist zum Schießen. Dann denkt er auch ans Kaugummiblasen

Ziemlich einsam fühlt sich die Perücke und die sie tragende Seele ganz schön angeknabbert. Nur hinter der Bühne kommt die Glatze hervor. Dann steht eine Flasche auf dem Tisch und das Glas wird schnell leer. Cembalo. Der ausgekühlte Blick verheddert sich. Vielleicht von Rameau

Der Wind schmollt. Mault herum, legt sich nur unwillig. Letzte Regentropfen. Es riecht nach Nässe, verrottendem Laub. Knäuel verknüllter Klarsichtfolie. Eine Kosmetikerin stöckelt zu ihrem Toyota

Was für schöne Worte am nassen Morgen: Du bist unlesbar

Ich bin nicht von dieser Welt, quiekste die Maus und retirierte über den Umweg einer Himmelfahrt in sein Unterweltskabuff

Meldung aus einem anderen Saal. Mit dem Fiebermesser in die Achselhöhle geklemmt, gefüllt bis zum Überlauf, vom Ondit angesengt, gebettet in einen stillen Wahn sitzt er an einem Ecktisch in der Landschaft. Plötzlich lacht er auf, ohne besondere Erheiterung. "Armut ist ein großer Glanz aus Innen", fiel ihm da ein

Nur zur Hälfte. Während ich mich in der Betrachtung der Gewitterwolken verliere, die sich über den Dächern ballen, füllt sich mein Gral nur zögernd. Gral? Gral. Ich könnte ja sagen: mein Kelch, das wäre wohl treffender als Gral. Aber morgen ist Auffahrt, das Volk ist hemmungslos am Verreisen, und wir wollen ja keine Spielverderber sein. Und erkennen an, dass mein Becher nun der Gral, ein mit Apérol Spritz zur Hälfte gefüllter Legobaustein im fluffigen Gottesbild der Unendlichkeit

"geiler Scheiss" – diesem Neologismus gehört der heutige Tag

Kaum habe ich die Zahnbürste in den Wasserstrahl gehalten trat mich die Frage ans Schienbein: Wieso hat die Zeit es so eilig, mit ihrem kumpelhaften Zwinkern, mit ihrem halbseidenen Lächeln um die dick geschminkten Lippen, mit ihrem endlosen Bindestrich

Ein warmer Tag hat sich gerichtet. Und ich weiß nicht, warum ich so unentschlossen bin

Welches Getöse, welches Gebrause gab es vor paar Jahren als mitten in Kreuzberg am Marheineke-Platz die Markthalle umgebaut und neu eröffnet wurde! Im Bestreben, dem Multikulti-Straßenfutter (pardon: Streetfood) die ihm entsprechenden Sakralen Bauten auf Hipsterniveau zu errichten, wurde jetzt auch die Kreuzberger Markthalle Neun beim Görlitzer Bahnhof (für Ältere: im Herr-Lehmann-Kiez) aufpoliert. Der Alles-für-1-€-Ramsch ausradiert, die Aldi- und Kik-Tüten hinauskomplimentiert. Und groß war dann wieder das Al-Natura-Gedöns. Regional, saisonal, fair und bio sowieso waren die (langsam doch leicht altbackenen) Stichworte. Und so wie der Duden seine Bücher neuerdings englisch betitelt, so nannten die Markthalle-Foodies ihren wöchentlichen Höchsttag "Street Food Thursday". An diesem Tag wollten wir uns dort auch mal was anessen. Kurz: Die ach so regionalen vietnamesischen Frühlings- (oder waren es Herbst-)rollen schmeckten nach Zeitungspapier, die Erdnuss-Soße nach Essig (4 Euro), der Sun Day Burger mit gebratenem Tofu schmeckte nach Gummi, das Brötchen drum herum (glutenfrei!) undefinierbar. Die MacaJoe-Smoothies (Aloe Vera, Banane etc etc.), frische Idee aus irgendeinem Latinoland, helfen laut Verkaufsstand gegen Rheuma, Impotenz und Kinderlosigkeit für nur 4 Euro 50. Im Geschmack ähneln sie tatsächlich Aspirin. Taiwan ist mit Gua Bao vertreten: Schweinebauch in windelweichem Brötchen. Zurück nach Deutschland: Die schwäbischen Maultaschen, von Barbara für 7 Euro 50 gebraten, könnten mit etwas Wohlwollen als Schuhabsatz Verwendung finden. – Da sind wir dann doch wieder hinauf zum Kottbusser Tor zu einer Türkenbude

Mir träumte, verdämmernd mit offenen Augen, die Wirklichkeit bricht ein. Von einem feinen Brecheisen sekundiert sprengte sie meine Wohnungstür und schlich – nicht einmal auf Zehenspitzen –

Gestern wollte ich auf der Post ein Telegramm aufgeben. Nach Aufregung im Personal, viel Va-et-vient, wurde ich auf die Psychiatrie verwiesen

Leute! Auf eine Frage! Sehe ich wirklich derart debil aus wie dieser Text hier, den mir, dem vermeintlich Geistesverwandten, eine Ladina Kindschi aus dem schweizerischen Davos zugesandt hat???
Hier der tiefsinnige Wortlaut: "Wir sind sonnenhungrig! Du auch? Dann komm zu unserem Ferienseminar nach Paros, der Insel der Seligen! Oase schaffe, uftanke, ufblüeh (sic!) ... Hier ist Gastfreundschaft noch selbstverständlich, Gemütlichkeit angesagt und Herzlichkeit das Geheimnis für ständig gute Laune. Hier kommst du an – hier darfst du Sein (sic!). Einfach geniessen, träumen, loslassen, dich hingeben. Yoga, Tanz, Meditation, Rituale, einfach si (sic!) ... feines Essen, gute Kompanie ... Im Dezember zieht's Ladina grad noch weiter in die Ferne, in ihr geliebtes Ganeshpuri, Indien. Es hat noch ein paar freie Plätze. Wir leben in Ganeshpuri, im Dorf des Heiligen Nityananda imitten der Einheimischen, besuchen die Tempel, feiern Arati, offerieren Girlanden und stärken unsere Verbindung zum Göttlichen. Während unserer Reise in unser Innerstes üben wir Yoga, Meditation, Kontemplation und Mantra Singen (sic!). Wir erleben eine vedische Feuerzeremonie und besuchen den Göttinnentempel Vajreshwari, der der großen Shakti, der Mutter des Yoga, geweiht ist. – Auf Timetodo wird eine Sendung mit Ladina und Thomas Peter ausgestrahlt. Thomas Peter ist ein Klangheiler mit einer unglaublich starken Stimme. Ladina und Thomas werden einen Workshop auf Malta leiten. Das Thema ist Die Lichtsprache der göttlichen Seele. Thomas zeigt dir mit seiner ausdrucksstarken Stimme und seinen wunderbaren Kristall-Klangschalen, wie du ohne Technik mit der Lichtsprache der göttlichen Seele arbeiten kannst. Im freien Ausdruckstanz und im Mantrasingen öffnest du jede Zelle deines Seins, lädst deine Seele ein und erfährst direkt die göttlichen Seinszustände. Besondere Aufmerksamkeit schenkst du deinem Zentrum für Göttlichen Frieden. Weitere Highlights sind der Besuch des Hypogäums und der ältesten Göttinnentempel der Welt. – In unserem nächsten Seminar Kunstwerk Körper-Tempel erfährst du, wie unendliche Weisheit in jeder deiner Körperzellen schlummert. Du malst Bilder in ganz kurzer Zeit aus dem 'Bauch heraus' und umgehst so den kritischen Denkprozess. Mit dem 7-Schritte-Prozess (weiterentwickelt vom Halprin Life Art Process) widmen wir jeden Tag einem anderen Körperteil: der Wurzelkraft und Stabilität deiner Beine, den Feuerwerk deines Beckens und der Handlungskraft deiner Arme und Hände."

Als ich auf Kreta eine auf 80 km/h limitierte Fernstraße mit eben diesen 80 km/h befuhr, wurde ich trotz Sicherheitslinien links und rechts überholt und beharrlich mit Huptönen bespuckt. "Die sind noch nicht in Europa angekommen" murmelte die Freundin neben mir

All den Rollkoffern, die hinter Engländern, Spaniern und anderen Touris auf den Gehwegen von Kreuzberg klappern, geht es nun brutal an das eingebaute Plastik: Im Mai schickt Berlin erbarmungslose Pantomimen auf Streife, die bei Sichtung einer solchen Ruhestörung ihren Zeigefinger fest und unübersehbar auf die Lippen drücken. Nulltoleranz, drakonisch

Ein tätowierter Glatzkopf schlug einem Prophetenrauschebart die Schischa aus dem Maul. Er meinte, nun wäre er schlagfertig

Laut SZ vom Sonnanbend behauptet der Züricher SVP-Universitätsprofessor Hans-Ueli Vogt, dass die modernen Menschenrechte ein "Programm der politischen Linken" sind. Ein Teufelswerk also, das nur "Ansprüche an den Staat und damit an die Steuerzahler" generiert

Angela Merkel hat das Charisma einer Regenjacke (SZ vom Sonnabend, 2.5.2015)

Drehfacebuch: Eine Todeszelle. Hinten, durch eine vergitterte Luke, dämmert der Morgen. Von rechts kommt eine Ratte, schnüffelt an abgerissenen Werbeslogans. Am Judasauge wird behutsam der Deckel zur Seite geschoben

Heute liegt unverkennbar ein leutseliges Zähneknirschen in der Luft

Zwischen 06h und 07h ein Streichquartett von Niels Wilhelm Gade. Flaue Frühe. Lasch wie der Händedruck von Ärzten

Selbstbildnis hinter dem vergangenen Tag: In hoffnungsvoller Eitelkeit, die Feder in ein Fettauge getaucht, singe ich Knochen, huschend über ein Blatt Papier

Eine liebe Gepflogenheit der Duden-Redaktion ist das Fettnäpfchentreten. Ganz dieser Tradition entsprechend betiteln die Büttel der deutschen Sprache ihre neuesten Bücher mit "Learn Attack"

Vernissage in einer Schweizer Provinzstadt: Kein Wein, keine Tapas, Werner hat sich seinem Teig zugewandt und Hans Schärers Madonnen haben in der unsensiblen Massenhängung ihr Schrecknis verloren. Man nimmt das nächste Schiff hinaus.

Ich schaue zu wie von einem Baugerüst eine Brause wirbelt. Nasse Flecken im Hirn. Wie angebrannte Zwiebeln

Soeben bin ich über das Seiende gestolpert. Konnte mich gerade noch auffangen

Lidl spielt schon wieder den Zampano. Hat doch nun meinen Lieblingsschimmelkäse aus dem Sortiment getilgt

Ein rasender Rollator schoss an mir vorbei. Ich stellte ihm ein Bein. Immerhin begab es sich zu Zeiten des 7. DLG-Streiks

Pst! Pst! – scharf sirrte die Stimme aus einer Mauernische. Eine Hand griff mehr nach Luft als nach mir, während die dazugehörende andere kunstvoll und blitzschnell den rechten Busen entblößte. In dieser Bewegung erstarrend stierte mich die Frau unverwandt an. Nach kurzem Zögern ging ich meines Wegs. Sicherlich wollte sie ja nur nach dem nächsten Dönerstand fragen

Was bekommt eigentlich der Autor Ernst Solèr dafür, dass sein Polizist dauernd auf seine "Speedmaster" blickt – statt schlicht auf die Uhr zu schauen? Und warum tragen Solèrs Figuren "Hely Hansen", "Dolce & Gabbana" etc, statt einfach Jacke und Hose?

In der Nacht, in einer von Neuköllns sinistren Gassen eilte das Dunkel, darin ich, zum Trink- & Litklub mit dem urzeitlichen aber konzisen Namen "Wacht auf, Verdammte dieser Erde". Vor der Institution angekommen zündete ich erstmal eine Gauloise: An der Tür hing nämlich ein Flyer "Lesung Durs Grünbein". Stupide starrte ich auf den Namen: Dieser FAZ-Fatzke hier? im Reich der revoluzzenden Lampenputzer?

13 Worte setzen: Elle est retrouvée. Quoi? – L'Éternité. C'est le thé du matin avec une tartre.

Gruß an das Bundesamt für Sicherheit: Ich gebe ja gerne zu, dass Datenspeicherung eine verlockende Sucht ist. Aber müssen Sie unbedingt auch harmlosen Lämmerschwänzchen wie ich eines bin nachschnüffeln? (Betrifft Ihre Visite meiner Site am 16.04.2015 um 13:36)

Letzte Nacht durch Mitternacht tippelten Geister um mein Haupt. Alle adrett wie aus Beethovens Geistertrio 2. Satz. Nur einer, der Heilige Zeitgeist, spukte mit Spucke. Laut. Und wedelte mit einem Facebook in der Hand

Ganz versunken im Betrachten einer kahlen Gurke beschleichen mich unerwartet Gedanken, ja Zweifel, über die Existenz von Pubpahs

Blättere in Michael Fehrs Pfunzelsprache. Bin kurz vor dem Niesen.

Betrachte eine befleckte Empfängnis und pople in der Nase

Habe gedankenverloren die Zehennägel geschnitten

In diesem Jahr habe ich mehrmals gen Himmel geblickt. Dann aber wieder den Blick gesenkt

Der Mond!, prustete es aus ihr, der Mond!, der Mond!
Sie ist schon länger tot. Aber der Mond war wirklich sehr groß

Die Unruhe. Kräuselnde Warmluft in der Ferne, gelbe Berge. Über der Ebene eine mottende Süße

Das Alter schaut zu. Bäche, verstörte Wasser. Leere Plasteflaschen auf szintillierendem Asphalt. Geisterflecke, Orbs. Lauschende Schatten, an die Wand gedrückt

Der Regenschirm als Ding der Kunst betrachtet. Darunter ein lichtloser Gott händchenhaltend mit seinem fluchendem Propheten. Gesänge von Zikaden. Dann fallen Steine und Spott: Alarmist! Alarmist!

Der Raum ist beschallt. Heart, loneliness, forsaken und so in der Luft. Bierlache auf dem Klinker. Kartoffelsalat und Untotes

Aus der Siesta muss ich in eine Paranormalität gerutscht sein, in einen Traum ohne Frauenzimmer, ohne Notenpult, Flügeln aus Hanf, ohne Geschichtsschreibung. Aber einer Rolltreppe zum Abhängen. Sie führte hinunter zu einem Mauseloch

Die Viertelstunde versteckt sich im Hinterzimmer. Zur Tarnung trägt sie zusätzlich eine Strumpfmaske. Seit die unerwartete Wendung nach ihrem Bereitsein für die Reise fragte, fürchtet sie sich, bangt, rechnet mit dem Ende der Zeiten

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