Aumann, Irene

Als der Züricher Volks-Anzeiger in einer ganzseitigen Besprechung Irene Aumann zur lyrischen Leadstimme stilisierte sprach man mit spöttisch verzogenen Mundwinkeln von einem Beziehungsdelikt. Aumann, geboren 1940 in Kent, Grundschullehrerin in der Schweiz, veröffentlichte mehrere Gedichtbände, einige mit Illustrationen des sog. Sprayvitzli. Obwohl eines ihrer Gedichte den Allerweltsliebling Chopin titelt, fehlt Irene Aumanns Gedichten jeder Rhythmus, jegliche Musikalität. Die Stadt Zürich hat diese Art Brigitte-Lyrik 2012 mit einem Preis geehrt.

Ampelrot

Im Gedränge suchen
Menschen die Taschen zur Querung
der Streifen und empört
beklagen die lange
Rotphase

Zur Ampel noch Krankheit, Donner, Unwetter
die Fänger von Hameln, Wirtschaftsbosse,
wer auch schuld
mich überfällt da eine
schreckliche Traurigkeit

Brief

Der Brief ist versandt
jetzt lässt sich nichts mehr ändern

Da lieber Gott
wäre ein Trost fällig
der Blätter fegt über den Kies
einlagert in feuchten Kellern
und richtet hundertjährigen Krempel

Leermond

Ein Klempner schläft
mit Chopin der
letzten Nacht entgegen

Die Wolken räumen
ihre Lager in den Mauernischen
leeren Taschen und Koffer

und treten aus der Sonne
und sind sich nicht sicher ob
sie aus dunklen Machenschaften gerettet